Jou, was ist denn das? Ein mürrischer Gast, den niemand zum Tanzen auffordern will? Vielleicht drücken die plateubesohlten Lederstiefel auch ein wenig beim Polkatanzen. Vielleicht ist es auch ein Schnappschuß des müde-dirigierten Orchesterleiters, der jetzt drei Stunden für die Herrschaften aufgespielt hat und dann feststellt, dass ihm niemand was vom Büffet übriggelassen hat. Deshalb hat er sich beleidigt in die Eingangsdiele von Herrn und Frau Neugebauer zurückgezogen hat, die viel Geld bezahlt haben, um zum Fünfzigsten von Herrn Neugebauer mal so richtig was herzumachen.
Und da sitzt er nun im Deko-Stühlchen Louis Cinquante neben der grünlasierten Steingutsäule mit der Yucca-Palme, der weltberühmte, aber leicht angesäuerte und vor allem hungrige Bandleader, und wartet, ob die derweil hektisch mit dem Partyservice telefonierende Frau Neugebauer ihn nicht doch noch mal aus seiner Schmollecke holt. Hoffentlich. Denn so was kommt ganz schlecht: ein griesgrämiger James Last im grünen Anzug direkt neben der Eingangstür. Damit´s auch ja nur alle mitkriegen. Irgendwann müssen die Gäste ja mal gehen…
Nun, diese wiederum haben sich mittlerweile den letzten Funken Energie aus den Leibern getanzt. Zu Adelheid, der Haselnusspolka, den Tiroler Holzhackerbuab´m, dem Trompeten-Jodler, Anneliese, der Schwarzen Amsel, der Herz-Schmerz-Polka, dem Hofkonzert im Hinterhaus und der Rose vom Wörthersee. (Kein Anspruch auf Vollständigkeit.)
Kein Wunder, dass die Gäste so rote Bäckchen haben. Der Covertext verrät es: bei der Polka kann man sich „mal wieder richtig austoben. Ein falscher Schritt stört ebenso wenig wie der feste Griff an der Partnerin Hüfte…“ Hm.
Insgesamt scheint dies jedoch die lyrischere Polka-Sammlung zu sein. Schwebt so selbstvergessen vor sich hin. Mitunter fast schon Fusion-Jazz. Mit Flöten! Und Spinett! Die Trompeten scheinen alle Schalldämpfer zu tragen. Nix „Schlachtfest und Buntkariertes“, wie der Covertext mit Polka assoziiert. Oder in der englischen Übersetzung: „a german type barbecue in a colourful setting“.
Auch die Rechtfertigungen dauern an. Zitat James Last im Covertext: „Die Polka ist in ihrer Art einer der besten Tänze, die ich kenne.“ In ihrer Art? Aber „wenn James Last das sagt, können wir´s ihm glauben. If James Last says this, we should well belive him.“ We should. And we do.
Gottseidank geht wenigstens der Trompeten-Jodler ein bisschen ab. Und die Paris-Polka: da trommelt wieder das Tier! Und der Weihnachtsbaum mit den Schellen rockt. Aber insgesamt ist „Polka-Party 2“ eher eine leicht swingende Beat-Party. Wer sich so richtig die Kugel geben will und Polka-Ekstase sucht, der muss sich schon eine Art Best of zusammenstellen. Tipp: die besten Last-Polkas sind auf „Das Beste aus 150 Goldenen“ drauf: die Amboß-Polka, die Petersburger Schlittenfahrt, die Liechtensteiner Pola, Hora Staccato… Das hier ist zuviel Tirili und Trallala. Feingeist-Polkas. Geht natürlich völlig am Auftrag der Polka vorbei. Wahrscheinlich haben sich die Gäste von Neugebauers aus reiner Verzweiflung an der Hüfte gepackt…