Frl. Katja ist schwanger
Nein, ich tue nichts für die Rente. Oder: doch. Aber anders, als viele denken. Ich zahle nämlich in die Rentenkasse ein. Ob mein dicker Bauch beziehungsweise sein Bewohner später einzahlt, ist noch völlig offen. Dafür müsste er erst mal einen Job kriegen. Aber das scheint für viele Menschen ausgemachte Sache. Denn der Standardspruch, den man als Schwangere heute hört, ist eben: „Toll, Du tust was für die Rente.“ Gähn. Die demographische Panikmache fordert ein erstes Opfer, nämlich mich. Ich kann es nicht mehr hören!
Allerdings – vielleicht immer noch besser als der Bekannte, der sich erst herzlich über meine Schwangerschaft freute, um mir dann verschwörerisch zuzuraunen: „Dafür ist eine Frau auch da.“ Ungläubig versicherte ich mich kurz rück, um tatsächlich zu hören: „Mindestens einmal im Leben sollte eine Frau ein Kind bekommen. Dafür hat die Natur sie geschaffen. Ohne fehlt ihr etwas.“ Mein Hinweis, dass es Frauen gibt, die selbstbestimmt ein glückliches und komplett kinderloses Leben führen, traf auf routiniertes Abwinken. Na gut. Ich seh´s positiv. Wie mir die Schwangerschaft zeigte, wohin der Herr noch Hirn zu schmeissen hat…
Und ich lerne noch viel mehr! Zum Beispiel über meine Innereien. „Warum heißt die Gebärmutter eigentlich Gebärmutter?“, beschwerte ich mich vor Monaten bei einer Freundin. „Wenn hier jemand diesen Namen verdient, dann ich. Schließlich bringe ICH das Kind auf die Welt.“ „Das wirst Du noch merken, warum die Gebärmutter Gebärmutter heißt“, antwortete die Freundin, „und welche Arbeit sie bei der Geburt leistet.“ Na gut. Seit Wochen von Vorwehen geplagt, ahne ich, wofür diese Gebärmutter trainiert. Und dass ich vielleicht ein bisschen regelmäßiger meine Übungen machen sollte, um neben ihr nicht völlig abzustinken.
Aber im Gegensatz zu meiner Gebärmutter muss ich ja auch noch die Babyausstattung zusammentragen. Und da ich im Freundeskreis offenbar das erste Sommerbaby zur Welt bringe, fehlt in der geliehenen Erstausstattung eines völlig. Nämlich: T-Shirts. Also ging ich heute zum ersten Mal Babykleidung (oder wie der Chefredakteur sagt: Miniaturkleidung) shoppen. In den schwedischen Klamottendiscounter mit den zwei Buchstaben. Die nicht C und A sind.
Es war wahrlich kein Spaziergang. Denn die Gänge in der Babyabteilung dieses Ladens sind ziemlich eng. Jedenfalls dafür, dass vor allem zwei Menschenschläge dort einkaufen gehen: Frauen mit dickem Bauch. Und Frauen, die den Bauch schon los sind, aber den Inhalt dafür in kleinen Wägen mit sich herumschieben. Und gerne mal zum Plausch mit anderen bewägelten Frauen stehen bleiben. Ächz.
Einen kleinen Spaß hab ich mir dann aber doch gegönnt. Als ich meine zwei winzigen hellblauen T-Shirts beisammen hatte (ich bekomme übrigens einen Jungen), ging ich noch mal in die Mädchenabteilung gucken. Natürlich nur, ob ich auch jaaa keine schönen Teile übersehen hätte. In Wirklichkeit wollte ich nur mal lässig mit meinen blauen Sachen wedelnd durch die rosa Hölle streifen, da ich davon ausgehe, dass viele deutsche Eltern immer noch lieber einen Jungen als ein Mädchen bekommen. Weil ich beim Schlendern betont arglos auf die Kleiderständer schaute, kann ich leider nicht sagen, wie viele neidische Blicke mir folgten. Aber es waren bestimmt sehr viele.
Das war´s aber auch schon an Vergnügen. Denn in der Abteilung Umstandsmode hab ich dann die Quittung bekommen. Und zwar auch im zweiten Klamottendiskounter. Der, der ebenfalls zwei Buchstaben im Namen hat, die aber nicht H und M sind. Ein kompletter Reinfall. Ich suchte einfach nur ein T-Shirt, dass mich durch die heißen Tage bringt. Und zwar eins aus Baumwolle, nicht aus Perlon oder Neopren. Und gern darf in Schwangerenkleidung übrigens auch ein gewisser Stretchanteil enthalten sein. Bei Blusen, die schon beim Reinschlüpfen sagen: „Hier geht´s nicht weiter“, bekommen Menschen im meinem Zustand schon mal mittlere Nervenzusammenbrüche.
Okay, die krieg ich ja schon, wenn ich versuche, mich zu bücken. Oder noch schlimmer: wenn ich es wage, in die Hocke zu gehen. Mein neuer Feind ist: der Boden. Allein nach unten zu kommen, ist eine Katastrophe. Aber viel schlimmer noch: anschließend komm ich nicht mehr hoch. Mangels Trimmradfahren haben sich all meine Oberschenkelmuskeln in unbezahlten Urlaub verabschiedet. Dafür sind knapp obendrüber aber zehn wuchtige Kilos dazugekommen!
Neulich war ich in einer Lebensmittelabteilung auf der Suche nach glutenfreier Gemüsebrühe. Nicht so einfach. Vor allem, da die gewohnte Brühe nicht mehr im Sortiment war. Der Chefredakteur schaute sich suchend noch einen Gang weiter um. Dachte ich. Während ich beim Brühenregal blieb und mich schließlich für eine Ersatzbrühe aus der untersten Regalriege entschied. Mutig ging ich in die Hocke. Der Chefredakteur wird ja gleich kommen, dachte ich, und mich wieder anmutig nach oben ziehen. Bestimmt kommt er gleich. Bestimmt. Mittlerweile konnte ich alle Zutaten der Brühe auswendig. Ich wartete noch ein Momentchen. Ich ließ die Knie auf den Boden sinken. Ich wartete ein weiteres langes Momentchen. Und ich verstand, dass alles nichts half. Als kein weiterer Kunde in Sicht war und auch kein Personal (was nicht schwer ist), machte ich mich allein an die Aktion Aufstehen. Choreographisch war es eine Mischung aus Elefantendame und neugeborenem Fohlen. Und den bestürzten Chefredakteur fand ich übrigens bei den Milchwaren wieder.
Aber um noch mal auf die missliche Klamottensituation zurückzukommen: es soll mich wahrscheinlich nur schon auf Erlebnisse einstimmen, die noch kommen werden. Zum Beispiel töne ich als verantwortungsvolle Schwangere ja meine Haare nicht mehr. Was dazu führt, dass ich mittlerweile vor allem am Hinterkopf verheerend ergraut bin. „Wenn Du ins Krankenhaus gehst“, frohlockt der Chefredakteur, „werden die dich erstmal in die Geriatrie bringen statt in den Kreisssaal.“ Wie schön. Die haben da vielleicht nette Dinge, die ich gut gebrauchen kann. Eine Gehhilfe. Einen Sockenanzieher. Slipper, Mokassins und andere schnürsenkellosen Schuhe. Und – was der feuchte Traum meiner Schwangerschaft ist – einen langen Greifarm. Müsste so funktionieren wie die Zange, mit der wir früher als Hofdienst die Kippen und Kaugummipapierchen vom Schulhof aufgesammelt haben. Und, ach ja: ich könnte Tische gebrauchen, in die ein Halbkreis für meinen Bauch gesägt ist. Damit ich annähernd eine Chance habe, an die Speisen in der Tischmitte zu kommen. Und an meinen Teller. Aber die haben in der Geriatrie bestimmt auch Lätzchen.
Übrigens, liebe Radiostudio-Hersteller. Es ist klasse, dass ihr die Mikrophone an großen Angeln befestigt habt, so dass man sie sich einfach in Position ziehen kann. Auf welche Höhe und Nähe auch immer. Aber es wäre auch schön, wenn man sich beispielsweise die Tasten für den Verkehrsnachrichten-Bildschirm näher ranholen könnte. Manchmal hat man – auch als Schwangere – mehr als eine Verkehrsmeldung zu verlesen. Und dann wäre es schon schön, wenn man problemlos weiterblättern könnte. Ohne sich beim verzweifelten Hangeln nach der Taste eine Delle in den Bauch drücken zu müssen.
Aber das ist nur eine kleine Anregung. Ich bin sicher, beim nächsten Mal fällt mir noch mehr ein. Bis dann.