Sehen, hören, riechen

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Erinnern wir uns: Die Geschichte des uns heute geläufigen Krimigenres beginnt mit einem Hoch auf die Logik. Geniale Detektive erkennen die Verbrechen und ihre Urheber, indem sie Zeichen lesen, miteinander verknüpfen und Schlüsse ziehen. Später wurde das anders. Dazu drei Zitate, eins aus einem alten Krimi, zwei aus aktueller Produktion.

„Vor meinem geistigen Auge wandelt sich dieser Raum zu einem mächtigen Arsenal. Diese Apparate mit ihren Kamera=Öffnungen ähneln unseren unheimlichen Geschützen, diese Tabellen und Zeichnungen sind die strategischen und taktischen Pläne, die den Verlauf der Schlacht darstellen, des großen sozialen Kampfes gegen das Verbrechen der Menschheit. (…) Der Gedanke an das Unentrinnbare, in das der Verbrecher seinen zerbrechlichen Nachen steuert, kommt über mich! Der Glaube an eine geheimnisvoll waltende Macht, an eine Gerechtigkeit schon auf Erden. (…) Diese lichtempfindliche Platte, die vom Gesicht eines Menschen die ersten, dem Auge noch nicht wahrnehmbaren Anzeichen einer Krankheit auffängt.“

Der Protagonist, ein Richter namens Villanyi, dem Autor Erich Wulffen diese Vision in den Mund legt, träumt von nichts weniger als der Fotografierbarkeit der Wahrheit, ja,mehr noch, er kann das Verbrechen durch die fotografische Verstärkung des Sinnesorgans Auge als „Krankheit“ erkennen, bevor diese als solche ausgebrochen ist. Man muss Wulffen zugute halten, dass der Kriminalroman, aus dem wir hier zitieren („Die geschlossene Kette“, 1919) gerade das Gegenteil beweist –

Doch das Thema des „gefühlten Verbrechers“, den nicht Faktenlogik überführt, sondern die „Sinnlichkeit“ des Ermittlers, ist mitnichten ein erledigtes. Friedrich Ani charakterisiert seinen neuen, nicht zufällig „der Seher“ geheißenen Helden wie folgt:

„(…) seine Gabe, Stimmen zu sezieren wie ein Pathologe einen Körper und jedes Tremolo, jedes Zaudern, jede noch so minimale Veränderung in der Tonlage als Signal einer Lüge oder eines Schuldeingeständnisses zu erkennen.“

(„Wer lebt, stirbt“, 2007)

Nicht nur das Auge, auch die Ohren dienen der Wahrheitsfindung. Da ist die Nase nicht mehr fern, wie wir aus John Dunnings „Das Geheimnis des Buchhändlers“ (2007) erfahren:

„Ich hatte jahrelange Erfahrung darin, Leute zu befragen, und in den meisten Fällen konnte ich eine Lüge riechen, sobald sie ausgesprochen wurde. Ein guter Polizist erkennt die Wahrheit, wenn er sie hört.“

Benötigt Wulffen noch die Mithilfe der Technik, arbeiten Anis und Dunnings Helden mit unverstärkten, allerdings durch Praxis geschärften Sinnesorganen. Sie nehmen Verbrecher wahr – und genauso lesen sich auch ihre Romane. Die Aufklärung dreht sich, bei solcher Aufklärung, im Grabe um, oder — sind wir es, die uns am Ende sinnestäuschen? Zeigen uns nur noch die schlechten Krimis, wie es um diese Welt bestellt ist, immer bestellt war?

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3 Gedanken zu „Sehen, hören, riechen“

  1. hey, schönes cover.
    jetzt hängt nur noch das „krimizeitschrift“ eine zeile zu dicht unten am gelben balken.

    *zeigt es dir mit ihrem lineal

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