Die Wirklichkeit ist manchmal doch kein schlechter Kriminalroman, in dem das Weiße weiß und das Schwarze schwarz ist. Manchmal ist sie richtig wirklich, sprich: verwirrend. So wie in der neuen Kriminalreportage von Pieke Biermann aus der Reihe „Menschen – Orte – Kriminalität“: „Serén, Ann-Charlott und der alltägliche Judenhass“. Sollte man reinhören. Im RBBinfoRADIO 93,1 5. Mai 2007 um 11:45 Uhr, Wiederholungen um 19:45 und in der folgenden Nacht um 0:45 und 5:45 Uhr.
Nach den Sommerferien 2006 brechen die Dämme. Im September wird Serén (14) von einer Mitschülerin geschlagen. Die Schlägerin wird zwei Tage vom Unterricht ausgeschlossen.
Zwei Tage später lauern 15-20 schulfremde Jugendliche Serén und Ann-Charlott (14) vor der Schule auf. Ann-Charlott ist Seréns Freundin und die einzige, die sie beschützt, wenn das passiert, was in Seréns jungem Leben Tradition hat: verbaler, psychischer und physischer Terror. Serén ist Jüdin – die sie seit der Grundschule beschimpfen, anspucken, schlagen, sind Kinder und Jugendliche arabischer Herkunft aus dem Nahen Osten. “Dreckige Jüdin, du stinkst”, sagen sie zu Serén und “Schäm dich, mit einer Jüdin befreundet zu sein”, zu Ann-Charlott.
Die Schule, auf beide gehen, liegt im Multikulti-Toleranz-Paradies Kreuzberg und trägt den Namen einer jüdischen Feministin. Die überwältigende Mehrheit der SchülerInnen kommt aus muslimischen Kulturkreisen.
Im Sommer erregt der Libanonkrieg die Gemüter in aller Welt, aber die Schule ist völlig unvorbereitet auf die Rückkehr der vielen Schüler, die Verwandte im Libanon haben oder in den Ferien selbst da waren.
Wochenlang werden Serén und Ann-Charlott unter Polizeischutz zur Schule gehen. Die Übergriffe werden in neun Jugendstrafverfahren münden. Aber die Konrektorin wird das alles in der “taz” bagatellisieren: als “Zickenkrieg” unter Teenies, der “längst bearbeitet” sei.
Die Geschichte hinter der Geschichte, die als “Fall Anne” Ende 2006 republikweit Aufsehen erregte.