(Weihnachten naht. Und mit ihm die Frage: Welche Krimis schenke ich meinen Liebsten? Jeder weiß: Das kann ins Auge gehen und langjährige Freundschaften abrupt beenden. Doch keine Angst: Hinternet hilft. Die Krimiredaktion hat einige aktuelle Spitzenprodukte der Spannungsindustrie unter die Lupe genommen und ihnen den jeweiligen Idealtypus Leser (hier „Geschenkempfänger“ genannt) zugeordnet. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.)
Das Buch
Seit dem Tod seiner Frau, einer Konzertpianistin, führt Nikolaus Alban das eher beschauliche Leben eines Musikkritikers. Das ändert sich, als ihm eine geheimnisvolle Partitur zugespielt wird und der Eigentümer derselben sein Leben unter einer mit Schwung auf sein Haupt geschmetterten Beethoven-Büste aushaucht. Getrieben von dem Ehrgeiz, mehr über die Partitur und den ungenannten Komponisten zu erfahren, begibt sich Alban, sehr zum Unwillen eines befreundeten Polizisten, mit der er gemeinsam Hausmusik macht, auf die Suche nach den Urhebern von Kunst und Verbrechen. Er stößt auf einen zweiten Mord, erkennt Verbindungen und nähert sich allmählich der unglaublichen Wahrheit.
Ein erschütterndes Buch, das uns in die Abgründe der Bad Godesberger und Bonner Lyrikerinnenszene führt, ein „Rheintal Krimi“, der doch, man muss es sagen, die Defizite üblichen Regiodichtens nicht aufweist, sondern sehr sauber und unaufgeregt das tut, was ein sauberer und unaufgeregter Krimi zu tun hat: Licht ins Dunkel bringen, die Wahrheit finden, die Leser bilden. Ein Bildungskrimi, jawohl, denn wir werden mit allerhand Details zur klassischen Musik belohnt und schämen uns, wenn wir das nächste Mal Deep Purple in den CD-Player schieben, um uns mit dem unsterblichen „Smoke on the Water“ zuzudröhnen.
Die idealen Geschenkempfänger
… sind alle Krimikritiker. Denn dieser Musikkritiker Alban lebt in einer vornehmen Villa, hält sich eine knackige Gärtnerin und bestreitet seine Ausgaben offensichtlich allein aus den Revenuen des Kritisierens. Er wird von Redakteuren in 1-A-Lokale eingeladen, zum Rezensieren gedrängt und hat dennoch genügend Zeit, einen Mordfall aufzuklären. Wir empfehlen, das hübsch verpackte Büchlein den Damen und Herren Krimikritikern mit einem kurzen Billet unter die Weihnachtsbäume zu legen: „Siehst du,“ (hier Namen einsetzen: Gohlis, Noller, Wörtche, Ammer, Andrea Fischer — nein, die nicht, die kriegt ja Ministerinnenpension), „so locker kann man leben, wenn man über das Richtige schreibt!“ Und ehe man sichs versieht, schulen die Jungs und Mädels auf Musikkritiker um und man selber ist allein auf weiter Flur, quasi das Monopol, der Platzhirsch, der Alleinunterhalter, der Krimipapst. Schöne Aussichten!
Geeignet auch für
… BefürworterInnen der Vermeidung von allzu viel Gewalt in Kriminalromanen. Außer einem kurzen Niederhauen, das der Herr Alban erleiden muss, und einer ebenso kurzen Schusswaffenszene am Ende des Buches ist es völlig gewaltfrei und fließt gemächlich wie der allgegenwärtige Rhein seiner Mündung entgegen. Eignet sich nicht als Vorlage für Counterstrike.
Oliver Buslau: Das Gift der Engel.
Emons 2006. 333 Seiten. 9 €
Smoke on the water? Spielt meine Älteste auf der Posaune im Keller. Aber auch Klassik und Jazz.
Und das Gift der Engel hört sich eher nach „In Maßen spannend“ und nicht nach „Spannung nach Maß“ an.
Da verschenke ich lieber weiter selbtsgebackene Weihnachtsplätzchen und Abonnements für Alibis 😉
LG
barb
„Smoke on the water“ auf der Posaune? Ja,haben diese Dreikäsehochs denn überhaupt keinen Respekt mehr vor den Götzen der Alten? — Hm, das Buch ist so spannend wie ein Buch sein kann, das seinen Fall ganz konventionell und gemächlich entwickelt. Es ist wirklich ein Musterbeispiel von der „allmählichen Verfertigung des Tathergangs und der Motivationen beim Lesen der Spuren“. Reißt uns nicht vom Hocker, das nicht. Lässt uns aber auch nicht vor Ärger oder Langeweile von demselben kippen. Verschenk du nur weiter deine „Alibis“, diese göttliche frankokanadische Krimizeitschrift, die wir allen Lesern ans Herz legen. Wir sind spät dran mit dem Abfeiern der letzten Ausgabe, ich weiß, aber noch befindet sich das Teil in unserer Übersetzungsabteilung. Wir dürfen nur rezensieren, was Chef Walter auch lesen kann. Und als Absolvent des hiesigen Deutsch-Französischen Gymnasiums kann er natürlich kein Wort Französisch –
bye
dpr
Moooooment!
Ich bin vielleicht nicht in der Lage, in einem französischen Kaufhaus ein Baguette, Camembert oder eine Flasche Bordeaux zu kaufen, aber wenn man jahrelang mit Franzosen in einen Klassenraum gesperrt wird bleibt auf jeden Fall etwas hängen: Schimpfworte.
Merde alors!
Der Dreikäsehoch ist 168cm groß und fast erwachsen und hat sehr viel Respekt vor der Kreativität unserer Generation. Smoke on the Water auf der Posaune ist mir jedenfalls lieber als Britney Spears auf dem Synthi (oder gesungen *schauder).
LG
barb
Mensch Walter : Merde alors? Na da wird hier katholischer und heftiger geflucht : Crisse, Câliss, Hostie, Tabernack usw. Und in Alibis gibts nächstes Jahr ein Spezial Essen im Krimi, da lernst du dann das nötige Vokabular, um nicht zu verhungern.
LG
barb
Barb, ein paar deftigere Ausdrücke hätte ich vielleicht auch noch parat. Aber die hebe ich mir natürlich für die Hinternet-Redaktionssitzungen auf.