Wiedergelesen: Patricia Highsmiths Ripley´s Game

Ich habe lange gebraucht, bis ich Patricia Highsmith lesen konnte. Erst schaute ich ein Jahrzehnt lang auf ihre Bücher runter, weil ich sie zu kalt und zu blass fand. Dann schaute ich ein weiteres Jahrzehnt auf ihre Ripleybücher runter, weil ich sie zu kalt und zu blass fand. Jetzt also – noch mal Kommando zurück – gefallen mir auch die Ripleybücher. Ich habe keine Ahnung, was ich gegen sie hatte. Sie sind typisch Highsmith und haben die gleiche Grundthese: Das Böse ist in uns, nicht außer uns. Das macht sie spannend. Ihre Helden sind immer Schwächlinge, mehr oder minder sympathisch. Keiner bei Highsmith hat sich im Griff, keiner produziert coole Sprüche; und alle sind irgendwie gefühlsarm.

Tom Ripley ist Hehler und Dealer und Auftragskiller. Er hasst Morde. Er hasst es, wenn sie ihn anrufen und wieder was für ihn haben. Morden ist stressig und gefährlich und man muss furchtbar gescheit sein (weil einem immer einer draufkommt) – und ist doch nie gescheit genug. Ripleys Morde fangen schrecklich an und sie hören schrecklich auf und sie ziehen immer mehr Morde nach sich. Deswegen auch die vielen Fortsetzungen.

Es begann mit dem Ursprungsmord an Richard Greenleaf, den Tom sehr mochte, aber irgendwann ging er „Dickie“ auf den Wecker, ach, und wie das halt so ist, dann gibt ein Wort das andere und irgendwann zieht Tom Dickie eins über den Kopf. So sterben ein Haufen Leute durch Tom Ripleys Hand, oft will er´s gar nicht (besonders nicht, wenn er die Leute gern hat), aber manchmal schon. Der Mann befasst sich eigentlich viel lieber mit Malerei und klassischer Musik. Viele versucht er noch durch Vernunft dazu zu bewegen, dass er sie nicht aus dem Weg räumen muss – aber wie die Leute eben so sind: Sie hauen nicht ab, sie lassen nicht locker und irgendwann will Tom auch mal wieder seine Ruhe haben.

Er lebt nämlich sehr schön in Frankreich in einem Herrenhaus auf dem Land mit einer wunderbaren Frau. In „Ripley`s Game – Der amerikanische Freund“ hat Tom einen Bilderrahmer in seinem Ort auf dem Kieker, der ihn nicht leiden kann. Trevanny kann ihn nicht leiden, weil er gehört hat, dass er Leute umgebracht hat. Das stimmt zwar, ärgert Tom aber trotzdem, denn wissen kann er`s nicht, und überhaupt, was spielt er da den Moralisten in seinem kleinen Bilderrahmenladen.

Eines Tages ruft (mal wieder) Reeves Minot aus Hamburg an, zwei Mafiosis sollen umgebracht werden, in Deutschland. Tom hat keine Lust dazu, er versucht gerade, seine Frau aufs Bild zu bannen (die sich zu viel bewegt, es gelingt nicht). Also schickt er Reeves Minot zu diesem Bilderrahmer Trevanny weiter. Das ist eine ziemlich groteske Idee, denn der Bilderrahmer führt ein sehr unauffälliges Leben, er hat Frau und Sohn, ein kleines Haus, aber Tom Ripley will – schlecht gelaunt – beweisen, dass der Bilderrahmer, der ihn nicht leiden kann, genauso korrumpierbar ist wie er selbst – wenn man ihm nur Geld bietet für einen Mord.

Recht hat er. Der Bilderrahmer ist zwar ein durch und durch liebenswürdiger Mensch (wie Tom auch) und gibt alten Omis Rabatte auf Rahmen, aber sein Haus ist nicht abbezahlt, die Ausbildung des Sohns nicht finanziert und seine Frau könnte mal wieder ein neues Kleid gebrauchen. Natürlich läge nichts diesem kultivierten Mann ferner, als Menschen für Geld umzubringen – und doch: Weil er krank ist und Geld braucht, macht er`s dann eben doch.

Am Ende sind die beiden Mafiosi tot („Die habens doch nicht besser verdient, oder?“, rechtfertigt sich Bilderrahmer Jonathan) und noch ein paar andere mehr. Tom hat einen amoralischen Sieg über den Bilderrahmer davon getragen und über seine zickige Ehefrau auch, die ihn in der letzten Szene anspuckt, aber trotzdem das Auftragskillergeld behält. Sie schämt sich ein bisschen, dass sie´s tut – na und? Kein Grund, das Geld in den Wind zu schießen.

Falls jemandem der (ziemlich-weit-hergeholte-aber-macht-nichts-) Plot bekannt vorkommt – Wim Wenders hat „Ripley´s Game“ als „Der amerikanische Freund“ verfilmt. Bruno Ganz gefällt mir allerdings als Bilderrahmer Jonathan Trevanny wesentlich besser als Dennis Hopper in der Rolle von Tom Ripley (der mehr „Born to be wild“ als Highsmith spielt), aber gegen Bruno Ganz zu spielen ist natürlich auch eine Aufgabe. (Noch schlechter besetzt war Ripley durch den immer pubertierenden Matt Damon in „Der talentierte Mr. Ripley“, da wurde er von dem a-tem-be-rau-ben-den Jude Law an die Wand gespielt).

John Malkovich hat den Ripley noch verkörpert – und aus dem Bauch raus würde ich sagen, das könnte passen. Aber den Film habe ich noch nicht gesehen.

Anobella
* steckt ihr Buch in ihre Kiste zurück

2 Gedanken zu „Wiedergelesen: Patricia Highsmiths Ripley´s Game“

  1. Ich habe Patricia Highsmith und ihre Werke von Beginn an geliebt. Leider schwächelten ihre letzten Romane (vor allem auch und zu meinem großen Leidwesen die letzten beiden Tom Ripley Bücher. „Der Junge, der Ripley folgte“ habe ich als ganz übel in Erinnnerung; „Ripley under water“ war etwas besser, aber immer noch weit entfernt von den ersten drei Romanen.). Glücklicherweise gab es auch Ausnahmen wie das großartige „Leute, die an die Tür klopfen“ oder etliche der späten Erzählungen. Bei Patricia Highsmith wurde ich zum Fan, ein paar Mal schnürte ich mein Säcklein, um ihr irgendwo in der Nähe von Fountainebleau meine Liebe zu gestehen. Ich glaube, sie wäre nicht allzu begeistert gewesen…
    Was die Verfilmungen angeht, ist für mich Alain Delon immer noch DER Tom Ripley (obwohl Maurice Ronet, der damals Dickie Greenleaf spielte auch gut in die Rolle gepasst hätte. Was natürlich zum Buch passt…). Leider hat René Clement (oder seine Produzenten) dem ansonsten wunderbaren „Nur die Sonne war Zeuge“ einen moralinsauren Schluss verpasst. Matt Damon hingegen als Tom Ripley zu besetzen grenzt schon an Körperverletzung. Vor allem wenn man Jude Law hat: der wär’s doch gewesen! Anthony Minghella scheint ’ne ganz schöne Nulpe zu sein. Aber John Malkovich ist’s auch nicht wirklich. Bei ihm geht’s mir ähnlich wie mit Dennis Hopper: zu viel Method Acting macht den Charakter kaputt…

  2. leider habe ich den malkovich als ripley nicht gesehen, aber ich würde ihn als besetzung für ideal halten. er kann dieses böse-distanzierte … er könnte ripley glatt neue dimensionen verleihen. matt damon als ripley war das letzte … so, also würde man hier in deutschland ripley mit jürgen vogel besetzen.

    *hat 1600 seiten ripley gelesen

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