Sie muss es wissen

Tatort: die Krimibuchhandlung „Wendeltreppe“ in Frankfurt am Main. Das Delikt: Buchhändlerinnen lesen aus Kriminalromanen, Motto: „Weibliche Spürnasen ermitteln“. Die Opfer: „Etwa 15 Damen des evangelischen Frauenbegegnungszentrums sind zu Gast und lauschen gespannt der Buchhändlerin.“

Wir waren leider nicht dabei, aber der Lokalreporter der →„Frankfurter Neuen Presse“ konnte sich nicht drücken. Er dürfte viel gelernt haben, z.B. das: „‚Wahre Krimis spielen in Großstädten‘, sagt Jutta Wilkesmann.“ Oder das: „‚Mord ist immer eine Grenzsituation, das Spannende ist, wie eine Gesellschaft damit umgeht und ob sie vom Mißtrauen zerfressen wird.'“ Und damit nicht genug. Auch noch das: „‚Während in Krimis mit männlichen Protagonisten die Heldentat des Detektivs im Vordergrund steht und sich die Story hauptsächlich um Fakten dreht, gelingt es den Heldinnen zu fragen, was sich hinter den Motiven der Tat verbirgt. Frauen gehen auf die Person des Opfers ein.’“ Unserer lokalen Fachkraft muss diese geballte Erkenntnislast so allmählich auf die Hirnschale drücken und einen großen Schwurbel ankündigen, und dann auch gar noch das:

„Doch was haben weibliche Spürnasen ihren männlichen Kollegen voraus? „‚Auf jeden Fall viel Einfühlungsvermögen‘, weiß Kollegin Hildegard Ganßmüller (59). ‚Frauen leben in einem stärkeren sozialen Verbund. In den Krimis bedienen sich weibliche Spürnasen daher andere Möglichkeiten als ihre männlichen Kollegen.'“

Das ist jetzt aber endgültig zu viel des Guten, und der oder die Bedauernswerte lässt ihn raus, den ultimativen Schwurbel als Reaktion auf den ultimativen Schwurbel von Kollegin Ganßmüller:

„Die studierte Psychologin muss es wissen.“

Und fünfzehn Frauen des evangelischen Frauenbegegnungszentrums wissen es jetzt auch.

26 Gedanken zu „Sie muss es wissen“

  1. ich hab da auch ein zitat aus dem artikel:

    „Das Fazinierende an Krimis sind für Frau Wilkesmann vor allem die Extremsituationen, in der sich die Darsteller befinden.“

    frau wilkesmann klingt natürlich wie herr müller-lüdenscheid und ist einer der klassiker unter den typischen lesespaßbremsen der deutschen lokalpresse. da steige ich schon aus.

    *liest nur die zeit

  2. Suuperartikel! Wirklich! Immerhin weiß ich jetzt, warum Garry Disher (Wüste), Tony Hillerman (nochmal Wüste), Harlan Coben (Vorstädte), etliche Briten (Wo ermittelte nochmal Miss Marple? Wo heulte der Hund von Baskerville? Und ermittelt Rebus bereits in einer Großstadt?) undsoweiter keine Krimis schreiben. Und warum der vielgeschmähte Regio-Krimi per Definition kein Krimi sein kann. Denn er spielt nicht in einer Großstadt.
    Schön auch, dass bei der Idee für spezialisierte Krimibuchläden nur auf Old Europe bezug genommen wird. Immerhin hat Otto Penzler seinen Laden in New York schon etwas länger & er sagt auf seiner Homepage nur, er sei einer der ersten gewesen.

    Seufzend (und nur an Fakten interessiert)

    Axel

    (der sich jetzt mit dem Telefonbuch von Berlin auf seine Couch zurückzieht, denn: Millionen Fakten, keine Psychologie, Großstadt. Muss ein toller Krimi sein.)

  3. Wahre Presse gibt es halt nur in der Großstadt, liebe Wiesbadenerin, die du nicht in einer solchen wohnst. Oder doch? Immerhin Landeshauptstadt. Aber das ist Saarbrücken auch. Nicht jede(r) hat es so gut wie Axel, der sich nicht einmal mehr Krimis zu kaufen braucht, sondern die kostenlosen Telefonbücher Berlins lesen kann. Gibts auch ne Rezension? Und ist die ermittelnde Person weiblich, also mitfühlend, oder männlich, also nur auf Heldentaten aus? Und wer zerfrisst wen misstrauisch? Hm, hm, das sind Fragen.

  4. Also wenn sich das an dem Abend wirklich so abgespielt hat, dann ist mir Angst und Bange. Immerhin ist die Wendeltreppe ja eine spezialisierte Krimibuchhandlung.

    Mir kommt hier aber ein ganz anderer Verdacht.
    Wer ist wohl dieser „Lokalreporter“? Ist er ein fester Redakteur? Oder ist mal wieder das passiert, was ich oft in der heimischen (Duisburger) Lokalpresse nicht nur in Bezug auf Literaturveranstaltungen beobachten konnte. Der arme Kulturredakteur hat doch schon den ganzen Tag schwer geackert und wenn nicht gerade irgenein Megastar in der Stadt weilt, überlässt er solche Termine nur zu gern jenen unzähligen freien Anfängern, meist direkt nach dem Abitur, gierig darauf, bei der Zeitung ein Voluntariat zu ergattern. Und als Akteur der Veranstaltung stehst Du dann vor dem Tal der Ahnungslosen. Ich erinnere mich da an eine junge Frau, die vom Auftritt einer befreundeten Bluesband berichten sollte und anscheinend noch nie in ihrem Lebe Livemusik gehört hatte geschweige denn auch nur im geringsten eine Ahnung hatte, was Blues überhaupt ist. Das Ergebnis ist dann etwas, was man als Schulaufsatz sicher mit „sehr schön erzählt“ benotet hätte, was als Zeitungsartikel aber absolut untauglich ist. Sätze, die nebenbei zur Illustration gesagt wurden, stehen plötzlich im Mittelpunkt des Artikels und man fragt sich, ob man im selben Interview gewesen ist. Könnte es auch so gewesen sein?

    Liebe Grüße
    Silvia

  5. Hallo dpr,

    Rezension noch unklar. Hauptperson auch. Ist derzeit wie bei Tom Clancy: tausende von Namen, aber noch kein Heldenauftritt. Wird, weil’s in Berlin spielt, wahrscheinlich ein haarsträubender Politthriller mit Aktivitäten von etlichen Geheimdiensten, Stasi, Russenmafia, Fifa-OK, wildgewordenen Moslems. Kurz: ein spannendes Buch mit viel Handlung und ohne Psychologie.

    Hallo Silvia,

    selbst wenn es nur ein freier Mitarbeiter ist, dann sollte er immerhin intelligent genug sein und den Referentinnen (bzw. Musikern) Fragen stellen, sich alles erklären lassen, mitschreiben und dann die Erklärungen als eigenen Artikel ausgeben.
    Aber hier…

    Bye

    Axel

    P. S.: Und diese erfolgreichen Skandinavier schreiben nach der obigen Definition auch keine Krimis.
    P. P. S.: Ein Journalist erzählte mir einmal, wie er einen Artikel über ein Fußballspiel schrieb. Er hatte selbst keine Ahnung von Fußball. Er ging zum Spiel, stellte sich neben einen Fan und ließ sich von dem das ganze Spiel erklären. Danach schrieb er einen Artikel darüber und dem Chefredakteur gefiel der Artikel, weil ein Journalist einmal ganz anders über ein Spiel geschrieben hatte.

  6. silvia, ich gebe dir hundertprozentig recht, deswegen hob ich auf den redakteur ab, weniger auf die buchhändlerin, die er sicher nur mit dem zitiert hat, was er aus dem zusammenhang gerissen kapiert hat. gut, es kann auch andersrum sein, aber er verbricht schon im ersten satz dies:

    „Die Zeit geht nicht wirklich dahin, nur die Menschen“, liest Jutta Wilkesmann (59) mit bebender Stimme.

    mit BEBENDER stimme!
    *erbricht sich

    und dann: „Das Fazinierende an Krimis sind für Frau Wilkesmann vor allem die Extremsituationen, in der sich die Darsteller befinden“

    da kann er gleich FRÄULEIN wilkesmann hinschreiben, das muss heißen: „Das Fazinierende an Krimis sind für Wilkesmann vor allem die Extremsituationen, in der sich die Darsteller befinden.“

    das MACHT MAN HEUTE SO; oder er wiederholt eben wahlweise den Vornamen, aber dann hat er eben das: eine wiederholung, das ist auch zäh, deshalb dachte er ja auch, er variiert das schöner.

    man merkt diesem artikel den lausigen stil vom allerersten satz an und da kann erfahrungsgemäß inhaltlich nix rüberkommen. ich gebe keinen pfifferling darauf, was der da wiedergegeben hat.

    furchtbar, der artikel, abteilung lieb gemeint, aber unlesbar!

    in einem punkt möchte ich allerdings widersprechen; die „kulturredaktuere“ des tageszeitungsfeuilletons (wenn es nicht die rundschau die faz die süddeutsche der tagesspiegel ist) bewahren einen keineswegs vor solchen artikeln und solcher provinzialität.

  7. Ein „an“ war zu viel, das mussten wir abziehen und ein „aritikeln“ habe ich korrigiert – damit Anobella bei dem Wetter nicht raus und eine neue Tastatur kaufen muss.

  8. Und auch in der Süddeutschen etc. stehen grausige Artikel (zu schweigen von der FR, die ich meistens auch nicht besonders gelungen finde, vom Stil her bevorzuge ich die FAZ). Ich erinnere mich an einen zweiseitigen Artikel von Joachim Kaiser (auch kein Anfänger), der schon nach zwei Sätzen zur Folge hatte, dass mir der Kopf in die Zeitung fiel: Schnarch! So was Hölzernes, so was Langweiliges, so was schlecht Geschriebenes.

    Leider achten sie in der Provinz noch weniger auf Lesbarkeit. Ich enstinne mich auch vage an diese Wiesbadener Zeitung… Naja, Mantel des Vergessens drüber.

    LG
    Hilla

  9. ich lese die wiesbadener tageszeitungen nicht, es hat keinen sinn. nur das lokale … welcher pflasterstein kommt jetzt in der fußgängerzone. da ist der stil ja wurscht.

    das problem ist AUCH, dass sie bei den tageszeitungen freie schlecht bezahlen. es gibt ja in jeder stadt, leute die schreiben können, freie journalisten, freie autoren, freie kolumnisten. nennen wir sie sogar mal FREIE köpfe, denn die sind es vor allem, die fehlen. wenn die pro artikel sagen wir mal 100 euro bekämen, dann würden sie vielleicht regelmäßig was beisteuern. aber da müssten auch die redaktionen einfach mal losziehen und in ihren städten die besten leute zusammensuchen. wenn man nur billigbillig denkt, kommt auch nur billigbillig raus. und das liest dann kein schwein. für krimirezensionen lese ich jetzt blogs wie zum beispiel dieses hier. da habe ich sprachwitz, esprit UND pointen, sogar oder auch wenn das besprochene buch mist ist.

    zeigt mir eine krimirezension in den feuilletons der provinz, die an das ranreicht, was hier geboten wird.

  10. Äh…Anobella…ich liebe dich, das weißt du. Aber dieser Satz: „zeigt mir eine krimirezension in den feuilletons der provinz, die an das ranreicht, was hier geboten wird.“, das ist jetzt echt zu viel. Und zwar genau: „der provinz“. Sonst wäre der Satz natürlich toll und richtig. Und dass du eine neue Tastatur bräuchtest, weißt du auch. Aber jetzt mal ernsthaft:
    Nein. Haut nicht auf den Schreiber. Dessen scheinbar grenzenloses Vertrauen in Psychologinnen ist natürlich herrlich, aber dass er bei der Wiedergabe der Buchhändlerinnenworte so daneben gelegen hat, glaube ich nicht. Bei diesen Aussagen gruselts einen ja wirklich durchgängig, da müsste sich einer schon vor dem Termin völlig zugekifft haben, um dann alles falsch zu verstehen. Übrigens begann meine journalistische Karriere als freier Mitarbeiter bei der Saarbrücker Zeitung, ich musste über das „Ökomobil“ schreiben, bei dem man einmal im Monat Schadstoffe abgeben konnte, Altöl usw., und ich hab natürlich einen Thriller draus gemacht: „30 Liter Altöl einfach auf die Straße gestellt!“, weil einer halt nicht auf das Ökomobil warten wollte und die 30 Liter Altöl einfach auf die Straße gestellt hat. Und ich war keinesfalls ständig bekifft bei meinen Einsätzen (einmal bei einem Orthopäden, der eine luftgepolsterte Sandale erfunden hatte. Da gabs SEKT und ZIGARETTEN für den Journalisten). Nein, nein, nicht alles was aus der Provinz kommt ist schlecht.

    bye
    dpr

  11. ich habe auch beim wiesbadener kurier gearbeitet; NIE hat jemand an meiner sprache gefeilt. NIE. das stand gar nicht auf dem ausbildungsplan. ein sprachgefühl, wortwitz, pointen entwickeln – nö. inhalt geht vor form – und so liest sich das dann auch. ich sag ja, es ist LIEB GEMEINT und ausnahmen bestätigen die regel … aber ich sag dir noch was: egal, obs jetzt der reporter verbockt hat oder die buchhändelerinnen; auch für die in ihrer wendeltreppe gilt: lieb gemeint. genau wie die veranstaltung. bevor ihr euch zu sehr da reinkniet.

    außerdem möchte ich in diesem zusammenhang an die AFFÄRE mit der itzehoer volksstimme erinnern, in der der platzhirsch von wtd sich einen rundumschlag gegen die provinzpostillen geleistet hat, dass es keine art war. (liebt diesen ausdruck)

  12. Nur nochmal zur Klarstellung: das ging keineswegs gegen fähige Freie, sondern gegen die Unsitte, zu solchen „unwichtigen“ Veranstaltungen Leute zu schicken, die sich nie mit dem anstehenden Thema befasst haben. Klar hat Annobella recht, wenn sie sagt, dass man vom angestellten Kulturredakteur auch nicht unbedingt Qualität bekommt. Aber immerhin ist der schonmal auf einer Lesung gewesen, hat schonmal eine Band gehört, vielleicht sogar eine Bluesband und und hat, um beim Beispiel von Duisburg zu bleiben, von einer Duisburger Autorin nicht nur gehört, sondern auch zumindest eines ihrer Bücher gelesen. Das Tal der Ahnungslosen verkündet meist auch noch freundlich lächelnd: „Wissen Sie, ich habe Ihr Buch nicht gelesen, aber ich möchte ihnen ein paar Fragen dazu stellen. Was passiert denn in Ihrem Buch? Ach, und wie kamen Sie eigentlich zum Schreiben?“

    Liebe Grüße
    Silvia

  13. Lieb gemeint. Ja doch. Warum kommen bei diesem Liebmeinen aber immer solche Klischees raus? Weil Liebmeinen meistens ziemlich fern von Nachdenken ist. Und unsereiner kämpft dann gegen die Klischees und meint es natürlich gar nicht lieb, was ihm einige übelnehmen, andere nicht. Okay.
    Ich hab, ehrlich, im Grunde nichts gegen Provinzpresse. Ich hab nicht mehr gegen Provinzpresse als ich gegen sämtliche Presse habe, und das wird eigentlich immer mehr. Nicht nur, liebe Silvia, weil sich die Ahnungslosigkeit allenthalben breit macht, sondern weil man einfach die Grundregeln des Jobs nicht mehr befolgt. Beispiel Hartz IV. Da schreiben Ahnungs- und Interesselose nach, was ihnen die Politiker diktieren. Die selbst ahnungs- und interesselos sind. Da wird, ein kleines Exempel nur, der Umstand gefeiert, dass sich Arbeitslose alle drei Monate bei der Agentur melden müssen. Dabei gibt es das SEIT JAHRZEHNTEN. Keinem der Journalisten ist es aufgefallen. Da werden auch schlichte Falschinformationen verbreitet, weil man sich die Gesetzestexte gar nicht durchgelesen hat, nur die Überschriften. Undsoweiter. Nee, wir sind jetzt nicht bei Krimis, die in diesem Zusammenhang natürlich völlig belanglos sind. Aber auch Indizien für etwas Größeres, Schlimmeres hergeben. Oberflächlichkeit allüberall, Pfusch, Liebmeinen, Dummschwätzen.

    bye
    dpr

  14. Ja, lieb gemeint. Aber genauso ahnungslos wie, offensichtlich, der Journalist.

    Aber dann wurde es ja grundsätzlich. Und da muss ich mal nachhaken.

    Wieso sollte zutreffen, was Sie schreiben: „Aber immerhin ist der (Redakteur) schonmal auf einer Lesung gewesen, hat schonmal eine Band gehört, vielleicht sogar eine Bluesband und und hat, um beim Beispiel von Duisburg zu bleiben, von einer Duisburger Autorin nicht nur gehört, sondern auch zumindest eines ihrer Bücher gelesen.“ Die meisten Redakteure in den meistens völlig unterbesetzen Redaktionen haben so viel zu tun, dass sie nicht auf jede Lesung gehen können, um darüber zu berichten (mal abgesehen von der Tatsache, dass es Unsinn ist, zu einer Lesung zu gehen – ein guter Redakteur macht einen Vorbericht, damit die Leute dann dahin gehen), oder die Bücher lesen, die eine Autorin ihrer Stadt geschrieben hat (mal abgesehen von der Tatsache, dass das meiste dann auch wieder Mist ist). Also vergeben sie den Termin, wenn er nicht wirklich ganz wichtig ist (Stadttheater, große Ausstellung etc.).

    Also geht ein Freier hin. Der hat, sonst würde er nicht hingehen, Ahnung von und Lust an Literatur, manchmal hat er das Buch gelesen, aber meistens nicht. Warum auch? Erstens bekommt er von den Verlagen kein Freiexemplar vorab, zweitens soll er doch über eine Lesung berichten, also über das, was an diesem Abend passiert, und nicht eine Rezension schreiben. Natürlich kann er dann fragen, was in dem Buch passiert. So wie das jeder normale Vorleser von selbst erzählt, damit die Zuhörer das alle wissen. Was also finden Sie an dieser Frage so schlecht?

    Und die Frage „Wie kamen Sie eigentlich zum Schreiben?“? Was ist daran verkehrt? OK, sie ist vielleicht ein wenig abgelutscht, und mir scheint, Sie können sie nicht mehr hören (das liegt dann aber an Ihnen). Aber auch ein freier Journalist ist ein neugieriger Mensch und hat Anspruch auf eine freundliche Antwort. Zumal wenn er, wie Sie selbst schreiben, freundlich ist. Man kann die Frage ja auch mal ernst nehmen.

    Was soll also dieser Bohei? Seien Sie einfach professionell freundlich zu freien Journalisten, wie Sie es vielleicht auch zu den „wichtigeren“ Redakteuren sind.

    Achja: Die meisten Freien haben in ihrem Gebiet sehr viel mehr Ahnung als die Redakteure. Die müssen nämlich in manchen Redaktionen hauptsächlich Verwaltungsarbeit machen, Texte redigieren, Termine verteilen, Leserbriefe beantworten und Leute abwimmeln, die „wichtige“ Termine im Blatt haben wollen.

    LG
    Hilla, seit langen Jahren Journalistin

  15. Liebe Anobella,
    dass niemand an deiner Sprache gefeilt hat, kann doch auch daran liegen, dass sie immer schon perfekt war… Hm? (Sagt dpr was dazu? Ich höre nix. Nüscht. Niggens: Aha.)

  16. ich verteidige die freien ausdrücklich. ich finde, das feuilleton einer stadt sollte sich die besten köpfe einer stadt zusammensuchen und die schreiben lassen. dann wird es kontrovers und lebendig. aus den offszenen einer stadt kann nur die lokale presse berichten. aber dann holt euch bitte leute aus der szene und nicht diese strukturkonservativen bildungsbürger, die die opernhäuser bevölkern und danach im presseclub noch einen absacker trinken.

    dpr, wenn du dem journalisten „lieb gemeint“ unterstellst, musst du es auch den buchhändlerinnen unterstellen. unterstellst du den buchhändlerinnen kein lieb gemeint, unterstelle ich kein lieb gemeint dem journalisten und weise ihm nach, dass er eine grauenvolle schreibe hat. wolf schneider hat zeit seines lebens einen heroischen kampf gegen diese art von journalismus geführt. entweder man kritisiert das oder nicht. entweder ist der artikel in die hose gegangen oder nicht. diese nachfragen und bedenken, die ihr hier habt, hätten auch einem halbwegs wachen redakteur ohne aufmerksamkeitsdefizit, ob frei oder fest, einfallen können.

    ich lese gerade bei jerry cotton (!) von einer dogge, die im zwinger die zähne bleckt. wer hat schuld, der übersetzer oder jerry cotton? im zweifelsfall der übersetzer, denn der hat dafür zu sorgen, dass ich als deutsche leserin von einer dogge lese, die die zähne fletscht.

  17. nee, meine sprache ist nicht perfekt. die gute nachricht ist, dass mans lernen kann und es dafür parameter gibt. das ignorieren die nur bei den lokalzeitungen. zwei von drei adjektiven streichen zum beispiel. und dann ist es meistens noch eins zu viel. im obigen fall: BEBEND. in diese falle tappt man immer wieder rein – geschenkt! – aber dann muss es einer rausholen.

    *pocht auf den tisch

  18. Ach, liebe Anobella,
    wenn es doch nur so wäre. Es gibt mehr Redaktionen, die keine Lust mehr haben und Termine an den vergeben, der gerade am Telefon ist. Aufbau von Kompetenz? Weiterbildung durch konstruktive Kritik? Haha! Machen die nicht. Keine Lust. Die Leute kaufen doch eh das Blatt, denn meistens sind die Zeitungen einer Stadt Monopolzeitungen. Und wenn es mal freche Freie gibt, dann beschwert sich bestimmt irgendein Bonze oder ein Logenbruder oder der Theaterintendant und da alle miteinander verschwägert sind oder verlogt oder Angst haben oder einfach keine Lust, die Freien und die Freiheit (der Presse) zu verteidigen, war’s das dann gewesen. Hauptsache, ich kriege mein Gehalt: Das scheint oft auf der Flagge der Redakteure zu stehen. Deswegen haben wir ja so einen miesen Kultur-Journalismus (oft, Anwesende ausgenommen), deswegen kommen ja solche blöden Artikel raus, desewegen gibt es hier (und dort) bessere Krimirezensionen als da.

  19. Liebe Aoea,
    da steht jetzt mein Kommentar zu deinem alten Posting unter deinem neuen Posting und anhin falsch. Aber du wirst es schon richtig verstanden haben.

    (Gehe jetzt grillen und melde mich daher ab. Ciao.)

  20. Ich habe, liebe Hilla, liebe Silvia, liebe Anobella, in meinem Leben als „Freier“ bei Zeitungen und Rundfunk (bei dem auch als „fester Freier“ arbeiten kann) die ganze Palette kennengelernt. Die engagierte und liebmeinende Kunststudentin bei der Vernissage, die dann zehn unbeholfene Proseminarsätze abgeliefert hat, den Schlawiner, der fünf Minuten vor Ende einer Lesung gekommen ist und trotzdem 100 treffende Zeilen schreiben konnte, aber auch wirklich fachkundige, schreibfähige Leute. Und unser Freund, unsere Freundin aus Frankfurt, derdie da den Buchhändlerinnen-Weisheiten ausgesetzt war, nun ja, vielleicht war seinihr „Die studierte Psychologin muss es wissen.“ ein besonders subtiler ironischer Kommentar, ein „Mann, bin ich hier besserwisserisch vollgelabert worden“ für die rezeptorisch Sensibleren unter seinenihren Lesern? Das wird ersie natürlich niemals zugeben, aber ich erfreue mich an dem Gedanken, dass es so gewesen sein konnte und rufe ihmihr zu: Weiter so!
    Und natürlich ist Anobellas Sprache nicht perfekt, weil es natürlich keine perfekte Sprache geben kann. Aber ein bisschen draufschauen sollte man schon. „Bebend hockte der Winzer vor der Leiche und drehte verträumt eine Traube zwischen den Fingern“. So nicht. Übrigens, Anobella: Wenn du Jerry Cottan liest, liest du DEUTSCHE Autoren. Auch wenn die vielleicht Mike Hammersmith oder Arthur Conan Miller heißen sollten. Auch dort gilt: schlechte Autoren, gute Autoren, ganze Bandbreite.

    bye
    dpr

  21. abgesehen davon: danke georg. wir verstehen uns. es gibt zustände in den zeitungen – und damit meine ich nicht sowas wie den blitztipp – die ein gutes lokalfeuilleton vorsätzlich verhindern. da labert der chefreakteur den freien rund und zahlt ihm 20 cent die zeile ohne spesen. von sprache hat er keine ahnung. wenns mir nicht zuviel mühe wäre, würde ich jetzt für euch die wendeltreppenbuchhändlerinnen anfixen und sie fragen, was sie von euren einwänden halten. ich wette, sie sind nicht zu blöd, um zu begreifen, wovon ihr redet. ebensowenig, wie der redakteur nicht einsähe, dass er bitte nie mehr „frau winkelmann“ schreiben soll. das ist alles keine ZAUBEREI! man muss es nur wollen! in einer zeitung muss es erwünscht sein! for starters den volontären die schneider-bücher (*lacht) in die hand drücken und sie nix verfassen lassen, bevor sie sich das nicht reingezogen haben.
    und dann NUR NOCH das freie denken fördern und sich die frei denkenden für die redaktionen sichern, die nebenbei den einen oder anderen euro gut gebauchen können! ich bin sicher, es gäbe ein bereitschaft, ein schönes feuilleton hinzulegen. warum kauft in einer kleinstadt keiner kunst? weil das feuilleton nicht in der lage ist, die arbeit der fotografen, maler, zeichner, bildhauer, kunsthandwerker zu zeigen und den funken überspringen zu lassen. alles fährt in die posterläden und hängt sich schrott an die wand, auch die, die geld haben.

    *steigt aus
    **regt sich zu sehr auf bei dem thema
    ***hoffentlich kriegt olli kahn jetzt keine rein

  22. „Lieber dpr, wie sind Sie eigentlich zum Schreiben gekommen?“ —„Nun – ich wollte Frauen aufregen und zum Beben bringen. Da mir das im wirklichen Leben nicht gelungen ist, schreibe ich. Da brauche ich nur einen Provinzartikel zu kommentieren – und schon fangen sie an zu beben. Das lässt sich übrigens seismografisch nachweisen.“ „Vielen Dank für die 20 Zeilen, lieber dpr“

    bye
    dpr

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