Sie wollen einen Krimi schreiben und wissen nicht wie? Plot, Handlungsstränge, Spannungsbögen, falsche und echte Spuren – nichts als böhmische Dörfer? Bevor Sie sich in eine „Krimischule“ begeben: Lesen Sie Val McDermid. Die verrät Ihnen, wie man perfekte Krimis schreibt.
Vier Freunde, Studenten in Aberdeen, geraten unter Mordverdacht, als sie in einer Vorweihnachtsnacht buchstäblich über die schlimm zugerichtete Leiche der Barfrau Rosie Duff stolpern. Sind Sie nur Zeugen oder ist wenigstens einer von ihnen gar der Täter? Die Polizei ermittelt, wenngleich seltsam ergebnislos, die vier Freunde verwickeln sich in Widersprüche, die Stimmung in der Bevölkerung ist gegen sie, und bald zeigt sich, wie labil diese bisher doch so unverbrüchlich scheinende Freundschaft in Wirklichkeit ist.
All das geschieht im Dezember 1978, und der Leser weiß, dass auf diesen 220 Seiten der Mörder nicht seiner gerechten Strafe zugeführt werden wird. Er liest sich quasi durch die Expositionsszene für den zweiten Teil, der im Jahr 2003 spielt – und schon hier gerät man in die Fänge der Autorin. Manchmal ist man etwas genervt von dem Tempo, mit dem sie die Freundschaft der Vier zerstört. Aber seltsam: Alex, Ziggy, Mondo und Weird, die sich hier in den Maschen der Vorurteile und Vorverurteilungen verfangen, bleiben stets interessante Personen, wohl auch, weil man als Leser weiß, dass man sehen wird, was in 25 Jahren aus ihnen geworden ist.
Der zweite Teil zeigt uns die Vier im gesetzten Alter. Aus allen ist etwas geworden. Alex fabriziert Postkarten, Ziggy lebt mit seinem Freund in den USA und ist erfolgreicher Arzt, Mondo hat eine Dozentenstelle an der Uni und Weird, den wir als Zyniker kennenlernten, hatte sein Erweckungserlebnis und predigt nun für eine fundamentalistische Sekte. Wir wissen noch immer nicht, was wir von den Jungs halten sollen. Sind sie unschuldig oder nicht? Die Autorin forciert den Erkenntnisprozess und lässt Ziggy und Mondo binnen weniger Tage ermorden. Ja – endlich! Wir sind einen Schritt weiter als die Polizei, denn wir wissen, wers war. Glauben wir wenigstens.
Als Weird einem Überfall nur knapp entgeht, müssen die Überlebenden handeln und den Mörder auf eigene Faust ermitteln, denn die Polizei, die die Fall wieder aufgerollt hat, erweist sich auch diesmal als unfähig und inaktiv. Es kommt zum großen Showdown gleich auf mehreren Ebenen. Alex’ neugeborene Tochter wird entführt, eine alte Spur führt zur überraschenden Lösung, die Fäden verbinden sich schließlich und am Ende ist alles nicht so, wie es sich der Leser hätte träumen lassen, aber es ist logisch, es macht Sinn.
Val McDermid ist weder eine besonders herausragende Stilistin noch besitzt sie besondere Fähigkeiten, Atmosphären eindringlich zu schildern. Dafür verfügt sie über eine geradezu erschreckende Sicherheit im Umgang mit den Mitteln des Spannungsromans. Sie spielt mit den Reflexen ihrer Leser, hält sie bei Laune, führt sie auf falsche Spuren, treibt die Handlung auf diversen Ebenen voran, garniert das Ganze mit wohltemperierter Action und wirkt dabei zu keinem Zeitpunkt unglaubwürdig. Was sie uns über die Gesellschaft, über die psychischen Befindlichkeiten ihres Personals mitzuteilen hat, mag letztlich belanglos sein: WIE sie uns das serviert, ist große Kunst.
Val McDermid: Echo einer Winternacht.
Knaur 2005. 554 Seiten, 9,95 €
Ich fand das Buch zwar nicht schlecht, aber auch nicht überragend — und dass eher weil McDermid mit den Mitteln eines Spannungsromans so gut umgehen kann. Durch ihre Cliffhanger und abrupten Perspektivwechsel fühlte ich mich arg offensichtlich auf die falsche Spur geführt.
Interessant, was Sie da sagen, Herr Albertsen,
bei einem so überraschenden Ende habe ich mich auch gefragt, ob mich die Autorin „mutwillig“ auf falsche Fährten locken wollte, und das geschieht ja meistens über logische Brüche, die erst im Nachhinein als solche erkennbar werden. Bei McDermid habe ich die aber nicht festgestellt. Ich fand auch die Psychologie des Täters, die ja für die falsche Fährte primär verantwortlich war, letztlich nachvollziehbar.
bye
dpr