Krimipreise gibt es wie Sand am Meer, aber keiner reicht an die Goldene Krimikrone heran, die wir heute zum ersten Mal vergeben. Im September baten wir die 379 führenden deutschsprachigen Krimirezensenten um ihre Meinung, von A wie Aachener Wirtschaftsmagazin über I wie Itzehoer Volksbote bis Z wie Zwieseler Post. 298 antworteten, 34 davon ablehnend, doch 262 erzählten uns, wen SIE für die wichtigste und einflussreichste Persönlichkeit der Krimigeschichte halten. Und, voilà, hier ist das Ergebnis:
1. Agatha Christie
Sie war bekanntermaßen eine lausige Plotterin, schickte sexuell verklemmte Belgier und kurz vor dem geistigen Verfall stehende ältere Damen durch haarsträubend unlogische Abenteuer. Aber: Sie war es auch, die den Schauplatz des Verbrechens endgültig aus London und Umgebung in die weite Welt verlegte, um jene Welle des „globalen Kriminalromans“ loszutreten, ohne die die Szene heute undenkbar wäre. Der Balkan, Ägypten, die Karibik: Hier, in den sogenannten Entwicklungsländern, geschahen auch Verbrechen und Agatha Christie gab, wie es Raymond Chandler treffend formulierte, den Mord denjenigen zurück, die ihn am nötigsten hatten. Eine historische Tat. Agatha Christie erhielt 138 Stimmen und somit unangefochten die Goldene Krimikrone.
2. Edgar Wallace
Keiner mordete wie er. So wahllos, so einfallslos, so ideenlos. Hörte man nur seinen Namen, wurde einem übel, seine Bücher lagen wie Blei in den Regalen – kurz: Edgar Wallace war der richtige Mann, den deutschen Krimi zu befruchten. Er tat es in unzähligen Schwarzweiß-Filmen der Fünfziger und Sechziger Jahre, Filme, in denen Protagonisten wie Klaus Kinski und Elisabeth Flickenschild bewiesen, was lange Zeit als unmöglich galt: Auch in Deutschland zuckten kriminelle Visagen. Gab es hierzulande bis dato keinen einzigen Kriminalroman außer übersetzten, so hob sich der Nationalkrimi nun selbst aus der Taufe und huldigte bis in die Neunziger Jahre dem großen Vorbild. London musste es sein, Nebel musste wallen, unschuldige Maiden waren zu retten, die Schattenseiten des Kapitalismus anzuprangern. Ohne Wallace, das steht fest, gäbe es bis heute keinen deutschen Kriminalroman. 34 Stimmen sprachen ihm daher zu Recht die Silberne Krimikrone zu.
3. Henning Mankell
Was war Krimi vor Mankell? Sagen wir es ehrlich: spannend. Spannend und doch irgendwie beliebig, immer nur wer wars, niemals: warum war ers? Henning Mankell brachte als erster Kriminalliterat „die Verhältnisse“ ins Spiel, begründete das Verbrechen an sich und warum alle Ermittler zur schweren Depression neigen. Denn sie klären wohl Fälle auf, die Verhältnisse indes ändern sie nicht. Kein Trost nirgends, wie tröstlich. 28 KritikerInnen sprachen sich für Mankell aus und setzten ihm die Bronzene Krimikrone aufs Haupt.
4. Günter Grass
Günter Grass hat nie einen Kriminalroman geschrieben, hätte es aber – schließlich leben wir in einem freien Land – jederzeit tun können. Nicht auszudenken, hätte ihn nicht seine dichterische Disziplin daran gehindert, das Wissen, dass Autoren von Kriminalromanen niemals den Literaturnobelpreis erhalten, den er sich doch so sehr wünschte und schließlich nach einem spannenden Elfmeterschiefen gegen Peter Handke gewann. Mit 7 Stimmen bedankt sich Krimideutschland bei Günter Grass für seine Genreenthaltsamkeit mit der Diamantenen Ehrenkrimikrone. Jetzt, wo er der Nobelpreis hat, darf er sie ja annehmen. Und muss sie sofort wieder zurückgeben, wenn er doch noch einen Krimi schreiben sollte.
Elisabeth Flickenschild…
schreibt sich korrekt Flickenschildt
Auch nach der Rechtschreibreform? Jetzt sehen SIE aber alt aus, lieber Herr Zandter.
bye
dpr