Concert-Successen


Ungefähr vier Last-Platten hat es gedauert, bis ich gemerkt hab, woher ich das „Theme from Elvira Madigan“ kenne. Nein, nicht aus einem Mozart-Konzert, wie man vielleicht vermuten könnte. Nein, aus dem Schlagerprogramm des Saarländischen Rundfunks. Aus dem Lied „Seelenfeuer“ von Claudia Jung und Richard Clayderman. Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen – aber das ist doch komplett bei Mozart geklaut! Wahrscheinlich ist es sogar im Kleingedruckten auf der CD verzeichnet, und ich hätte bloß mal besser hingucken sollen.


Egal. Es ist die alte Misere. Ich und James Last-Klassik-Platten. Wir werden keine Freunde mehr. Und ich glaube, das liegt an der Struktur der Stücke selbst. Vielleicht auch am zu diskreten Beat. Aber vor allem, glaub ich, an der Struktur der Stücke.

Das sind halt keine Lieder: Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Refrain… Nein, das sind durchkomponierte Werke aus nach irgenwelchen Druidenrezepten angeordneten Sequenzen. Das geht nicht so medias in res wie zum Beispiel bei, sagen wir, „Mohikana Shalali“ oder „Heute haun wir auf die Pauke“. Und genau das stört mich vermutlich. Dieser langatmige Aufbau, ohne dass es rockt. Da kann James Last nix dafür. Und da kann auch die Musik nix dafür. Die ist halt so. Während ich eher der Strophen-Refrain-Typ bin.
Klasse in Szene gesetzt ist das hier, keine Frage. Diese mäandernden Flöten in der Moldau – die werde ich jetzt in meinem Unterbewusstsein immer hören, wenn mir die Moldau im späteren Leben begegnet. Das ist so, wie wenn man die Vier Jahreszeit mit Nigel Kennedy kennt. Und dann noch mal eine konservative Einspielung hört. Dann erwartet man auch immer so´n scharfes Kratzen an den entscheidenden Stellen.

Auf dieser holländischen Pressung sind hinten ein paar interessante Fotos auf dem Cover. Warum bei uns eigentlich nicht? Bei uns sind immer nur die Cover weiterer Last-Platten abgebildet. Als hätten wir nichts besseres zu tun als kaufen, kaufen, kaufen. Hier hingegen ist ´ne halbe Homestory drauf. Zunächst mal: der Blick in James Last´s Arbeitszimmer. So übersetz ich mal das Wort „Werkkamer“. Mensch, liegen da viele Tonbänder rum. Und Schallplatten. Sogar ohne Hülle. Und die liegen auch noch vertikal aufeinandergetürmt. Sowas macht man nicht! Und was da noch alles auf dem Flügel rumliegt… Da hat jemand so´n tollen weißen Flügel – wovon andere nur träumen können – und was macht er damit? Legt Zeug drauf. Sowieso ist da kein Durchkommen mehr, in dem Zimmer. Wofür stehen da eigentlich noch die roten Sessel rum? Hier kann man doch eh niemanden empfangen. Wahrscheinlich für Herrn Last selber. Falls er den Klavierhocker auch noch mit lauter Zeug überhäuft. Aber schick ansonsten, der Raum. Viel Weiß und Rot und ein bisschen Braun. Nur die Decke scheint mir ein bisschen niedrig. Ist das ein Bungalow, in dem die Familie Last wohnt? Denn bestimmt liegt dieser Arbeitsraum im Familienhaus. Ob die Kinder da auch von 14 bis 18 Uhr nicht stören durften – so wie bei Thomas Mann? Nur dass der nicht so tolle Musik gemacht hat. Den hätte man ruhig mal öfter stören können. Da wär uns einiges erspart geblieben.

Ich wette, in diesem Arbeitszimmer riecht es wahnsinnig nach Chemie. Wegen der Tonbänder. Ich weiß, wie Tonbänder riechen… Jedenfalls nicht gesund. Vielleicht brauchte James Last diesen Geruch, um so richtig psychedelische Arrangements schreiben zu können. Sogar ein Diaprojektor steht da rum. Das erkenn ich, so einen hatten wir in den Siebzigern auch. Und die Dias steckten in so kleinen, berillten Kästen, die ganz schön geklappert haben. Würd mich nicht wundern, wenn sich der ein oder andere Dia-Aufbewahrungskasten unter den Percussions der, sagen wir, Beach Party fände.

Eine Gitarre seh ich da noch an der Wand lehnen. Und im Schrank steht sogar eine seiner eigenen Platten. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist das die „This is James Last“. Gab´s die auch in Holland? Wär doch blöd, wenn man auf einer holländischen Platte ausgerechnet ein Foto aufdruckt, auf dem eine Platte vorkommt, die´s in Holland gar nicht gibt. „Ich hätte gern genau die da“, sagt der holländische Kunde, im Plattenladen mit vorliegendem Cover wedelnd und auf den kleinen Fleck im Foto oben links zeigend. „Moment“, sagt der Verkäufer, erstmal eine Lupe holend. Um dann zu sagen: „Das ist die ´This is James Last´. Die muss ich re-importieren. (klingt gut) Die Polydor schickt mir die bestimmt, wenn ich da anruf. Nur James Last darf nichts merken.“ Denn James Last hat sich in den 70ern mal milde beschwert, dass zuviel Musik von ihm im Umlauf ist. Weil nämlich Platten, die er nur für´s Ausland gemacht hat, re-importiert wurden. Und schwupp! – gab´s in Deutschland schon wieder eine James Last-Platte mehr. Ohne dass er was dafür konnte.

Das Zimmer auf dem Foto in der Mitte ist das Trophäen-Zimmer. Das betritt James Last auch nur im Frack. Um nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Memento mori. Und seiner Fans zu gedenken, die ihm mittelbar ja die ganzen Preise einbringen. Oder nicht? Ist ja auch wurscht. Ich glaub, der fünf- bis sechste Preis von links ist eine Goldene Europa. Eine Goldene Europa, übrigens, liebe Polydor. Keine „Europa“, wie ihr im Begleitheftchen zur Jubiläums-Ausgabe von Non Stop Dancing schreibt. „Die Europa“ gab´s gar nicht. Das heisst das Europa und ist ein Kontinent! Einen goldenen Löwen erkenn ich noch, der muss von RTL sein. Für die hat James Last ja, glaub ich, auch eine Titelmelodie geschrieben: Happy Luxemburg. Als Erkennungsmelodie von Radio Luxemburg.

Und ganz rechts auf dem Foto dann: das Aufnahmestudio. Das hatte ich mir ja schon anders vorgestellt. In poppigen Farben, spacig, mit viel Plastik. Statt dessen sitzen die hier wie die Philharmoniker von Sowieso in einem holzgetäfelten Konzertsaal. Und James Last hat seinen Stuhl auf einer Art Gerüst stehen, das aussieht, als hätten es die Bauarbeiter bei der letzten Reparatur vergessen. In Krimis werden auf so Dingern die Leichen seziert… Was soll´s. Wird schon alles seinen Zweck haben. Und vielen Dank auch für die Einblicke! Von dem Anzug auf dem Vordercover rate ich übrigens ab. Die weiße Borte am Revers lässt jeden Mann aussehen wie Hanswurst. Und dann noch die gelbe Fliege. Na, ich weiß nicht.
Damit will ich es auch bewenden lassen. Zur Musik ist schon im Zusammenhang mit anderen Classics- und Concert-Platten genug gesagt.