München, Olympiahalle, 23.09.02
Biblische Weisheiten im Schunkel-Rhythmus: Xavier Naidoo gab alles für den Herrn
Der Mann will uns ein Rätsel sein: Ist er nun begnadeter Sänger, vorbestrafter Kiffer, streitbarer Sturkopf, ebenso gutaussehender wie militanter Fundamental-Christ oder alles auf einmal? Sein Äußeres gibt vorerst keine Hinweise, die zu einer Antwort führen könnten: Mit Jeans und weißem Hemd gekleidet sieht Xavier Naidoo auf der Bühne der Münchner Olympiahalle ziemlich normal aus. Auch das Bühnenbild ist weit entfernt von Pomp und Plüsch, eng stehen Naidoo und seine Musiker beieinander, lediglich einen kleinen Laufsteg in Richtung Publikum gönnt sich das Konzept. Überraschung geglückt.
Wer befürchtete, dass Naidoo das volle Haus nutzt, um aus der Bibel zu lesen und Glauben zu propagieren, irrt. Statt dessen erlebten seine Fans einen Naidoo, der stimmgewaltig und mit souveräner Leichtigkeit ein mehr als zweistündiges Konzert gab. Klar, ganz kann er es nicht lassen, will uns singend erklären, dass er, wenn er schon Vater wäre, uns alle bedrohen müsste. Wegen unseres Lebenswandels. Und die Könige der Welt will er entthronen. Wegen ihrer Habgier. Zu unser aller Glück aber ist der Mannheimer noch kinderlos und wirkt überhaupt an diesem Abend eher wie der Schwiegersohn der Nation.
Umso prächtiger und frei von Überlagerungen entfaltet sich auf diesem ruhigen Boden die Wirkung seiner Musik. Hell strahlen seine Songs im Livegewand, dank einer wundervollen Band fließen Hits wie „Bevor Du gehst“, „Wer weiß schon was der Morgen bringt“ oder „Wo gehst Du hin“ in einem eingängigen und nicht unangenehmen Schunkelrhythmus über die tobende Menge hinweg. Funkelnd die ruhigen Lieder und Duette, jedes ein Juwel für sich, tief ergreifend und todtraurig das Lied „Abschied nehmen“ – der Sänger war mit einer Souveränität, Intensität und Stimmgewalt zu gange, die seine Fans in Verzückung versetzte und seiner Konkurrenz in Deutschland Sorgenfalten auf die Stirn treiben dürfte.Naidoo gehört zu recht die Gegenwart und auch die Zukunft, er ist jetzt schon ein Superstar. Einer ohne Schublade.