OK, geplant war es nicht, und das aktuelle Buch des Autors ist es auch nicht, aber solange wir auf die Taschenbuchausgabe von Alan Fursts „The Foreign Correspondent“ warten, erlauben wir uns einen Hinweis auf sein 1995 erschienenes „The Polish Officer“. Auch wenn Furst einer der wenigen Autoren ist, dessen neueren (seit 2000 erschienenen) Bücher recht zeitnah übersetzt vorliegen, steht zu erwarten, dass dieses Buch nur dann noch in deutscher Übersetzung erscheint, wenn die Verkaufszahlen der aktuelleren Bücher hoch genug sind (was immer das bedeuten mag).
Verdient hätte „The Polish Officer“ zahlreiche Leser. Es ist ein wunderbar geschriebenes Buch, mit einer betörenden Sprache, von geradezu seidiger Qualität; nie laut und aufdringlich und doch da zupackend, wo es darauf ankommt. Es erzählt die Geschichte des polnischen Offiziers Alexander de Milja, eines der archetypischen Helden Fursts, und begleitet ihn von den ersten Tagen des zweiten Weltkriegs bis zum ersten Winter des deutschen Russlandfeldzuges. Polen, so ist schon am Anfang klar, wird den Krieg verlieren. Der Widerstand wird organisiert und de Milja fällt die Aufgabe zu, kleinere geheimdienstliche Operationen zu leiten; erst in Polen, später dann in Paris, wo zu dem Zeitpunkt auch die Exilregierung Polens sitzt, und zum Schluss hinter den deutschen Linien im besetzten Polen.
Geschickt präsentiert Furst die großen Ereignisse und platziert seinen Helden in kleinen, sich spannend entwickelnden Episoden hinein. So ist Milja mitten dabei, als die Franzosen innerhalb weniger Tage von den deutschen Truppen besiegt werden. Und während der französische Filmproduzent Jean Casson in Fursts 1996 erschienen Buch „The World at Night“ den gleichen Zeitabschnitt recht entspannt erlebt, macht de Milja, da er den verzweifelten Kampf des polnischen Volkes zu Beginn des Krieges miterleben musste, ob des Verlusts der Hoffnungen auf die französische Unterstützung der polnischen Sache, ganz andere Empfindungen durch.
Hier zeigt sich durchaus auch der Reiz der sich teilweise ähnelnden Bücher Fursts. Wenn sie auch eine ähnliche Stilistik haben, mit den Helden wider Willen und deren häufigen amourösen Abenteuern, die den Strömungen der Zeitgeschichte ausgeliefert sind, den Zusammenkünften in Etablissements sowie dem intensiven Eintauchen in die Atmosphäre der Zeit, so decken sie dennoch unterschiedliche Perspektiven ab und fügen sich zu einem größeren Bild zusammen.
„The Polish Officer“ bietet einen Reichtum an Wahrnehmungen, ohne dass Furst belehrend auftritt. Kleine Andeutungen und Begebenheiten sind es, mit denen er Wirkung erzielt. So vermittelt das Buch dem Leser schon an seinem Anfang die Kontinuität der polnischen Geschichte von der ersten Teilung bis zu der sich vollziehenden vierten Teilung und bietet zum Schluss eine Ahnung von der sich anbahnenden Tragik Polens, dessen Ostgrenze ja nach dem Krieg von den Russen um circa 100 km nach Westen verschoben wird.
So sehr mir die sprachliche Stilistik Fursts gefällt, so wundern mich die Schlampigkeiten bei den deutschen Wörtern, die Furst zur Steigerung der Authentizität einstreut (z.B. Lüger Pistole [diese „eingesprungenen“ Ü-Punkte sieht man gelegentlich auch bei Le Carre, der ja sogar in Bern studiert hatte] oder Feldengendamerie) und die, da Fursts Bücher bei Random House erscheinen, vermutlich nicht sein müssten.
Alan Furst: The Polish Officer. Random House 2001. 304Seiten. 12,50 € (noch keine deutsche Übersetzung)