Julia Spencer Fleming: Out of the deep I cry

Schon nach wenigen Büchern hat sich Julia Spencer Fleming in den USA als außergewöhnlich erfolgreiche Autorin etabliert. Ihr erstes Buch „In the bleak midwinter“ erhielt insgesamt sechs verschiedene Krimipreise und der vorliegende Band „Out of the Deep I Cry“ wurde 2005 für den Edgar und den Anthony nominiert.

Ihre Bücher werden dem Cozy, also der eher konventionellen Spielart des Krimis zugerechnet. Sie spielen im kleinen Millers Kill, New York am oberen Hudson. Dort wo die Winter lang und kalt sind und die (im Roman abgebildete) soziale Struktur größtenteils von Ärzten, Anwälten, zufriedenen Geschäftsinhabern und ihresgleichen dominiert wird. Die Helden ihre Romane sind Clare Fergusson, Pastorin einer Episkopalen Kirchengemeinde und Russ van Alstyne, Chef der örtlichen Polizei.

„Out of the Deep I Cry“ arbeitet sich tief in die Historie der kleinen Ortschaft vor. Mit zahlreichen Rückblenden wird uns diese Stück für Stück enthüllt. Ausgangspunkt ist ein Schaden im Dach der Kirche der Gemeinde, in der Clare Fergusson tätig ist. Geld muss her und ein Mitglied der Gemeinde hat einen Fond zur Verfügung ,dessen Erträge bisher zur Unterstützung einer kleinen Klinik dienten, die kostenlos medizinische Leistungen für Bedürftige anbietet.
Der Arzt dieser Klinik verschwindet, eine irrationale Impfgegnerin gerät in Verdacht, an seinem Verschwinden beteiligt zu sein, und in der Vergangenheit der Familie der Spenderin finden sich dunkle Geheimnisse. Es ist eine komplexe Geschichte, die sich die Autoren ausgedacht hat. Gewürzt durch die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten mit ihren kleinen Sorgen und Nöten und angereichert durch Anspielungen auf zahlreiche sozialpolitische Themen.

Geschickt wirbelt sie durch die vielen Rückblenden die verschiedenen Erzählstränge durcheinander und schafft es so gut zu kaschieren, dass da zwar viele Rätsel sind, aber kaum ein „Whodunit“. Durch diese Rückblenden versorgt sie den Leser mit Wissen und lockert so die Abhängigkeit zu den allwissenden Detektiven, die währenddessen Ihre Schlussfolgerungen in der Gegenwart anstellen.

Julia Spencer Fleming deutet die Gefühle ihres Personals nicht nur an, sondern sie beschreibt uns diese recht direkt und ausführlich. Man mag das für geschwätzig halten, aber es ist stimmig, weil es ihrer Absicht folgt, die Geschichte emotionell aufzuladen. Zu diesem „Konzept“ gehört natürlich auch, dass der Leser, der die früheren zwei Bände nicht kennt, vom ersten Zusammentreffen der beiden Protagonisten an ahnt, dass der verheiratete Polizist und die Pastorin aufeinander zuschlingern wie zwei Pötte in einer Meeresenge. Ihre Geschichte und unser Wissen hat die Autorin jederzeit unter Kontrolle. Die zahlreichen Perspektiven fügen sich bruchlos zusammen. Und wenn sie über die Diphtherieepidemie Anfang des letzten Jahrhunderts erzählt oder ihre beiden Protagonisten in den Keller eines Hauses einsperrt, der von kalten Hudsonwasser geflutet wird, zeigt sie, dass sie eine kompetente Erzählerin ist.
Der erste Band der Autorin ist mittlerweile in deutscher Übersetzung erschienen, der zweite erscheint im Herbst und, so könnte ich mir vorstellen, wenn die Käufer brav sind, wird im nächsten Frühjahr auch „Out of the Deep I Cry“ in deutscher Übersetzung vorliegen. Bei Amazon zumindest hat das erste herzenswarme Buch schon viel positive Bewertungen erhalten. Dieses Potpourri an Motiven, ausgarniert mit einer Romanze und dargeboten mit Charme und Eleganz wird sich wahrscheinlich erfolgreich verkaufen. Im Gegensatz zu manch anderer Cozy-Autorin kann man Julia Spencer Fleming auch nicht vorwerfen, in einem ganz heilen Paralleluniversum zu leben. Infektionskrankheiten die durch Impfungen hätten verhindert werden können, die unzureichende medizinische Versorgung ärmerer Amerikaner oder das Engagement für Klimaschutz. Das wirkt manchmal wie „topic dropping“ und manchmal als würde die Autorin sich innerhalb der Grenzen ihres gediegenen Subgenre recht weit vorbewegen. Dennoch, für mich ist „Out of the Deep I Cry“ noch zu sehr Rosamunde Pilcher in Neuengland, heile Welt, gediegene Unterhaltung, Probleme wie durchs Milchglasfenster. Gut gemacht, aber nicht wirklich zwingend.

Julia Spencer Fleming: Out of the deep I cry. 
St. Martin Minotaur 2005. 399 Seiten, 6,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

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