Blogdenken

Kollege Bernd, der jeden Dienstag an dieser Stelle ein (zumeist englischsprachiges) Buch vorstellt, musste diesmal leider vor den Viren kapitulieren, womit er in bester Gesellschaft ist (gehts wieder, Alfred?). Gute Besserung von hier aus! Und wat nu? Machen wir uns ein paar Gedanken über Blogs-an-sich und Krimiblogs im Besonderen.

Auslöser ist eine durchaus zutreffende, aber zu relativierende → Erkenntnis von Krimiautor Jan Zweyer am 1. Februar 2006:

„(…) habe ich den Eindruck, dass fast alle der mir bekannten Blogs, die sich mit Themen rund um den Krimi beschäftigen, ziemlich im eigenen Saft schmoren. Sie mögen von vielen gelesen werden, aber an den Diskussionen (über die jeweiligen Kommentarfunktionen) beteiligen sich bestenfalls ein Dutzend Personen; die üblichen Verdächtigen eben, die häufig selbst Blogs betreiben und so lediglich untereinander diskutieren. Es scheint also so zu sein, dass Blogs im Bereich der (Kriminal)Literatur (noch) kein wirkliches Kommunikations- und Diskussionsforum der Leser geworden sind.“

Die berüchtigten nackten Zahlen bestätigen Herrn Zweyer: Die letzten 100 Kommentare dieses Blogs wurden, meine Wenigkeit abgerechnet, von 15 verschiedenen Personen verfasst. Davon gehörten drei zur Hinternet-Mannschaft und drei sind selbst Blogbetreiber. Das klingt nach „eigenem Saft“, wenn man – und jetzt kommt die Relativierung – einen Blog als „wirkliches Kommunikations- und Diskussionsforum“ betrachtet. Aber genau das ist er halt nicht. Wenigstens nicht dieser hier.

Kann er nicht sein. Zum einen geben Blogs im Gegensatz zu Foren ein Thema vor. Der Kommentar reagiert auf einen Beitrag des Bloggers oder einen Kommentar zu diesem Beitrag. Eigene Themen („Dan Brown ist doof!“) sind nicht möglich. Das schränkt enorm ein. Etwas muss mich so berühren, dass ich die Mühsal auf mich nehme, meine Gedanken dazu zu formulieren und einzutippen.

Zweitens: Der Inhalt dieses Blogs. Normalerweise wird er von Montags bis Freitags regelmäßig gepflegt, macht also mindestens fünf Beiträge, von denen wenigstens zwei Rezensionen sind und auf Leser treffen, die die besprochenen Bücher in der Regel noch nicht kennen. Was also sollen sie kommentieren? Rezensionen wecken allenfalls die Aktivitäten solcher Leute, die das Buch schon gelesen haben und dezidiert anderer Meinung als der Rezensent sind oder ihm zustimmen, was auch schon mal vorkommt, aber selten.

Dieser Blog ist also KEIN Forum. Er provoziert keine Kommentare, nimmt sie aber dankend entgegen. Weit wichtiger scheint mir, dass ein Krimiblog informiert. Und zwar nicht „professionell journalistisch“, wie gelegentlich gefordert (über die Professionalität des aktuellen Journalismus kann man geteilter Meinung sein), sondern, wie es sich für ein „Tagebuch“ gehört: subjektiv und wahrhaftig, doch durchaus mit einem Augenmerk auf die Tatsache, dass auch andere als man selbst diese Einträge lesen. Ich schreibe aber, was ich schreiben will, nicht was die Leute lesen wollen. Ich schreibe über Krimis und lade jeden Interessierten herzlich ein, dies zu lesen, zu bedenken und, so ihm oder ihr danach ist, das Geschriebene wie auch immer zu kommentieren. So entstehen gelegentlich Diskussionen, auch kontroverse, aber ich schreibe nicht ursächlich, um andere zum Schreiben zu bewegen. Bin aber erfreut, wenn es mir gelingt.

Und noch etwas: Krimiblogs sind special-interest-blogs. Sie können sich eine in aller Regel überschaubare Stammleserschaft verdienen, und die Zugriffsstatistiken erzählen, dass uns dies gelungen ist. Sie können Interessierte, die via Google oder andere Suchmaschinen zu uns kommen, binden, sie können, im besten Fall, aus „Nur-Krimilesern“ „Auch-über-Krimi-Leser“ machen. Es geht hier nicht um „Hits“ auf Teufel komm raus. Hier gibt es selten Dreizeiler, nicht deshalb, weil Dreizeiler per se zu verurteilen wären, sondern die allgemeine Ansicht, in der Kürze liege die Würze. Häufig liegt in ihr die Desinformation und zwar gewolltermaßen.

Wiewohl ich darauf bestehe, keine „Blogosphäre“ und keiner „Community von Bloggern“ anzugehören, ist es doch wichtig, dass dieser Krimiblog nicht alleine existiert. Es gibt andere, die auch Krimiblogs sind – und doch anders. Siehe Linkliste. Das ist keine Konkurrenz, sondern Ergänzung, je mehr desto besser, aber bitte keine Schwätzer und Wichtigtuer. Oder doch: die auch. Wir sind ja ein Abbild der Wirklichkeit.

Abschließend also: Dieser Blog ist weder Forum noch Quatschbude, weder digitale Krimi-Bildzeitung noch akademische Bruderschaft. Hier ist jeder willkommen: zum Lesen, zum Kommentieren, zum Loben, zum Ohrenlangziehen. Dann schmoren wir alle in irgend etwas, aber der eigene Saft ist es dann hoffentlich nicht mehr.

7 Gedanken zu „Blogdenken“

  1. Sehr schöne Zusammenfassung, werter dpr. Eigentlich darf ich mich ja hier jetzt nicht äußern, ich bin ja nur einer der üblichen Verdächtigen und schon schmoren wir wieder im eigenen Saft, geht’s nach Herrn Zweyer. Geht es aber nicht.

    Als Ergänzung möchte ich auf einen wichtigen Unterschied bei Krimiblogs hinweisen: Es gibt die Blogs der Autor/innen und die Blogs der Leser/innen & Kritiker/innen. Was mir bei den deutschsprachigen Blogs von Krimiautor/innen auffiel:

    – Viele Autor/innen haben Angst vor dem Link, diesem bösen, kleinen Buben, der Leser womöglich auf andere Seiten bringen könnte. Wenn hier jemand im eigenen Saft schmort, sind es solche Blogs.

    – Blogs werden vor allem als ein Neuigkeitenanzeiger missbraucht. Wann erscheint mein neues Buch, wann habe ich meine nächste Lesung? Kann man machen, es reicht aber für ein Blog nicht. Zweyer ist da ein sehr schönes Beispiel.

    – Ich glaube ich darf es sagen, weil ich viele gelesen habe: Blogs deutschsprachiger Krimiautor/innen sind oft langweilig, sowohl vom Layout wie von den Inhalten. Im englischsprachigen Raum glänzen die Autor/innen mit Ideen und Kreativität. Nicht alle, aber viele äußern sich einfach zu veschiedenen Themen, von Politik über die Erfahrung mit Verlagen bis hin zu Überlegungen über das Schreiben, Werkstattberichte oder sie führen einfach ein klassisches Tagebuch. Vor allem aber bilden sie etwas, was es im deutschsprachigen Raum kaum gibt: virtuelle Netzwerke. Das sieht man schon alleine an eben den Links, die auf vielen Blogs dort zu finden sind.

    Liebe Grüße
    Ludger

  2. Ach so, ich spiele jetzt mal den Zander: Du solltest Dich entscheiden, ob Dein Blog männlich oder neutral ist 😉 Wichtige Frage in der Blogsphäre…

  3. Nur um die nackten Zahlen etwas aufzuhübschen: hier meldet sich der sechzehnte Kommentator der letzten 101 Kommentare!Er gehört weder zur Mannschaft, noch betreibt er selbst einen Blog (jedenfalls keinen, den er einer Öffentlichkeit zumuten würde). Trotzdem bekennt er, ein eifriger Leser von „Watching the detectives“ zu sein, fast schon ein Fan. Leider ist er meist zu faul zum Kommentieren. Und außerdem: Nicht jeder Kommentar verdient den Platz, auf dem er steht. Gute Texte, wie sie hier zuhauf (oder heißt das nachrechtschreibreformatorisch zu Hauf?)vorkommen, dürfen ruhig auch mal unkommentiert bleiben. Aber vielleicht hab ich in dem Punkt auch Unrecht und sollte mehr aus meiner passiven Rolle herausgehen. Ich werd‘ mal drüber nachdenken. Derweil: beste Grüße und: Weiter wie gehabt!

  4. Guten Morgen, Ludger,

    das wichtigste Thema zuerst: Manchmal ist ein Blog männlich, manchmal sächlich, und wenn mich irgendwann einmal der Teufel reitet, denke ich an Anobella und dann ist derdiedas Blog weiblich.
    Aber jetzt zum Unwichtigen: Die meisten Blogs von KrimiautorInnen sind Etikettenschwindel. Nämlich überhaupt keine Blogs, sondern eben Dauerwerbung in eigener Sache, meist mit deaktivierter Kommentarfunktion, was zwar absolut legitim ist, aber eben doch in Verbindung mit der Selbstbeweihräucherung die Dinger als getarnte PR-Seiten entlarvt, die möglichst wenig Arbeit machen sollen. Da sind mir Blogs wie die von Astrid Paprotta oder meinetwegen auch Jan Seghers sympathisch, die wirklich noch Tagebuchcharakter haben und wo mir nicht ein ständiges „Heute morgen Klassekritik meines Buches im Darmstädter Echo“ entgegenschallt.
    In puncto Netzwerke gebe ich dir recht. Das Internet ist nun wirklich nicht das geeignete Medium für Abschottungen jedweder Art. Und Angst vor der Konkurrenz haben eh nur die schlechten Blogs, gelle?

    bye
    dpr

  5. Oh, lieber dj,

    das mit dem „Fan“ dürfen Sie aber nicht zu laut sagen, sonst denkt unser Chef Walter wieder an „Fanartikel“, die er verscherbeln könnte. Ein „Hinternet“-T-Shirt gibt es schon, allerdings nur in der Größe „schmalbrüstiger Chefredakteur“, also nichts für meine stolzgeschwellte Bloggerbrust.
    Stimmt schon. Wenn ich eine gute Seite Thomas Mann lese, habe ich ja auch nicht gleich das Bedürfnis, dem Autor mal einen Leserbrief zu schreiben. Zustimmendes Kopfnicken ist der schönste Lohn, Zornesröte der zweitschönste. Und Thomas Mann bin ich auch nicht. Gottlob.

    bye
    dpr

  6. Schlechte Blogs? Welche schlechten Blogs?

    Man merkt bei vielen englischsprachigen Blogs einfach, dass die Autor/innen Lust am Schreiben haben. Bei vielen deutschen Autor/innen merkt man davon nur wenig.

    Ludger
    * Bevor ich es vergesse: Beste Genesungswünsche an Bernd.

  7. Ketzerisch: Könnte der Unterschied zwischen deutschen und angelsächsischen / amerikanischen Blogs etwas mit Krimikultur zu tun haben? Mit Tradition / Nichttradition gar? Einem Abgeklärtsein, das man hierzulande nicht hat, weil man immer noch glaubt, an jeder Ecke lauere der germanophobe Krimikritiker oder der akademische Feuilletonist?
    Mit den schlechten Blogs war natürlich nicht der deinige gemeint, falls du das vermutet haben solltest… Auch nicht der vom Herrn Linder, der mir immer besser gefällt. Weiter so, Kollege! Die Grüße an Bernd tun ihm sicher gut!

    bye
    dpr

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