Schule der Rezensenten -7-

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Es ist die binsigste aller Weisheiten: Schreibe 1000 Lobhudeleien und einen Verriss, und man wird dich bis ans Ende deiner Tage „den furchtbaren Kritiker“ nennen. So ist das. Und warum ist das so?

„Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht zur Last;
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
Über mein Essen zu räsonieren:
„Die Supp hätt können gewürzter sein,
Der Braten brauner, firner der Wein.“
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.“

So wütete schon der junge Goethe, und dass er, just als er das schrieb, selbst ein Kritiker war, ist wohl pikant, ändert aber nicht an der ewigen Wahrheit des Gedichteten: Kritiker sind Mäkler, dafür leben sie, das baut sie auf. Jeder Verriss ist ein Racheakt, Rache für die schlimmste Selbsterkenntnis: Sie zerstören, weil sie selbst nichts schaffen können und nicht in der Lage sind, die Einstellungsvoraussetzungen zu erfüllen, die schon Friedrich Schlegel, der Großmeister der Kritik, für den Berufsstand formuliert hat:

„Poesie kann nur durch Poesie kritisiert werden. Ein Kunsturteil, welches nicht selbst ein Kunstwerk ist, entweder im Stoff, als Darstellung des notwendigen Eindrucks in seinem Werden, oder durch eine schöne Form, und einen im Geist der alten römischen Satire liberalen Ton, hat gar kein Bürgerrecht im Reiche der Kunst.“

Der Eine droht mit Totschlag, der Andere legt die Latte in lichte Höhen; man riskiert es trotzdem, denn man schreibt ja nicht für die Autoren, sondern für die Leser. Auch einen Verriss.

Die Leser? Ist es nicht die erste Pflicht des Kritikers, die Leser an all den lockenden Nichtigkeiten vorbei zu geleiten, hin zu dem Pretiosen? Bei über 700 jährlichen Neuerscheinungen ist es doch eh Illusion zu glauben, man könne dem Leser die schlechten aussortieren, um ihn dann mit dem Häuflein der guten allein zu lassen! Also konzentriere dich auf die Empfehlung, Kritiker, und verkneif dir das Verteufeln!

Zumal Verrisse zwar länger im Gedächtnis der Leser verbleiben, nicht aber unbedingt auf Gegenliebe treffen. In einer Habt-Euch-Lieb-Gesellschaft wie der unsrigen, die auf „fairer Streitkultur“ besteht, wo ein Anrempeln der Person verpönt ist und jeder Kritik an der Sache sogleich ein „Dann mach’s doch erst mal besser!“ entgegenschallt, gilt Tucholskys simple Feststellung wenig, die da lautet:

Wer in der Öffentlichkeit Kegel schiebt, muß sich gefallen lassen, daß nachgezählt wird, wieviel er getroffen hat.

Ein Autor muss also damit rechnen, dass ich ihm im schlimmsten Falle bescheinige, bei seiner Arbeit versagt zu haben, ja, überhaupt nichts von ihr zu verstehen. Er wird in seinem Versagen öffentlich gebrandmarkt, seine Sprachkompetenz, mithin die Grundlage seines Schreibens, kann angezweifelt, seine Originalität im extremsten Fall verhöhnt werden. Und all das nicht nur nach „Faktenlage“, sondern als Ergebnis einer „Interpretation“. Ist das die Sache wert?

Zunächst einmal: Wer einen Verriss produziert, gerät in die gleiche Situation wie die Person, deren Arbeit er für gescheitert erklärt hat. Ein Verriss provoziert die Gegenrede, sei es vom Autor, von den Kollegen oder den Lesern. Letztere reagieren auf Verrisse besonders allergisch, wenn ihnen das betroffene Buch gefallen hat. Sie scheuen vor persönlicher Verunglimpfung des Rezensenten nicht zurück, und manchein Leser entscheidet sich als Folge einer allerdings merkwürdigen logischen Schlußfolgerung sogar dafür, das verrissene Buch nur deshalb zu erwerben, weil es verrissen wurde.

Das Schlimmste, was einem passieren kann: Der Nachweis, selbst geschludert zu haben. Wenn ich etwa behaupte, Autor A. habe miserabel recherchiert, der deutsch-französische Krieg habe nicht, wie geschrieben, 1870/71, sondern bereits 1868/69 stattgefunden, brauche ich nicht lange zu warten, bis mir ein freundlicher Mensch diesen meinen Irrtum zu Recht um die Ohren haut und alle anderen 99 bitteren Wahrheiten, die ich so zu sagen hatte, Makulatur werden. So betrachtet, sind Verrisse rohe Eier, deren Konsistenz man en détail und in aller Ruhe immer und immer wieder überprüfen sollte.

Also warum das alles? Warum es sich nicht leicht machen und loben, loben, loben? Ganz einfach: Idealerweise ist der Kritiker auch Teil einer Krimi-Kultur, und somit nicht nur das, was man euphemistisch einen „Kaufberater“, wahrheitsgemäßer vielleicht einen kostenlosen Trommler der Verlage nennen könnte. Ein Rezensent ist auch der Qualitätskontrolle im Interesse besagter Krimikultur verpflichtet, einer Kultur, die man nur schwerlich beschreiben kann und schon gar nicht am Ende dieses Beitrags. Das riecht nach einem Freitagsessay.

Doch soviel vorweg: Ein Verriss kann notwendig werden, um die Stimme gegen allgemeine Entwicklungen zu erheben, die die Krimikultur gefährden. Dass etwa eine Warnung vor der Flut minderwertiger, weil nach immer den gleichen Vorlagen produzierter „Skandinavienkrimis“, die seit Jahren über uns kommt, diese Flut nicht stoppen wird, ist sicher richtig. Versuchen sollte man es dennoch. Man wird niemals diejenigen erreichen, denen Qualität Wurscht ist, die einen 200-Vokabeln-Wortschatz bei Autoren zu schätzen wissen, weil das immer noch 50 mehr sind als im eigenen, die, sehr legitim, sich beim notorischen Liegen in der Sonne am Strand im verdienten Urlaub nicht anders zu behelfen wissen, als mit Exundhopp-Romanen die Langeweile zu vertreiben.

Aber diejenigen, die Krimis als Literatur ernstnehmen, weil sie Literatur als unverzichtbaren Teil ihres Lebens ernstnehmen – die erreicht man doch. Es sind wenige. Aber wenn nun auch noch die Kritiker nur die Schönwetterseiten ausleuchten würden, wären es bald noch weniger.

22 Gedanken zu „Schule der Rezensenten -7-“

  1. guten morgen, dpr!
    freust du dich, wieder von mir zu hören?
    wie verrückt?
    o-kay.
    du hast bestimmt schon mal drüber geschrieben, aber wie siehst du die arbeit der lektoren? letztens nahm ich aus gegebenem anlass einen „aktuellen“ (in diesem frühjahr erschienenen) meine-heimatstadt-krimi in die hand und las auf S. 7 oder 8, wie der detektiv mit d-mark bezahlte. ich habe den krimi, immerhin eine gebundene ausgabe, aus der hand gelegt und seither nicht mehr angerührt. ich bin aber fast gereizter gegenüber dem lektor/verlag, der dem autor nicht sagte, dass das so nicht geht.
    die sachlage scheint mir klar zu sein: der autor hat den krimi zu einer zeit geschrieben, als es noch die d-mark gab, jetzt erst untergebracht und stand der frage, ob er ihn noch mal aktualisieren muss, ergebnisoffen gegenüber. der verlag aber haute das ding – scheiß drauf! – auf den markt (mal unterstellt, er hat das mit den d-mark überhaupt gemerkt).
    das buch macht also dem kundigen leser ab seite 8 einen nicht-lektorierten eindruck.
    jeder kundige rezensent müsste es in meinen augen allein deshalb schon verreißen.
    aber badet nicht der autor die schlechte/inexistente kritik durch den lektor aus?
    (kritisiert der lektor hervorragend und nimmt der autor die kritik nicht an, hat er´s natürlich nicht anders verdient, in der fachpresse verrissen zu werden; dann frage ich mich jedoch trotzdem, warum das buch erschienen ist. wenn´s nicht die bestmögliche und bestrecherchierte version ist, die von verlagspraktikanten heute EINFACHST am bildschirm zu ergoogeln ist. der lektor braucht bloß den deutsch-französischen krieg im text anzumarkern und mit all den anderen angemarkterten bitte-nachchecken-stellen rüberzureichen. und ein pfiffiger praktikant macht das bei sagen wir 10 stellen an einem arbeitstag und schon steht der kleine krimi eins-a-recherchiert da.)
    man kann das dem autor ja auch WOHLWOLLEND zugestehen, dass die recherche drecksviel arbeit ist, die jeden schreibfluss von grund auf zerstört (was AUCH wieder die qualität leiden lässt), und bitte, man guckt es vom verlag aus durch (nicht jeder autor kann sich rechercheure leisten),
    meint
    anobella

  2. Guten Morgen nach Prag, liebe Anobella,

    natürlich höre ich immer wieder gerne von dir… (du sollst nicht lügen, sagt gerade mein Gewissen; aber ich gelte ja nicht zu Unrecht als gewissenlos…)
    Über Lektoren explizit hab ich wohl noch nichts geschrieben. Erinnere mich aber an die eine oder andere Rezension, wo ich das offenkundige Fehlen eines solchen beklagt / angeprangert habe.
    Tja, Lektoren kosten Geld. Hier gehts schon mal los. Einige Verlage scheinen dieses Geld nicht zu haben oder sind nicht bereit, es zu zahlen. In anderen Fällen sind tatsächlich LektorInnen am Werk – aber wie! Es geht ja nicht nur um offenkundige Recherche- und Grammatikfehler. Ein guter Lektor besitzt auch so etwas wie eine natürliche Stilkundigkeit, d.h. er merkt stilistische Brüche, holprige Beschreibungen, hölzerne Dialoge etc. Oder doch nicht? Anscheinend doch nicht immer. Ich weiß nicht, ob es jemals die Zeiten gegeben hat, in denen ein(e) LektorIn eine(n) AutorIn bei der Entstehung ihres / seines Werkes kundig begleiten konnte. Aktuell wette ich, dass es sich nur noch wenige Verlage leisten (können), diese zeit- und geldaufwendige Arbeit zu investieren. Führt ja vielleicht dazu, dass dann das Werklein nicht 9,90 €, sondern 10,90 € kosten müßte – und das Thema mit dem Verkaufspreis hatte ich ja erst kürzlich in einem Freitagsessay.
    Ach, es gäbe noch viel, viel zu sagen, und ich merk mir das Thema mal für später vor (heißt: dpr nimmt sogar Anregungen auf, die von FRAUEN stammen! Ist er nicht süß?). Zur Recherche noch kurz: Es gibt nichts Anregenderes für einen Autor als die Recherche! Wen das irgendwie „in seinem Schreibfluss hemmt“, der hat keinen! Ich schreib doch nicht alles „einfach so aus dem Kopf“. Recherche weitet das Hirn, bringt dich auf neue Ideen, bringt ein paar alte zum Schweigen etc. So. Ich hoffe, dein Winzerdingsbums ist gut recherchiert. Werde das recherchieren. Und wehe….

    bye
    dpr

  3. und was passiert autoren, die in einem verlag vorstellig werden und sagen „ich will ein eins-a-lektorat, wehe, da steht am schluss noch was von d-mark drin oder irgendein anderer offensichtlicher quark! oder wortwiederholungen oder schiefe metaphern!“
    man ist ja oft betriebsblind. braucht ja auch eine plotkritik!
    setzen wir also mal den lektoratsoffenen autor voraus: findet er ein offenes ohr bei den verlagen? muss er einen guten lektor vielleicht nur einfordern (und tut es aus unerfahrenheit nicht oder weil er – gern – dem glauben aufsitzt, alles wäre schon in ordnung?) oder muss er sich damit abfinden, dass das ganze nur korrektur gelesen wird?
    ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ein gutes lektorat im verlag so viel mehr zeit kostet als ein schlechtes. man geht großzügig mit dem rotstift durch das ding – lesen muss man es sowieso!
    und es fällt doch auch auf den verlag/lektor zurück, wenn er im februar 2005 ein autorendebüt publiziert, in dem der held noch mit d-mark operiert (und es ist nicht ein historischer roman). das tritt man doch gleich in die tonne. so viel zeit/können/geld muss doch sein!

  4. Liebe Anobella,

    also wenn ich mit großem Erfolg Eifelkrimis schreiben würde, könnte ich auf den Tisch hauen und ein anständiges Lektorat fordern. Aber sonst? Debütant? Oder vom letzten Krimi mal gerade 1200 Stück abgesetzt? Dann muss ich froh sein, überhaupt noch mal einen Vertrag bekommen zu haben. Wie gesagt: Es ist eine Kostenfrage. Erstens. Zweitens eine Ausbildungsfrage. Wer wird heutzutage LektorIn? Was sind die Einstellungsvoraussetzungen? (Mir schwant da manchmal Böses…). Und drittens, womit ich elegant zum Thema der Woche überleite (danke, Anobella, das haben wir fein gesponnen!): Die Notwendigkeit eines anständigen Lektorats wäre selbstverständlicher Bestandteil einer „Krimikultur“. Haben wir die hierzulande? Bei einigen Verlagen sehe ich das durchaus (ich mache jetzt keine Schleichwerbung), bei anderen weniger und bei wieder anderen gar nicht.
    Aber schön, dass du es einsiehst: Autoren sind betriebsblind. Irgendjemand muss ein kritisch-neutrales Auge auf den Text werfen. Da ich mich hier niemals auf ein Verlagslektorat verlassen würde: Such dir jemanden, der das übernimmt. Stilsicher, kritisch – und stoisch-geduldig, wenn sich das sicherlich hübsche Mündchen der Autorin (sexistischer Einschub) mal wieder fassungslos-unverstanden-angewidert verformt. Notfalls musst du dafür sogar bezahlen!

    bye
    dpr

  5. man müsste mal so eine erhebung unter autoren machen – welche erfahrungen haben Sie mit dem lektorat gemacht; bekommen Sie ein gescheites lektorat?
    *regt sich über vermeidbare fehler auf und gibt auch dem lektorat die schuld

  6. ich bin diametral anderer meinung als du. 1) gerade die debütanten brauchen gute lektoren (das ist im dienst des autors, des lektors, des verlags, des verkauften buchs, national und regional), 2)ein gutes lektorat ist keine kostenfrage. es ist der unterschied zwischen korrektorat und lektorat. ein SCHLECHTES lektorat braucht kaum mehr zeit als ein gutes. angenommen der autor ergeht sich seitenweise in irgendeinen unmaßgeblichen schrott, der nichts mit der story zu tun hat. wieviel zeitlicher aufwand ist es, die seiten mit dem delete-zeichen zu versehen? der schlechte lektor lässt es nur STEHEN. 3) wenn der krimiautor einen guten außenlektor findet, sollte er ihn MIT ins verlagshaus bringen dürfen – wenn die keinen guten haben.
    aber wo findet man 4) gute externe krimi-autoren-lektoren? was gibt der eifrige autor (der eine vernichtende kritik dpr´s vermeiden will, womit wir elliptisch wieder beim ausgangsthema wären) 5) in die suchmaschine ein? wie RECHERCHIERT er das thema „wie finde ich einen guten verlagsexternen, vorgeschalteten krimikritiker?
    * datenbank, datenbank!
    ** zieht den notizblock heran, um deine tipps vom bildschirm abzuschreiben

  7. Diametral anderer Meinung? Überrascht mich nicht. Ca. 99,9999999999999 Prozent der Weltbevölkerung sind das. Mindestens. Aber:
    Du hast mich natürlich wieder einmal missverstanden (passiert Frauen desöfteren; ich lerne überhaupt nur Frauen kennen, die mich „missverstehen“). Natürlich brauchen Debütanten (und andere) gutes Lektorat. Aber dann kommen wir wieder zum Knackpunkt: Was ist das? Ist ein Lektor / eine Lektorin tatsächlich noch jemand, der/die einen Titel aus rein qualitativen Gründen im Verlag durchsetzt, sich mit ihm beschäftigt, auch die Auseinandersetzung mit Autoren / Übersetzern nicht scheut, die schon genannten Kriterien (Stilsicherheit etc.) besitzt? Also mal ganz konkret: Ich habe gerade den Krimi „Oktoberfest“ von Sobo Swobotnik gelesen und werde ihn in Bälde rezensieren (auf titel-forum.de). So. Der Autor versucht sich als Haas-Kopist. Und das auch noch verdammt schlecht. Der Plot ist hingerotzt und wird wie eine lästige Pflicht zum beliebigen Ende geführt. So. Erschienen ist das Ganze bei dtv, auch noch als „dtv premium“, also nicht bei einem Einmannverlag, wo die Einrichtung eines Lektorats eh Utopie wäre. Ich versuche mir gerade den Lektor, die Lektorin dieses Buches vorzustellen. Wenn er oder sie auch nur ein Fitzelchen Ahnung von Krimis gehabt hätte, wäre dieser „Krimi“ überhaupt nicht erschienen. Oder erst nach einer Totaloperation: Haas-Kopien raus, vernünftiger Plot etc. Is aber nich. Warum? Ich kann nur mutmaßen. Weil es den Leuten wurscht war? Weil man sich gesagt hat: Haas verkauft sich gut, also wird auch für eine schlechte Haas-Kopie noch was abfallen? Weil ein geschwätziges Buch über das Oktoberfest weniger verkauft wird als ein „Krimi“ über das Oktoberfest? Weil man einen auf „Literatur“ machen wollte und das, was Swobotnik (klingt verdammt tschechisch, ist abern Deutscher) da abgeliefert hat, allen Ernstes für „Literatur“ hält? Wie ichs auch drehe und wende: Mir grauts.
    Nochmal: Das ist kein Pauschalurteil. Es gibt Verlage, da kann ich blind drauf wetten, dass dort auch die Lektoratsarbeit vernünftig erledigt wird.
    Externe Krimilektoren? Gibts die? Keine Ahnung. Hab noch keinen gebraucht.

    bye
    dpr, der sich schon auf das Rezensieren eines gewissen Winzerkrimis freut…

  8. Hallo Ihr,

    nun bin ich vielleicht nicht ganz so nah am Phänomen „Autor“ dran. Aber, wenn ein Buch entsprechende Stockfehler enthält, sind Autor und Verlag gleichermaßen Objekt meiner Unzufriedenheit.

    Interessant in diesem Zusammenhang vielleicht zwei Beiträge aus dem Block von Sandra Scoppettone.

    Im ersten (http://sandrascoppettone.blogspot.com/2005/09/copyeditor.html#comments) beschwert sie sich, dass die Copy-Editorin Aussprechvariationen der mündlichen Rede („whaddaya“ to „what d’ya“) weg korrigiert hat. Am Ende erfahren wir dann, dass es sich um eine Freelancerin handelt, die der Verlag für solche Tätigkeiten beschäftigt.

    Im zweiten (http://sandrascoppettone.blogspot.com/2005/09/its-here.html#comments) erwähnt ein Autor namens Bill Crider, dass ein Editor bei ihm ´mal „adobe“, Lehm zu „abode“, Behausung korrigiert hatte.

    Ich fürchte, es bleibt dabei, dass viele Verlage am Personal sparen, und da ist die Existenz eines Lektors minderer Kompetenz kein Gewinn für den Leser. Vermutlich werden sich die „Mittelklasse-Autoren“ (Sorry) mittelfristig entsprechende Dienste bei Lektorbüros oder Freiberuflern zukaufen, oder ?

    Mit besten Grüßen

    bernd

  9. Hallo Bernd,

    inwieweit das Lektorieren inzwischen schon „ausgelagert“ worden ist, vermag ich nicht zu sagen. Zunächst ist ja an Freelancern auch nichts auszusetzen, wenn sie ihren Job beherrschen. Qualität hat aber nach wie vor ihren Preis (womit wir wieder beim Geld, beim Verkaufspreis, bei den Klagen der Leser etc. wären). Die interessanteste Frage scheint mir die zu sein, wie lange sich die Leser schlecht lektorierte Bücher gefallen lassen? Merken sie es überhaupt? Protestieren sie? Beeinflusst es ihr zukünftiges Kaufverhalten?
    Lektoratsservice wird übrigens zur Genüge angeboten, wie oberflächliches Googeln zeigt. Über die Qualität sagt das natürlich nichts aus. Ich sträube mich auch dagegen, es den Autoren zu überantworten, ihre Sachen möglichst ohne „Stockfehler“ zu publizieren (von anderen Dingen ganz abgesehen). Es könnte aber darauf hinauslaufen. Das Buch im Strudel der Geiz-ist-Geil-Manie. Die Zeche zahlen am Ende alle.

    bye
    dpr

  10. Hallo dpr,

    natürlich das Buch im Strudel der Manie.

    Wenn ich bei einem größeren Internet-Buch-Händler deutsche und amerikanische Bücher gemischt bestelle, ist es regelmässig so, dass die amerikanischen die preisgünstigeren Bücher sind, trotz Transport und weniger verkauften Stückzahlen in Deutschland.

    Allerdings vom Papier und Druck her, gefallen mir die deutschen in aller Regel besser – Ausnahmen gibt es natürlich, z.B. Soho, Vintage. Auch in England gibt es, meine ich, mehr Verlage die auf eine angenehme Ausstattung achten.

    Mit besten Grüßen

    bernd

  11. Hallo Bernd,

    ich war vorige Woche in Metz / Frankreich und habe mich mal kurz in einer Buchhandlung umgeschaut. Krimis kosten dort in der Regel 3 bis 4 € weniger als bei uns – allerdings sind sie auf schlechterem Papier gedruckt und hinterlassen nicht den Eindruck, ein wiederholtes Lesen zu überstehen.

    bye
    dpr

  12. sag mal dpr, hast du irgendwelche traumatischen erfahrungen mit frauen gehabt? nur weil du i m m e r und s t ä n d i g auf dem thema drauf bist?!
    *herrscht dich an
    ich glaube, die leser fordern keine besseren lektoren, weil sie die fehler den autoren geben. aber aus meiner perspektive sind es die lektoren, die dafür zu sorgen haben, dass ein buch keine fehler hat.
    bei manchen hesse-werken denke ich zum beispiel, da war kein lektor dran, geschweige denn bei thomas mann. anders gesagt: was hätten die bücher tatsächlich werden können!
    was wolf haas betrifft, so liegt SEINE stärke auch nicht gerade im plot. 😉 aber das ist mir bei ihm so egal. er ist eben kult. ich habe noch nie bei ihm die figuren geblickt oder wo sie gerade sind oder an welcher stelle sein plot ist – total egal. ich sauge jeden absatz in mich rein.
    also bevor alle autoren anfangen, freiberufler dazuzukaufen, sollten lieber die verlage fähige interne und externe lektoren rekrutieren, die sich mit nichts anderem als dem werk beschäftigen. lektoren sind oft mehr mit dem verlagsprogramm an sich befasst als dem nahkampf mit dem autor und seinem text.
    vielleicht geben sie auch zu schnell nach.
    also WO kriegen die krimiautoren einen guten lektor her?
    *stift in der hand!

  13. zu traumatischen Erfahrungen: nein
    zu Schuld der Lektoren: auch
    zu Haas: okay; aber nicht übertreiben
    zu Lektorensuche: viel Erfolg

    dpr (jedes Wort ab sofort auf Goldwaage)

  14. mannmannmann, wahrscheinlich bist du im nächsten post wieder beim „Sie“! *seufzt wie passt „nicht übertreiben“ mit jedes wort auf die goldwaage legen zusammen?
    warum ich haas´figuren nicht auseinanderhalten kann, liegt daran, dass sie alle gleich reden … aber das ist wie gesagt nicht wichtig …
    **kollabiert ins bett

  15. Hallo anobella,

    in der Tat, Haas schildert in einem Erzählrausch, da sind Figuren und Plot zweitrangig, der könnte auch über die Abenteuer einer Computertastatur schreiben …. Mit seiner „undurchsichtigen“ Erzählweise zieht er einem ja das Plot über die Ohren, so schnell kann man gar nicht kucken.

    Und ach ja, der durchschnittliche Leser dürfte sich kaum bewußt machen, dass Lektoren eine derartig wichtige Rolle spielen (sollen).

    Mit besten Grüßen

    bernd

  16. (kommentar eben erst entdeckt) (weil watching the detectives nicht mehr die neuesten antworten abbildet) (*schuldzuweisung)
    lieber bernd, ja, haas. ich habe zum beispiel echte schwierigkeiten, seine bücher voneinander zu unterscheiden. okay, einmal geht es um hunde und einmal um knochenfunde im essen und einmal um die rettungswagenfahrer. aber die unterschiedlichen figuren in den unterschiedlichen büchern könnte ich nie benennen. es sind halt der bertie und die annie und ich weiß nicht mehr. haas bücher reicht man eigentlich völlig unkommentiert weiter: ach, das musst du selbst lesen! auf anobellas welt habe ich mich im sommer auf eine leseprobe beschränkt und gesagt: das ist g u t!
    schade, dass es so eine regionale wiedererkennbarkeit in deutschland nicht gibt. in hessen haben wir kein vergleichbares idiom. natürlich können wir „kerle naaa!“ sagen, aber das verbraucht sich schnell.
    was die lektoren anbetrifft, so haben sie einen ähnlich schlechten ruf wie die rezensenten, forciert von autoren, die nicht zu ende denken und sich am liebsten gar nicht kritisieren lassen.
    aber tatsächlich müsste man zur medienabwechslung mal so eine leser-offensive starten: wir wollen besseres lektorat!
    im grunde muss man auch gar nicht den lektoren sagen, dass sie ihre arbeit besser machen sollen, sondern den verlagen, dass sie die anweisung dazu geben. ich kenne einen schweizer autor, der die wahl hatte zwischen wirklich sehr etablierten verlagen in hamburg und berlin, hoffmann & campe, rowohlt, list und der mich fragte, welchen er nehmen solle. ich riet ihm zu dem verlag, der ihm noch einmal ein intensives lektorat anbot. so geschah es auch – und er hat den kompletten schluss umgeschrieben und noch einmal einen zusätzlichen TWIST gebracht. die anderen wollten das buch so nehmen, wie es war, denn es war so schon nicht schlecht.
    anobella

  17. Hallo, Anobella,

    manchmal hilft ein „aktualisieren“. Lernt man bei „watching the detectives“ schon im Kindergarten. Schuldzuweisung elegant zurückgekickt.

    dpr

  18. Hallo anobella

    „schade, dass es so eine regionale wiedererkennbarkeit in deutschland nicht gibt. in hessen haben wir kein vergleichbares idiom. natürlich können wir „kerle naaa!“ sagen, aber das verbraucht sich schnell.“

    ? Was war Pieke Biermann ?

    Mit besten Grüßen

    Bernd

  19. man kann übrigens noch in die reihe derer, die das lesevernügen fahrlässig zerstören können, die übersetzer aufnehmen.
    eben habe ich meine nase in das buch „americana“ von don de lillo gesteckt (*don de lillo kennenlernen).
    was lese ich im DRITTEN satz? „Kastanienverkäufer schoben ihre rauchenden Karren umher.“
    Mag sein, dass das in den Staaten anders ist, aber hier in Europa essen wir Maronen.
    *liest angestrengt weiter

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