Krimikultur – noch einmal Kommunikation

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Ein paar ergänzende Anmerkungen zur Kommunikation, wie sie in einer funktionierenden Krimikultur stattfinden könnte. Mein letzter Freitagsessay hat, wenigstens einen Tag lang, wenigstens im kleinen, überschaubaren Kreis, eine hitzige, vielleicht auch richtungslose, ganz bestimmt aber notwendige Diskussion ausgelöst. Man kann auch sagen: Wir kommunizierten über Kommunikation und kommunizierten prächtig aneinander vorbei.

Das aber ist nun nicht tragisch; im Gegenteil. Es beweist zum einen, dass es ein Kommunikationsbedürfnis gibt; zum anderen, dass wir wohl zunächst kreuz und quer durcheinander reden müssen, bevor sich aus dieser Kakophonie so etwas wie eine gemeinsame Leitmelodie erheben kann, die zwar alles andere nicht abrupt stoppt, aber doch, vielleicht, strukturiert.

Ohne auf die Diskussion nun en détail eingehen zu wollen, kann man sie doch in wenigen Sätzen zusammenfassen. Es gibt bei Autoren wie Kritikern Vorurteile, die auf Erfahrungen basieren, deren Legitimität hier nicht untersucht werden kann, die aber nun einmal vorhanden sind. Das mag an sich diametral gegenüberstehenden Ansprüchen und Erwartungen liegen. Hier beklagt man eine zu dünnhäutige, verständnislose Kritik, was speziell den deutschen Krimi anbetreffe. Dort ebenfalls Dünnhäutig und Verständnislosigkeit, wenn Autoren Stellung zu ihrem Selbstverständnis und ihrer Arbeit nehmen sollen.

Positiv ist allerdings, dass beide Seiten reden wollen. So beginnt es ja immer, das ist die erste Stufe eines kommunikativen Aktes. Überhaupt zum Gespräch bereit sein – der „Gegenseite“ zuhören – der Austausch von Informationen und Argumenten – und, später, später, später: einen greifbaren oder doch wenigstens theoretischen Nutzen aus diesem Akt ziehen.

Aus der Diskussion habe ich den Eindruck gewonnen, dass man sich im Moment noch gegenübersteht. Was ja schön ist, weil man sich dabei in die Augen sieht; aber auch gefährlich, weil ein Gegenüber immer an Fronten erinnert, an Konkurrenz, an Grabenkämpfe. Man schnappt nach Luft und bläst sie sich um die Ohren. Manchmal ist diese Luft erhitzt, ohne zwangsläufig heiße Luft zu sein, manchmal ist ihr Ausblasen eine Droh- oder Dominanzgebärde. Alles ganz normal; das erschüttert uns nicht.

Vielleicht wäre es ein tragfähiger Ansatz, wenn die Autoren ihre Autorenschaft, die Kritiker ihr Kritikertum und die Leser ihre Lesernatur für eine Weile ablegten, um ganz neutral als das zu fungieren, was sie hinter dem Mantel ihres Spezialistentums sind: Menschen, die sich für Krimis interessieren. Und die zunächst einmal, entspannt und locker, über all das reden, was ihnen an Krimis gefällt und was nicht, wo sie etwas besser machen würden oder alles beim Alten beließen, welche Bedürfnisse sie haben und welche keinesfalls, was man noch bräuchte und wobei man vorsichtig sein sollte.

Ein Thema etwa könnte der wohl unter deutschen Krimiautoren wenn nicht verbreitete, so doch auch nicht rare Verdacht sein, man opfere ihre Arbeit auf dem Altar einer bedingungslosen Anbetung des „Ausländischen“. Ich halte diesen Verdacht für unbegründet, und ein Blick auf die Rezensionen dürfte hier auch Wunder wirken. Indes: Wenn ich mich dort umschaue, wo sich die „normalen“ Leser über ihre Vorlieben und Abneigungen austauschen, werde ich den Eindruck nicht los, man betrachte dort den deutschen Kriminalroman als einen eher minderen Vetter eines imaginären, zumeist englischsprachigen Kriminalfamilienvorstandes.

Ein Beispiel sind die nach wie vor geschätzten Krimis aus dem Gerichtsmedizinerinnen-Milieu. Empfohlen werden Kathy Reichs, Patricia Cornwell, Tess Gerritsen, nicht aber etwa Renate Kampmann, deren Romane die entsprechenden Bedürfnisse gewiss nicht schlechter befriedigen.

Das ist nun keine empirisch-statistische Feststellung, sondern nur ein zufälliger Eindruck, der sich mir in letzter Zeit aufgedrängt hat, ein weiterer wäre die sehr merkwürdige, aktuell um sich greifende pauschale Geringschätzung dessen, was man hier in Deutschland einmal „Soziokrimi“ getauft hat. Da war nun wahrlich nicht alles zum Besten, aber ein Schritt in die richtige Richtung, weg vom Whodunit-Geraune und der billigen Action früherer Produkte deutschen Krimischaffens war das allemal, und wer genauer hinschaut, wird die durchaus segensreichen Auswirkungen dieser überwiegend in den späten 60er und 70er Jahren stattgehabten Bemühungen noch in den heutigen Krimis erkennen.

Womit wir wieder bei der Geschichte des deutschen Kriminalromanes wären, aber dazu äußere ich an dieser Stelle nur die Vermutung, die Dominanz des Angloamerikanischen könnte auch etwas mit der dort noch immer sehr lebendigen Ahnenreihe zu tun haben, die Traditionen begründet, deren Etablierung hierzulande vor allem an U- und E-Streitigkeiten gescheitert ist.

Es rundet das Bild einer Szene, in der sich Autoren, Kritiker und Leser misstrauisch zu beäugen scheinen und unter Kommunikation den bloßen Austausch verbaler Verdächtigungen verstehen. Was, wie gesagt, sein muss. Die Luft muss raus, wenn die Luft nicht endgültig raus sein soll. Aber dann sollte man aufatmen und anfangen, miteinander zu reden – und miteinander zu arbeiten. Dann wären auch heikle, aber wichtige Themen, wie etwa die →neulich von Ludger angeregte Beschäfigung mit dem zwiespältigen Heimatbegriff, möglich.

Eine Vision; und wie alle Visionen mehr aus der vagen Zuversicht als aus der konkreten Situation geboren und ein Projekt für die nächsten Jahre, vielleicht gar Jahrzehnte. Also: reden wir mal. Die Plattformen gibt es, dem Internet sei Dank, für jedermann zugänglich, kostenlos, in Echtzeit. Und zitieren wir Herrn Beckenbauers allzu geläufiges Schau’mer mal und dann schauen wir halt mal.

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