Massimo Carlotto: The Goodbye Kiss

Dieses ist die erste Besprechung eines der Kandidaten für den Edgar des Jahres 2007, Kategorie „Bestes Taschenbuch“.

Massimo Carlotto ist aufgrund seiner Vergangenheit in Italien ein bekannter Mann. Bevor er 1993 wegen des Drucks der Öffentlichkeit, die ihn für unschuldig hielt, begnadigt wurde, war er in einem Mordfall schuldig gesprochen worden und ähnlich wie der Hauptdarsteller dieses Buches anschließend jahrelang auf der Flucht in Südamerika und einige Jahre im Gefängnis gewesen. Mittlerweile hat er sich in Italien auch als Autor einen Namen gemacht.

Ins Deutsche waren vor mehreren Jahren bisher zwei seiner frühen Bücher um einen als „Alligator“ genannten Privatdetektiv übersetzt worden. Danach herrschte Pause: Zu sehr weichen möglicherweise seine Bücher vom Klischee ab, dass bei uns über italienische Autoren besteht. Dieser Tage erscheint nun sein Buch „Arrivederci amore, ciao“ in Deutsch. [Vorlage dieser Rezension ist jedoch die amerikanische Fassung, da ich keinen Hinweis auf eine bevorstehende deutsche Publikation gefunden hatte, als ich mir die 2006 erschienene amerikanische Fassung besorgte.]

„The Goodbye Kiss“ passt gewissermaßen auch gut in die deutsche Gegenwart, denn der Ich-Erzähler des Buches, Giorgio Pellegrini war in den 70er Jahren Terrorist. Keiner der Großen, kein Rädelsführer, aber doch jemand, durch dessen Hand ein Mensch umgekommen ist. Jahrelang, während er sich in Südamerika aufhielt, wurde er von der italienischen Polizei gesucht.

Irgendwann ist er dann des Lebens auf der Flucht müde und stellt sich der Polizei. Er kollaboriert mit der Justiz, verbringt eine kurze Zeit im Gefängnis und entdeckt, als er ’rauskommt, dass er ein Problem hat: Mittlerweile ist er 40 Jahre und steht ohne Perspektive, ohne Beziehungen da und findet ein Italien vor, welches sich seit den 70er Jahren verändert hat.

Ganz dicht, in den Kopf geht „The Goodbye Kiss“ an Pellegrini ’ran. Ungeschminkt offenbart der Ich-Erzähler, was für ein moralisch verdorbener, emotional leerer und skrupelloser Typ er ist. Er findet einen Job in einem Strip-Schuppen und plant seinen gesellschaftlichen Aufstieg. Jede sich bietende Gelegenheit ergreift er und nimmt sie rücksichtslos wahr. Der Einzige, den er fürchtet ist der machtgeile und korrupte Polizeibeamte, der ihn festnahm, als er sich stellte.

Als dann ein Bekannter aus dem Gefängnis ihn um seine Mithilfe bei einem Bankraub bittet, scheint seine Stunde gekommen.

„The Goodbye Kiss“ ist ein Thriller der so sehr fasziniert, wie sein Held abstößt. Sein intensiver Stil ließe sich fast als karg bezeichnen. Es ist ein Buch, welches in der klassischen Noir-Tradition steht, kein Buch für Leser also, die explizite Analysen des Autors zu schätzen wissen. Massimo Carlotto beschreibt aber auch eine Welt, in der Kriminelle und „feine Leute“ sich in der Zeit nach der „ersten Republik“ Italiens neu eingerichtet haben. Er zeigt aber auch die Veränderungen, die der Zusammenbruch des Ostens und insbesondere Jugoslawiens mit sich brachte – und wenn vielleicht der stete Zustrom krimineller Elemente aus dem Osten auch nur ein Klischee ist, welches paneuropäisch verstanden wird.

Massimo Carlotto: The Goodbye Kiss. 
Europa Editions 2006. 144 Seiten. 14,00 €
(Deutsch: Arrivederci more, ciao. Tropen Verlag 2007. 216 Seiten. 18,80 €)

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