Opitziana

Da wir, im Gegensatz zu den „Alligatorenpapieren“, ja nie Urlaub machen und auch Sonntags die weite Welt des Internets beobachten, und wir morgen ja eh unseren Opitztag haben – hier zwei Kostproben von „Büchermörder“-Bewertung. Soviel steht fest: Wenn Opitzens Buch zu sonst nichts weiter nützt, als den fragwürdigen Zustand deutschsprachiger Feuilletons offenzulegen, hat es schon seine Berechtigung. Also: are you ready? Beruhigungstropfen in Griffnähe? Gut drauf? Dann hier:

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 17.11., kurz faz genannt, was wir fürderhin „Feuilleton als Zirkus“ lesen wollen, lobt Alexander Kosenina den Büchermörder und seinen Autor,

„dessen Keckheit und Abschweifungen ihn an Lawrence Sterne erinnern, dessen schräger Witz und stilistische Kapriolen ihn an Jean Paul oder Martin Mosebach und dessen typografische Skurrilitäten ihn sogar an Arno Schmidt denken lassen“.

Was nun mich an die Frage erinnert, wie wenig man eigentlich von Literatur verstehen muss, um für die faz Literaturkritiken schreiben zu dürfen. Sterne! Jean Paul! Arno Schmidt! (Mosebach lasse ich außen vor, den kenne ich zu wenig). Dagegen wäre Opitz, selbst wenn er gut wäre, ein Würstchen, ein Hänfling, deutscher Schaumwein in Gesellschaft edelsten Champagners. Und vonwegen „typografische Skurrilitäten“ bei Schmidt! Müsste man auch mal lesen, Herr Kosenina, „mal davon gehört“ zu haben, genügt da nicht.

Aus der →gleichen Quelle beziehen wir auch Kenntnis der Rezension von Dorothea Dieckmann, am 18.10. in der „Neuen Zürcher Zeitung“ erschienen.

„Ganz besonderen Genuss hat der Rezensentin Opitz‘ „grenzenlose Sprachlust“ bereitet, die beschwingt alle Register „von frei historisierender zu deftig-heutiger Umgangssprache“ zieht und den Bericht über den der Literatur verfallenen Mörder zu einem „originären Sprachkunstwerk“macht.“

Tja, irgendwas ist schiefgelaufen in unserer literarischen Kultur. Wenn man der Rezensentin mit Opitz‘ „grenzenloser Sprachlust“ „ganz besonderen Genuss“ bereiten kann, dann wollen wir uns den universellen Orgasmus beim Lesen von Sterne, Jean Paul und Arno Schmidt lieber gar nicht erst vorstellen.

11 Gedanken zu „Opitziana“

  1. Lach du nur! Wird dir vergehen, wenn ich den geneigten Lesern mal den Link zu deinem „Jugendbildnis“ setze. Zählt das Tragen übergroßer Brillen eigentlich zu den anerkannten Krankheiten?

    bye
    dpr

  2. in aller Freundschaft, lieber dpr: vom Digest auf den Text zu schliessen — da verpasst sich der Blogger den Splitter, den er dem Rezensenten zieht.

    J. L.

  3. Na, na, lieber Herr Linder, Sie wissen so gut wie ich, wie das läuft. Einmal gibt es keinen Grund, an der Korrektheit des Digest zu zweifeln. Und dann: Was hier digestiert wird, sind Quintessenzen. Und die habe ich im Visier. Immer die gleichen Platitüden, immer das gleiche Geseire. Sprachkunstwerk, einige Namen werden bedenkenlos aufs Papier geworfen, Nachdenken findet grundsätzlich nicht statt. That’s the way.

    bye
    dpr

  4. anerkannte krankheiten? ich bin sexy according to dpr.
    *ist FERTIG mit ihrem krimi!
    *erzählt es allen, die es hören und nicht hören wollen!
    ***and will write for product-placement!

  5. Sexy? Und das soll ich gesagt haben oder was? Hm… fertig mit dem Krimi? Okay, ich erteile ihm hiermit Absolution und erkläre ihn zum „sprachmächtigen“ Werk. Ohne Erklärung, so wies alle machen. Damit bist du unangreifbar! Literaturgeschichte!

    bye
    dpr

  6. Ha, Herr Linder!

    Der Digest verläßlich? Ist hier nicht die Frage. Sondern: Ist die faz verläßlich? Dort steht nämlich als Autorenname (kopiert und eingefügt):
    ALEXANDER KOSENINA. Der Link zum vollständigen Artikel: →hier
    Zitat: „Von groben Invektiven wechselt der Autor geschmeidig in zierlich gedrechselte Artigkeiten aus den Zeiten seines Namensvetters, des „Poëtereyopitz“. Sprachliche Eigenarten der Frühen Neuzeit empfindet er nicht nur semantisch und syntaktisch nach, er imitiert sie sogar orthographisch.“ Du meine Fresse!

    bye
    dpr

  7. „Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
    Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
    Im leichten Feuer mit dem Salamander,
    Und hält sich rein im reinen Element.“

    Dank für den Link zur FAZ: ich gebe Ihnen recht, da ist das Verhältnis von Sätzen zu Quatsch suboptimal.

    Ich muß jetzt rezensieren (sag ich schon seit 4:30).

    J. L.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert