Dieser Krimi hat Tempo. Detektiv Richard Karter wird beauftragt, seinen verschwundenen Kollegen Markmann zu finden, der wiederum auf Madagaskar hinter dem gleichfalls verschollenen russischen Dichter Limonov her war. Also ab ins Flugzeug – und schon finden wir uns an Karters Seite auf der großen mysteriösen Insel im Indischen Ozean wieder, hineingeworfen in Schwüle, Exotik und Hoffnungslosigkeit.
Alle Frauen sind scheinbar Prostituierte. Nun gut, ein Madegasse, der sich eine Woche ausschließlich im Rotlichtviertel einer deutschen Großstadt aufhält, wird wohl das hiesige weibliche Geschlecht ähnlich schildern. Die Männer, so sie schwarz sind, vertreiben sich ihre Zeit als Provinzdespoten und ihre Helfershelfer oder Chauffeure, so sie weiß sind, lassen sie sich, enttäuscht von der Welt, auf der Suche nach einer besseren, treiben.
Irgendwann begegnen sie Karter. Kurze, flüchtige Begegnungen, snapshots persönlicher Tragödien. Geht in Ordnung. Mehr erwarte ich auch gar nicht von einem Roman, der mit knapp 160 Seiten nicht vorgeben kann, mir soziologische und psychologische Analysen zu liefern.
Tempo also. Gut aufgebaut, mit einem erfreulich unspektakulären Ende, wenngleich uns das etwas überraschend kommt. Die Sprache des Erzählers ist – nun ja, wie soll man es ausdrücken: Bieder? Normal? Wenig ambitioniert? Eigentlich schon, und damit beginnt das Problem.
Denn „Tropenfieber“ ist alles andere als ein unambitionierter Krimi. Joseph Conrad wird zitiert, und dieser Limonov, zu dem die Erzählperspektive mehrmals wechselt (wie auch zu Markmann), taucht vor uns auf wie „Dem Herzen der Finsternis“ entsprungen. Gescheitert, am Ende, ein Grübler, der sich selbst für etwas bestraft, das die Welt an ihm verbrochen hat.
Karter hingegen bleibt merkwürdig blass. Was ihn nicht daran hindert, geschliffene Weisheiten abzusondern.
„Originalität hat in Deutschland etwas Unerlaubtes, denn unsere Haupttugend ist die Anpassung. Wir wissen zwar nicht an was, das ist uns aber auch egal. Die Anpassung ist in uns drin: unser Steuerungsprogramm seit den Tagen der Preußen und der deutschen Kleinstaaterei. Warum reisen wir?“
Und so weiter. Nein, hier hat sich Dubbe eindeutig übernommen. Was tief sein soll, ist doch nur flach, was uns zum Nachdenken anregen soll, zeitigt nichts weiter als hölzerne, unrealistische Dialoge. Der Klimmzug hinauf zu Conrad misslingt, Dubbes intellektuelle Muskulatur drückt die Story nicht über die Stange.
Nicht zum ersten Mal werden wir Zeuge des prinzipiellen Missverständnisses, oberflächliches Themenanreißen sei zu den Charakteristika von „Literatur“, „anspruchsvoller“ gar zu rechnen. Während dem eigentlich Literarischen, der formalen Gestaltung, keine weitere Beachtung geschenkt wird. Das ist wirklich schade, denn „Tropenfieber“ funktioniert als eher beobachtender, weniger handelnder Krimi nicht einmal schlecht, wenn man über die üblichen Ungereimtheiten hinwegsieht. Und wen es diesen Sommer nach Madagaskar verschlagen sollte, hat ihn sicherlich im Reisegepäck.
dpr
Daniel Dubbe: Tropenfieber. Edition Nautilus 2005. 159 Seiten, 12,90 €