Merkwürdig still ist es um Deutschlands Krimiautorenelite geworden. Lesereisen wurden abgesagt, Autorenblogs bleiben ungepflegt. Denn die Autoren schreiben. Sie schreiben Wahlthriller, Wahlwhodunnits, Wahlregionalkrimis, ja selbst ein Wahlkatzenkrimi und ein Wahlweinkrimi sind in Arbeit. Die Zeit drängt, denn spätestens Anfang September müssen die Offsettrommeln rotieren.
Wir haben in bewundernswerter Recherchearbeit einige der Plots ermittelt und stellen sie bis Ende des Monats in loser Folge vor. Heute präsentieren wir: ALZHEIMTÜCKE.
Die Story: Deutschland nach der Wahl. Mit knapp 70% hat die Linkspartei einen überwältigenden Sieg errungen, riesige Flüchtlingstrecks mit Besserverdienenden verlassen das Land. Bundeskanzler Lafontaine und Außenminister Gysi sitzen voll in der Scheiße.
Hatten Sie doch ihren Wählern das Schlaraffenland versprochen: 5000 € Bürgergeld für jeden bar auf die Kralle, eine goldene Kutsche mit vier feurigen Hengsten für jedermann sowie Frühstücksflocken bis zum Abwinken. Nur – woher nehmen und nicht die Mehrwertsteuer auf 120 % erhöhen? In ihrer Not wenden sie sich an den CDU-Renegaten Friedrich Merz, der sofort verspricht, die heikle Finanzierung auf einem Bierdeckel klarzumachen. Seine Bedingungen: Der Bierdeckel muss aus Saudi-Arabien stammen und er selbst Finanzminister auf Lebenszeit werden.
Etwa zur gleichen Zeit häufen sich im Lande die unerklärlichen Todesfälle. Jugendliche laufen gedankenverloren über Bundesautobahnen, Verwaltungsfachangestellte stürzen sich aus hohen Fenstern, ein Nobelpreisträger erstickt an seiner Badeente. Bei der Obduktion mehrerer auf solch mysteriöse Weise Getöteter entdeckt die Gerichtsmedizinerin und Gelegenheitslesbe Modesty Blass, dass die Gehirne der Toten – sämtlich in der Blüte ihrer Jahre gewesen – vom Morbus Alzheimer befallen sind. Komisch. Und die Ereignisse spitzen sich zu.
Immer mehr Menschen verlieren ihr Kurzzeitgedächtnis, während das für weiter zurückliegende Erinnerungen zuständige noch prächtig funktioniert. Erste Massendemonstrationen im Osten („Honecker for Bundespräsident!“) und Westen („Reaktiviert Adenauer!“) sind schreckliche Aussichten für eine vor Schrecken paralysierte Republik.
Modesty Blass ist hilflos, doch in ihr keimt nicht nur einem heterosexuellen Ausrutscher zu verdankendes neues Leben, sondern auch ein schlimmer Verdacht: Ist diese Alzheimer-Epidemie vielleicht das Werk skrupelloser Politiker, die auf diese Weise jede Erinnerung an ihre unerfüllbaren Wahlversprechen auslöschen wollen? Jedenfalls: Die Katastrophe ist Wasser auf die Mühlen der Regierenden, zumal es ihnen noch nicht gelungen ist, einen saudi-arabischen Bierdeckel für Merz aufzutreiben.
Bei ihren Nachforschungen gerät Modesty Blass in einen Strudel von Gefahren und Intrigen. Wird es ihr gelingen, das Desaster zu beenden? Oder sitzt auch schon in ihrem Gehirn die Saat des süßen Vergessens? Und warum trinkt Friedrich Merz nur noch Mineralwasser? Und zwar in Modestys Appartement, eine Pistole im Anschlag?
Leseprobe:
„Sie schnitt vorsichtig durch den Kleinhirnlappen. Es regnete graue Zellen, genau 184 Stück. Das Licht flackerte und spielte ein zynisches Spiel auf dem Gesicht des Toten. Er war einmal der ernährungspolitische Sprecher der SPD gewesen, ein korngesunder Mann mit exakt 184 Hirnzellen, von denen knapp die Hälfte mit der Berechnung seiner Abgeordnetenpension beschäftigt war. Modesty Blass begann zu schwitzen. Es war Nacht, und sie war allein. Draußen wehte ein kühler Wind, doch sie bemerkte ihn nicht. Auch nicht den Luftzug, der langsam in den Pathologieraum kroch, weil die Tür lautlos geöffnet wurde und sich eine dunkle Gestalt durch den Spalt drängte, der kaum den Durchmesser eines saudi-arabischen Bierdeckels besaß.“
Die Autorinnen: Mitgliederinnen der deutschen Sektion der Kathy-Reichs-Schreibgruppe zur weltweiten Verbreitung des Gerichtsmedizinerinnen-Thrillers.
Unsere Prognose: Bestsellerverdächtig. Vor allem bei Lesern, die sich nach fünf Minuten nicht mehr daran erinnern können, welches Buch sie gerade gelesen haben.
Hallo dpr,
vielleicht sollte das hinternet einen Preis für den besten Wahlplot ausloben ?
Mit besten Grüßen
bernd
Hallo Bernd,
wie meinst du das? Die Leser sollen Wahlplots einsenden, die dann bewertet werden? Oder aus den hier vorgestellten, wie gesagt vorbildlich und investigativ recherchierten soll einer gekrönt werden? Als Preis könnte ich mir einen goldenen saudi-arabischen Bierdeckel mit der Aufschrift „Plot des Wahljahres“ vorstellen.
bye
dpr
Lieber dpr,
natürlich aus den vorbildlich und investigativ recherchierten Wahlplots. Wenn deutschlands Krimielite schon die politische Realität verarbeitet, wollen wir sie doch auch fördern.
Der Bierdeckel als Preis ist gut. Dazu vielleicht noch eine Flasche oberbayerischen Weins; aus der Lage „Wahlvolk“, Auslese, ein Wein so schwarz wie die Nacht, wuchtig, haut jede Socke um.
Mit besten Grüßen
bernd