
Endlich mal ein gutes Cover, meint der Chefredakteur. Ich finde, er soll ruhig mal nach Brasilien fahren und selbst nachgucken. Ich persönlich glaube nämlich nicht, dass die Frauen da tatsächlich so kleine Hintern haben. Das ist doch gefaket.
Jedenfalls ist das eine super Idee mit dieser Platte. James Last und Latin, das passt immer. Damit hat er ja schon seine Hammond-Ausflüge gerettet. Latin heisst auf solchen Platten immer: große Fröhlichkeit mit angenehmen, warmen Harmonien. Da wird die Melodie manchmal nebensächlich – die Harmonien halten das Ding schon in einem angenehmen, irgendwie vertrauten Fluß. Aber natürlich gibt es trotzdem Melodien: laute, durchdringende Melodien. Irgendwo zwischen Fanfare und Marsch. Kein Wunder, dass das klingt, als hätte James Last nie was anderes gemacht.
Nein, Latin-Musik ist einfach wie geschaffen für ihn und seine grandiose Band. Die rüttelt und schüttelt sich, die überschlägt sich an den Percussions, die lässt heiße Lava aus sich herauskochen – und dann wieder eine Mischung aus sanftem Sonnenuntergang und Studio 54. Ja, es wird Sommer mit dem Copacabana Happy Dancing – wie die Platte mit vollem Namen heisst. Und soviel Rhythmus wie die Brasilianerinnen im Hintern hat die James Last-Band ja im kleinen Finger.
Ich möchte das Augenmerk auch noch mal auf das bemerkenswerte Cover lenken. Angesichts dessen, dass hier schon die Ära der James Last-losen Cover angebrochen scheint, ist das ein umso gelungeneres Exemplar. Denn oft sehen die James Last-Cover in den 80ern nur noch Scheiße aus. Während sie in den 70ern meist noch ihn selbst zeigen und irgendwie sympathisch und witzig wirken. Nun, dass man beim Thema Copacabana nicht widerstehen konnte, etwas anderes auf die Hülle zu packen, liegt ja nahe… Ich als Frau kann ja den tollen, poppigen Copacabana-Schriftzug betrachten, den ich total super finde. Ich finde, allein für diesen Schriftzug hat die Platte einen Design-Grammy verdient. Da hat jemand sehr genial die Farben und Konturen des Hüfttuchs aufgenommen. Fabelhaft, wie Dieter Thomas Heck und ich hier aus einem Munde tönen!
Yeah, meine Finger rocken im Latin-Takt über die Tasten. Das tut ihnen auch mal gut. Zumal keiner im Raum ist, der sagt: Du hast ja ´ne lustige Art, zu tippen! Das hör ich im Büro ständig. Entweder ist es immer der gleiche Kollege, der sich jedes Mal von neuem lautstark beeindruckt zeigt. Oder es ist die Fluktuation von Kollegen und Praktikanten, die ständig neue Leute in den Raum schwemmt, die garantiert noch nie jemanden so haben tippen sehen. Zur Erläuterung: ich tippe mit zwei Fingern der rechten Hand, während die linke Hand allein der Shifttaste vorbehalten ist. Und ich mache das ziemlich schnell. Am schnellsten geht es, wenn die Zimmertemperatur eine bestimmte Gradzahl nicht unterschreitet und niemand auf meine Finger glotzt und sagt: Tipp mal was. Ich möcht Dich noch mal tippen sehen. – Dann geht es nicht. Dann fühlen sich meine Finger zu beobachtet. Aber mal im Ernst: warum soll das nicht gehen, mit zwei Fingern schnell zu tippen? Pianisten können irgendwann ihre Stücke auch auswendig spielen. Ich bin sicher, Günter Platzek hätte sich nie über meine Schreibweise gewundert. Der wusste, dass man an allen Arten von Tasten virtuos und doch routiniert wirken kann. Wirken? Wirkeln. So klingt das schon aktiver. Schöpferischer. Denn ich meine nicht nur: wirken, sondern wirken im Sinne von „etwas produzieren“. Und dafür passt Wirkeln besser. Dass man an allen Arten von Tasten virtuos und doch routiniert wirkeln kann.
Oder wie der Vibraphon-Spieler in „Perhaps? Perhaps? Perhaps?“. Der klingt toll. Und der Bass, Mannomann. Obwohl er auf dem kleinen Foto hinten einen zu engen Anzug zu tragen scheint, der Basser. Umso beeindruckender, wie toll er hier zupft. Während an James Last der weiße Anzug mal wieder sitzt, als wär er speziell für ihn getackert worden. Und ich ahne, dass die Orgel von Günter Platzek, leider im Halbdunkel verborgen, verdammt spacig aussieht.
Es ist diese Musik, die hier drauf ist, die man auch oft bei Tanzturnieren hört. Wenn zu stark geschminkte Damen mit zu straff nach hinten gesteckten Haaren und männliche Schmierlappen den heißen Rhythmen das letzte Quentchen Lebenslust austreiben, indem sie Tanzen wie schwere Akkordarbeit aussehen lassen. Diese Musik hier könnte – in gewissem Maße – auch Max Greger spielen. Hugo Strasser auch, aber bei dem kläng sie nicht so lässig. Nein, wirklich nach Easy Going und Strandleben klingt sie nur, und zwar nur, bei James Last!
Wobei ich zugleich warne: wer hier obsessive Ausflüge in tripartige Sessions erwartet, der wird enttäuscht. Diese Platte macht Hummeln im Hintern wach, sie ist durchdrungen von großer Arrangier- und Spiellust. Aber sie ist kein Höllenritt wie manche Non Stop Dancing von Ende der 60er oder Anfang der 70er. Das Klang-Puzzle ist vergleichsweise understatementig: wie schon gesagt, warm und manifest. Aber nicht so, als hätten die Last-Musikanten vergessen, ihre Gaga-Zügler zu nehmen. Nein, das ist eine Latin-Platte, wie sie sein soll. Einen atemlos hindurchziehend und erst nach dem letzten Ton wieder loslassend. Mit allem, was Latin so hergibt an Percussions und Bläsern, aber vergleichsweise weich. Und auch hier schön zu sehen, dass es eine Fassung des Titelsongs gibt, die sich hören lässt: nämlich eine ohne Barry Manilow. Auch wenn mir zwischen Strophe und Refrain dieser ganz hoch geblasene Ton fehlt. Wer macht den eigentlich sonst? Ist das eine Trompete? Eine Posaune? Eine Trillerpfeife ? Rätsel der Musikgeschichte… Wenn´s jemand weiß: her damit.