Sehr verehrter Herr dpr,

es ist nicht meine Art, mich in die verantwortungsvolle Tätigkeit eines Krimikritikers einzumischen und überhaupt bin ich natürlich für die Freiheit von Kunst und Kritik, ja, solln auch meinetwegen demonstrieren da oben an dem Zaun da. Aber JETZT, verehrter dpr, ist Not am Mann! Ich spüre – nein, ich WEISS, dass Sie im Begriff sind, einen schwerwiegenden Fehler zu begehen, und ich weiß, dass Sie das auch wissen, dass Sie z.B. letzte Nacht nicht schlafen konnten, hin und her gerissen zwischen falschverstandener Loyalität und dem moralethischen Impetus Ihres ehrbaren Handwerks. Und worum geht es dabei? Natürlich um die Paprotta und ihren neuen Roman. Dpr – ich warne Sie! Wehe, Sie loben den!

Sehen Sie, lieber dpr, ich kann das alles nachvollziehen. Ich bin seit 34 Jahren in der Leichtmetall verarbeitenden Industrie tätig, Sachbearbeiter Einkauf, da schicken einem die Leute jede Weihnachten Sechserpacks Rotwein und LINDT-Auswahlpralinenschachteln, das sind schon Dilemmen, sag ich Ihnen, fast griechische Tragödien. Selbstverständlich beeinflusst mich das in meiner Entscheidung, bei wem wir unser Aluminium beziehen, in keinster Weise. Sie wiederum haben ein Buch über die Paprotta geschrieben. Es ist bestimmt sehr, sehr gut, ich habe es noch nicht gelesen, es ist mir auch zu teuer, ehrlich gesagt, 12 Euro, dafür krieg ich ja einen Original-Paprotta, tja, und das ist eigentlich schon der springende Punkt. Aber ich wollte Ihnen nur sagen: Ich verstehe Sie gut. Wenn Sie „Feuertod“ (so heißt ja das Buch wohl) so rezensieren, wie es dieses Machwerk verdient hat, kauft doch keiner mehr IHR Buch. Dann sagen sich die Leute: Mensch, die Paprotta kann ja wohl nix sein, was soll ich ÜBER die lesen, wenn mir abgeraten wird, etwas VON der zu lesen.

Also werden Sie wohl jetzt dazu neigen, wider Ihre Überzeugungen „Feuertod“ positiv zu besprechen. Vielleicht nicht gaaaanz so euphorisch, aber vor der Wahrheit schrecken Sie zurück. Und diese Wahrheit lautet: DAS IST EIN VÖLLIG VERUNGLÜCKTES BUCH, DAS IST EINE BELEIDIGUNG FÜR JEDEN LIEBHABER DES GENRES!

Ich möchte Ihnen kurz schildern, wie es mir ergangen ist. Freitagnachmittag komm ich heim, das Buch ist in der Post, fein, denk ich, das Wochenende ist gerettet. Ich fange gleich mit dem Lesen an, so zehn Seiten. Klasse!, denke ich, ein Whodunnit mit viel Action! Es wird gezündelt, keiner weiß wers war, Erna, ruf ich (Erna ist meine Frau. Wir sind seit 29 Jahren relativ glücklich verheiratet), mach mal die Knabberschale voll, ich hab da einen WHODUNNIT mit vielen Leichen!

Schön, der Stil von der Paprotta…“Brandleichen, da ging man nämlich in die Knie“ und solche Sachen, also ich weiß nicht, ob das korrektes Deutsch ist, wahrscheinlich doch nicht, oder? „Der Anblick von Brandleichen bewirkte, dass einem mulmig wurde“, so ist das wohl richtiger. Aber sei’s drum. Ich lese weiter.

Und wirklich nicht schlecht! Gleich darauf brennts nämlich noch mal! Wieder Brandleichen, und eine heißt Brecht! Das hat, denke ich, die Frau Paprotta ganz sensibel umschrieben, dass nämlich der Sozialismus irgendwie auch verbrannt ist, denn der Brecht war doch Sozialist, oder? Dann zitiert sie den Brecht auch noch, nicht den tatsächlich verbrannten, sondern den ideologisch verkohlten (Wortspiel!), und da denk ich mir schon: Hm, Frau Paprotta, das muss jetzt aber nicht sein, dass Sie quasi hier Ihren eigenen Sozialismus raushängen lassen, wählen Sie meinetwegen die PDS oder wie die gerade heißt, das hier ist eine Demokratie und auch Krimischaffende sind nur Menschen, die verblendet sind.

Eine beginnende Liebesgeschichte entschädigt mich dann ein wenig. Sex auf dem Friseurstuhl, das ist ja mal ganz was Neues, das macht nicht mal diese eine Rothaarige, die aus Offenbach, Sie wissen schon.

Aber dann! Mir bleiben die Erdnüsse im Hals stecken! Gerade lehne ich mich behaglich zurück und denke: Mensch, das ist aber so richtig sozialkritisch! Diese Paprotta, nein, nein, nein, die gibt’s den Großkopfeten da oben jetzt aber mal richtig! Immobilienspekulation! Toll! – Und plötzlich: VERRÄT DIE DEN/DIE TÄTERIN (ich halte das jetzt geschlechtsneutral)! Das ist doch verboten! Das macht man doch nicht im Genre! Gerade mal die Hälfte rum, man ist schon am Rätseln, da verrät die Autorin, wers war!

So sind sie, die Frauen. Erst machen sie einen heiß und dann…in Ordnung, ich schweife jetzt ab, aber so ist es doch, nicht wahr? Das haben Sie doch auch schon erlebt, ich lese ja das mit der Anna Beller, scharf, scharf, kann ich nur sagen.

Ich bin jedenfalls schockiert, lese aber weiter, das Wochenende ist ja noch nicht vorbei, und wenn Erna sieht, dass ich nicht lese, muss ich den Rasen mähen, da lese ich doch lieber, obwohl es mir schwerfällt. Denn das mit der Liebesgeschichte ist auch nicht mehr so weit her. Es wird, wie nicht anders zu erwarten, „psychologisch“. Klar, wenn kein Whodunnit, dann eben psychologisch, dagegen hab ich auch nix einzuwenden – ABER DOCH NICHT IN EINUNDDEMSELBEN BUCH! Und unlogisch ists auch, das ganze Ding da mit dem Motiv von dem oder der, die Paprotta ist doch Psychologin, die müsste doch wissen, dass man die Psyche erklären muss, haarklein, versteht doch sonst keiner. Macht die aber nicht.

Mein Verdacht: Die will hier LITERATUR abliefern! Der ist Krimi einfach nicht mehr gut genug! Und deshalb trampelt sie so auf einem rum, wo man doch nur einen Krimi lesen möchte, zur Unterhaltung gewissermaßen, ein bisschen Nervenkitzel, ein paar große Feuer, möglichst viele Leichen (da lässt sich die Paprotta nicht lumpen, muss man ihr lassen), und am Ende wird der Bösewicht respektive die Bösewichtin dingfest gemacht und…

Ja, das Ende. Es hat mich dann gar nicht mehr schockiert. Ich hab nur gedacht: Die Paprotta müsste man bestrafen, gar nicht auszudenken, wenn KINDER das lesen und sich dann sagen: Also wenn das so ist, dann steck ich doch auch mal gleich unsere Mietskaserne in Brand, macht ja nix.

Genug, verehrter Herr dpr. Sie wissen das ja alles selbst, Sie habens ja auch gelesen, Sie sind ja auch entsetzt und der Herr Wörtche, der schon „realitätstauglich!“ an den Rand geschrieben hat, der ist ganz sprachlos und würde das am liebsten wieder durchstreichen, aber er findet die Stelle nicht mehr, würd ich nach einer Flasche Doppelkorn auch nicht. So ein Schmarren! Das muss doch gegeißelt werden, da muss doch der verantwortungsvolle Kritiker dreinschlagen wie der Donnergott persönlich! Also tun Sie’s! Geben Sie sich einen Ruck! Übernehmen Sie Verantwortung und wenns nur an den Pralinen liegt, die Ihnen die Paprotta zu Weihnachten schickt, darüber können wir reden, ich krieg ja auch immer welche, die können Sie gerne haben! Seien Sie ein Mann! Oder ich abonniere Ihre Krimizeitung nicht und Ihre Crime School können Sie sich auch an den Hut stecken!

Einer, der es nur gut mit Ihnen meint

14 Gedanken zu „Sehr verehrter Herr dpr,“

  1. Seriöses Portal? Also Portal schon mal gar nicht und seriös schon gleich zweimal gar nicht. Da haben Sie sich aber schön verlaufen, Frau Beller. Und gekennzeichnet sind hier nicht die Beiträge, sondern die Beiträger. Ihnen wurde „wtd“ in die Stirnhaut gebrannt.

    bye
    dpr

  2. Horatio Nelson, der Held von Trafalgar? Da gehen Sie mal zu unserer Schwesternseite „watching the heroes“! Wenn Sie Wickius meinen: der bloggt. Der hat jetzt keine Zeit für reservierte Annas. Für wen sind Sie eigentlich reserviert?

    bye
    dpr

  3. Liebe Anna,

    mühe dich nicht mit dem Griesgram DPR ab, sondern komm nach Hause. Es gibt Spargel mit Thymian. Giorgio kannst du gern mitbringen.

    Dein Horatio

  4. Der Wohlmeinende spricht mir aus tiefstem Herzen. Während eines Urlaubs habe ich vor einigen Jahren „Die vier Söhne des Doktor March“ von Brigitte Aubert lesen wollen und nach 50 Seiten entnervt das Weiterlesen abgebrochen. Am Ende des Urlaubs und in Ermangelung eines anderen Lesestoffes habe ich den Roman dann trotzdem zu Ende gelesen. Von den Folgen der Tortur habe ich mich bis heute nicht erholt – ich rühre seitdem kein Buch der Autorin mehr an.
    Ein anders gelagerter Fall ist der neue Roman „Idylle der Hyänen“ von Friedrich Ani. Ebenfalls eine wahre Lesetortur. In Erinnerung an die Tabor Süden-Romane würde ich sehr wohl ein anderes Buch von Ani in die Hände nehmen – nur hat mich seitdem eine unerklärliche Schreibblockade befallen und die Krimizeit wird sich hinsichtlich einer Rezension noch länger gedulden müssen.

  5. Hm, lieber Claus, das ist interessant. Ani kann Schreibblockaden verursachen? Bei mir warens Schreikrämpfe ob der Schreibkrämpfe. Aber es würde sich vielleicht lohnen, beim Verlag den (sicher ziemlich hohen) Restposten „Hyänen“ aufzukaufen (Mengenrabatt!) und dann an ausgewählte deutsche Krimischaffende zu schicken (ne SyndikatsmitgliederInnen-Liste müsste ich noch irgendwo haben). Um sich dann auf ein weitgehend krimikrampffreies 2008 zu freuen…

    bye
    dpr

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