„Plagiatsfall“ Schenkel vs. Leuschner. Andrea Maria Schenkel hat sich nun zum Vorwurf, ihr Buch „Tannöd“ sei von Leuschners „Hinterkaifeck“ (beide behandeln einen Mordfall aus dem Jahr 1922, Schenkel fiktionalisiert, Leuschner präsentiert den Fall dokumentarisch, als „Sachbuch“) „abgekupfert“, geäußert – und gewährt darin einige interessante Einblicke in ihre Werkstatt. Hier die Presseerklärung im Wortlaut:
Anlässlich der angekündigten Klage gegen Andrea Maria Schenkels Buch »Tannöd« hier »ein letztes Wort zu Leuschner & Co.« von Andrea Maria Schenkel:
Ich habe nie gesagt, ich hätte ein Sachbuch zu dem Mordfall von Hinterkaifeck geschrieben. Ich habe einen wahren Mordfall literarisch bearbeitet, einen wahren Fall zu einer Fiktion umgestaltet. Alles in dem Buch ist als eine Einheit zu sehen, die Art und Weise, wie die Charaktere miteinander agieren, ihre Sprache, die Litanei, alles das hat sich dem Gesamtentwurf unterzuordnen, ist Teil des Ganzen. So ist die Litanei nicht nur ein Gebet, sie steht für die Bigotterie, die körperlich zu spürende geistige Enge. Durch ihren »Klang« bringt sie den Leser in einen Rythmus,
zwingt ihn in eine gewollte und nicht zufällige Stimmung. Lässt den Leser die Stimmen der Klagenden nach dem Tod der Opfer hören.
Die Wiederholungen innerhalb der Textpassagen sind nicht zufällig gewählt, sie sind ein Stilmittel, durch das sich die Figuren erklären, lebendig werden, ohne bis ins Detail beschrieben zu werden. Die Figuren beschreiben sich durch die Art und Weise ihres Sprechens selbst. Alles das ist gewollt, ist nicht Zufall, ist Teil der literarischen Bearbeitung.
Wäre mir am wahren Mordfall gelegen, hätte ich ein anderes Buch, ein Sachbuch, geschrieben. Zu einem Sachbuch gehört es, in Archiven zu suchen, nach Details zu forschen, kein auch noch so kleines »Teilchen« unbeachtet zu lassen. Alles muss erwähnt, erklärt, nachgewiesen werden. Die Fiktion ist der Tod des Sachbuchs, sie macht den Autor unglaubwürdig, straft ihn Lügen. Ich bin kein Archivar und es ist nicht meine Aufgabe, als Autorin eines belletristischen Werkes, einer zu werden. Ich bin keine Sachbuchautorin, der wahre Fall interessiert mich nicht. Es ist mir relativ gleichgültig, wer die Opfer getötet hat und warum, wie sich die wahren Opfer verhielten, was sie taten und was sie unterließen. Es ist mir auch gleichgültig, wer der wirkliche Täter war. Es ist für mich so nichtig, dass ich Schwierigkeiten habe, die Opfer zu benennen. So leid es mir tut, sie spielen für mich keine Rolle.
Für mich leben meine Kunstfiguren, sie sind zu realen Personen geworden, sie sind es, die zu mir und mit mir sprechen, und wie man an dem Erfolg des Buches sieht, nicht nur zu mir. Sie haben sich, wie es den Anschein hat,
auch in den Köpfen anderer verselbständigt, was, ohne arrogant klingen zu wollen, für die Qualität der literarischen Bearbeitung spricht. Wenn man so will, ist die Klage und Aufgeregtheit mancher Leute das größte Lob, da sie
Fiktion und Realität vermengen und Kunstfiguren als reale Charaktere betrachten. Gibt es ein größeres Lob für einen Romancier?
Ich sehe der Auseinandersetzung gelassen entgegen, Fakten werden nicht zu Fiktion, auch wenn man es sich noch so sehr wünscht. Und eine Person, die als lichtscheu, sparsam bis zum Geiz beschrieben wird, wird nicht zu einem gelassenen Lebemann. Eine Schraube, die in eine leere Wassergrube fällt, wird nicht zum geistigen Eigentum, zur eigenen Idee, wenn sie bereits vor über 80 Jahren durch die Finger eines anderen geglitten ist. Das ist
Realität und nicht Fiktion, wie ein Sachbuch ein Sachbuch ist und eben keine Belletristik.
Andrea Maria Schenkel
25. Mai 2007
Ach Gottchen!
Ja, schade. Plagiatsvorwurf ist dumm, Autorengespreize aber auch.