Mein Kater hat jetzt auch Internetanschluss. Geht ihm das Futter aus, ordert er mit ein paar flinken Mausklicks (da hat der Bursche Übung!) eine neue Ladung Whiskas bei schlecker.de. Juckt ihn das Schwänzchen, liefert amazon.de umgehend „Blutjunge Kätzchen bestialisch gequält“ an den alten Sadisten.
So. Wenn aber schon mein Kater virtuell unterwegs ist, wer ist es dann noch nicht? Keiner? Falsch. Denn Gott und die Seinen auf Erden haben noch immer nicht gerafft, was für ein Supermissionar das Internet sein könnte. Reden wir nicht von irgendwelchen „Webseiten“, auf denen Katholen und Evangelen unter Beweis stellen, dass auch sie mit dem Virus der animierten Gifs, Flash-Intros und sackgassenliebenden Navigation infiziert sind. Reden wir lieber von animierten Gifts, Flash-Intros und sackgassenliebender Navigation, denen es zum Beispiel gelingt, den bedrückenden Nachwuchsmangel insbesondere der katholischen Kirche zu beheben. So manch einsam durch das Netz servender Pädophile wäre angesichts leckerer gemischter Messdienergruppen gewiss bereit, täglich eine Runde Vater Unser vor Publikum zu beten.
Vonnöten wäre das weltweitweppende Engagement der Kirche indes vor allem bei einem der most entertaining acts der Mitgliederwerbung: den Marienerscheinungen.
Die bisherige, durchaus mit Erfolg praktizierte Strategie sieht so aus: Man nehme ein tumbes Hirtenmädchen, lasse es in irgendeiner Grotte die Muttergottes erblicken, mache das Ganze publik, errichte flugs ein Gotteshaus nebst einer kommerziell nützlichen Heilquelle und veranstalte Wallfahrten zum Nutzen und Frommen des kirchlichen Etats. Recht nett, aber natürlich total „out of time“, wie schon die Rolling Stones resigniert festgestellt haben.
In Zukunft wäre mit Hilfe des Internet diese althergebrachte Marienerscheinungs-Praxis zu modernisieren, zu optimieren und mit „Beweisen“ zu füttern, die bislang fehlen. Auch einem tumben Hirtenmädchen glaubt man schließlich nicht aufs Wort, wenn es die Mutter des Herrn erschaut haben will.
Gerade in puncto Beweise aber ist das Internet unschlagbar. Man surft wie gewöhnlich durch die virtuelle Welt – und plötzlich erblickt man sie: MARIA! Sie wird in ihrem ganzen Glanze eingeblendet (könnte man als Flashfilmchen anlegen), schaut uns dackeln an und spricht (hier nehmen wir besser mp3 als wav): „Wahrlich, ich sage dir: Das wird böse enden!“
Ein rascher Schlag auf die „Druck“-Taste sichert die Hardcopy und für alle Zeiten den unwiderlegbaren Beleg, dass die vor 2000 Jahren gen Himmel gefahrene Heilige wohl irrtümlich in einen der Datenströme geraten ist, der sie stantepede auf unseren Rechner gebracht hat.
Wir von HINTERNET wären jederzeit bereit, in der traditionellen Rolle als tumbes Hirtenmädchen (Fräulein Katja stünde dafür jederzeit zur Verfügung) solche Erscheinungen in die Welt hinaus zu posaunen. Ganz billig: Eine Seligsprechung für den Chefredakteur, ein paar Blümchen für seine Frau und drei Monate Fegefeuererlass für den Autor – schon heben wir die Schwurhand und die Hardcopy in jede verfügbare Fernsehkamera.
Nur – ist die Kirche schon bereit für diese Revolution? Es scheint leider nicht so. Zwar gibt es jetzt unter www.komm-beten-und-hab-dich-nicht-so.de ein „Jesusquiz“, bei dem Jesus-Sammeltassen, Erbsünden und (hört, hört!) Wochenendfahrten mit „ausgesuchten gemischten Messdienergruppen“ zu gewinnen sind. Jedoch erweisen sich die dort gestellten Fragen als zu schwer für den gewöhnlichen Besucher solcher Seiten. „Wieviel Flaschen Wein trank Jesus auf der Hochzeit von Kanaan?“ – „Entsprachen die Nägel, mit denen Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, der für Kreuzigungen üblichen Deutschen Industrie Norm?“ – „Besaß der Messias einen Pilotenschein oder war seine Himmelfahrt illegal?“ Das kann doch kein Schwein beantworten, selbst wenn Jesus selbst als Telefonjoker fungiert!
Man sieht, wie unbedarft die Vertreter der Kirche dem neuen Medium noch gegenüber stehen. Die Folgen sind fatal: Kein Nachwuchs, kein Publikum, schlechte Presse. Als Vorbild könnte hier (wie so oft) die famose Hinternet-Redaktion dienen, die es immer wieder schafft, allein mit Mitteln des Internet für Aufsehen zu sorgen: Chefredakteurs-Erscheinungen aller Orten, zünftiger Praktikantinnen-Missbrauch und das Versprechen paradiesischer Zustände sogar vor dem Tod haben uns zur „most winning“ Sekte des Dritten Jahrtausends werden lassen. Nimm dir ein Beispiel, Kirche!