Wahlkrimi – eine Rezension

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Lieber Wähler. Du magst zwar der Souverän dieses Landes sein (steht jedenfalls irgendwo), als Krimiautor bist du allerdings ein Versager. „Wahl 05“, dein aktuelles Werk, ist das typische Beispiel dafür, was der Außenminister – der vielleicht gar nicht mehr Außenminister ist, aber so genau weiß man das im Moment nicht, und das liegt an dir, Wähler – was also dieser Herr Fischer einmal den springenden Löwen nannte, der als Bettvorleger landet. Zum Schnarchen.

Dabei hast du zunächst fast alles richtig gemacht. Dein Protagonist, Herr Sch., wird von dir und deinem Wahlverhalten dermaßen in die Enge getrieben, dass er sich entschließt, Neuwahlen auszurufen. Seine Chancen sind gleich null, und wir fragen uns schon hier: Wieso macht der eigentlich so etwas? Ist das nicht allzu sehr an der Realität vorbei fabuliert? Du brauchst einen Plot, okay, das verstehen wir, aber hätte es nicht ein simpler Mord auch getan? Muss es gleich die Vergewaltigung des gesamten Grundgesetzes sein?

Unsere Bedenken werden aber zerstreut, wenn wir weiterlesen und feststellen, wie schön du den Spannungsbogen aufbaust. Sch. also chancenlos, seine Gegenspielerin M. siegesgewiss wie nur je eine Krimi-Bösewichtin. Altes Schema: Der aufrechte Held kämpft gegen das organisierte Verbrechen namens „Schwarz-Gelb“. Weitere finstere Akteure treten auf den Plan: Dein Exkumpel L. etwa und der undurchsichtige G., dessen Gehirn sogar schon in der BILD-Zeitung zu bewundern war. Was führen sie im Schilde? Sind sie wirklich deine Feinde oder helfen sie dir am Ende unfreiwillig in deinem Kampf gegen Schwarz-Gelb?

Auch bei denen ist nicht alles eitel Sonnenschein. Regionalboss S. verärgert den Osten und dann bringt Chefin M. ohne Not einen windigen Typen namens K. ins Spiel, stellt ihm am Ende aber einen noch windigeren Typen namens M. (mit der Chefin weder verwandt noch verschwägert) zur Seite. Die Chefin ist angeschlagen, was nicht zuletzt daran liegt, dass Held Sch. beim ersten direkten Aufeinandertreffen Pluspunkte hat sammeln können, vor allem, weil er gesagt hat, dass er seine Frau liebt. Das schafft Emotionen und Sympathie, das ist fast „cozy“, wie man in der Krimikennerbranche sagt.

Dann naht der Showdown. Wir Leser sind hin und her gerissen, du, mein lieber Wähler, hast den Spannungsbogen wunderbar gezogen, ohne ihn zu überspannen. Gelingt es Sch., dessen Lage nicht mehr ganz so hoffnungslos ist, das Unmögliche zu erreichen? Oder obsiegt am Ende doch das Böse? Der Leser bleibt mit seinem Urteil in der Schwebe. Er weiß es nicht. Er wartet auf das entscheidende letzte Kapitel, das an einem hübsch wolkenlosen Sonntagabend spielt, Punkt 18 Uhr.

So. Und jetzt, lieber Wähler, versagst du völlig. Anstatt die Spannung peu à peu zu steigern und dich der Beantwortung der entscheidenden Frage – gewinnt Sch. oder M.? – thrillermäßig zu nähern, verschießt du dein Pulver schon um 18 Uhr 01, also schon am Beginn des Kapitels. Weder noch! Sch. gewinnt nicht, M. gewinnt nicht. Der Krimi ist am Ende, aber noch nicht zu Ende. Der Leser kann sich nun zusammenreimen, wie die Geschichte ausgeht. Schafft es Sch., den feisten F. bei der Stange zu halten und den blasierten W. auf seine Seite zu ziehen, obwohl der partout nicht möchte? Oder macht M. dem immer feister werdenden F. derart schöne Augen, dass der… Und was ist mit L. und G.? Sind die nun gut oder böse? Helfen Sie Sch., tolerieren sie ihn oder lachen sie sich ins rote geballte Fäustchen?

Um Gotteswillen, Wähler! Am Ende eines Krimis müssen alle Fragen beantwortet sein! Das ist das ehernste Gesetz des Genres! Und bei dir? Auf der letzten Seite sehen wir die sauertöpfische M., die ja auch gewonnen haben könnte, und den wie unter Drogen dröhnenden Sch., der ja vielleicht voll auf die Schnauze gefallen ist. Ja, wie nun? Wir wissen es nicht, und du, Wähler, weißt es offenkundig auch nicht. Dann schreib aber auch keinen Krimi, wenn du nicht weißt, wie er ausgeht! Amerikanische Autoren sind da viel cleverer, ich erinnere nur an die Sache mit der Stimmenauszählung in Florida! Das nenne ich suspence! Und bei dir? Nachwahl in Dresden. Mein Gott, wie provinziell!

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