Ein hübsches Beispiel für die Folgen, wenn Wirklichkeit und Fiktion zusammenstoßen, findet sich in einem Forumsbeitrag bei →„Toms Krimitreff“.
Dort schreibt eine gewisse →„barb“ , in Kanada beheimatet:
„ich habe vor ein paar Monaten hier ein Buch von Fred Vargas mit 1 Kartoffel, die meines Erachtens schon zuviel war, begrüsst. Der französische Titel ist : Sous le vent de Neptune. Dieses Buch ist nun auch auf Deutsch zu finden : Der vierzehnte Stein beim Aufbau-Verlag. Mein Hauptkritikpunkt war die mangelnde Recherche über kanadische Zustände (sowohl polizeilich, meteorologisch als auch strassenbautechnisch). Ansonsten ist Adamsberg, wenn man den Stil mag, sich selbst treu. Das heisst kein Krimi im klassischen Sinne, aber nicht schlecht.
Also : wenn ihr es lest, glaubt ja nicht, dass unsere Strassen 15 km hinter den Städten aufhören und dass es im Oktober schon schneit. Alles Grütze.“
Nun muss man wissen, dass „1 Kartoffel“ die schlechteste Bewertung bei Tom ist. Das Argument „schlecht recherchiert“ ist natürlich happig und wäre vollauf gerechtfertigt, wenn Vargas Journalistin wäre. Ist sie aber nicht. Sie hat einen Krimi mit mehreren Deutungsebenen geschrieben (wie →hier darzustellen versucht) und sich ihr Kanada so geschaffen, wie sie es brauchte.
Das muss man nicht mögen, klar. Ich für meinen Teil erinnere mich an einen sehr großen deutschen Prosaautor, der so genau recherchierte, dass selbst die Mondphasen richtig angegeben wurden. Bis auf ein Mal: Und schon haben sie ihn mächtig verhauen. Ein kluger Kopf hat dann herausgefunden, dass dieser sehr große deutsche Prosaautor mitnichten „schlecht recherchiert“ hat. Die Mondphase hat bloß nicht zum Datum der Handlungszeit gepasst, sondern verwies auf ein Datum, das schon einige hundert Jahre früher lag. Nicht ohne Grund. Es öffnete eine völlig neue Deutungsebene. Aber das nur so am Rande. Nicht alles, was „schlecht recherchiert“ ist, ist schlecht recherchiert. Und Französinnen essen eh keine Kartoffeln, die nicht frittiert sind. Oder?