Kammerer wurde noch wahnsinnig.

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Das Polizeipräsidium war nicht mehr so, wie er es kennen- und liebengelernt hatte. Mit klarer Aufgabenverteilung und hierarchischen Strukturen. Alles vermischte und verwischte sich. Jetzt hatte dieser Praktikant Jo Kaiser, den Kammerer seit Tagen ergebnislos zu feuern versuchte, dem Polizeipräsidenten eine Antwort auf sein E.A.Poe-Blog geschrieben. Es gäbe ein neues Buch über das Geheimnis der Marie Roget, er hätte es beim >>>Krimiblog gefunden, einem sehr informativen und lustigen Blog aus Hamburg. Kenne es der Polizeipräsident? Nein? Da entginge ihm aber was …

Unterschrieben hatte er mit Praktikant Jo Kaiser, Abteilung Kriminalpolizeiinspektion, Leitung Fritz Kammerer.
Kammerer schoss vom Stuhl hoch, um den Praktikanten zu erdrosseln, da sah er die Antwort des Polizeipräsidenten: Er liebe Blogs und nun säßen sie hier im gleichen Gebäude … Kaiser im ersten, der Polizeipräsident im vierten und unterhielten sich über Edgar Allan Poe … er könne gar nicht ausdrücken, wie sehr ihn das freue … dass es noch jemanden in diesem tristen Gebäude gäbe, der Poe schätze … von wegen die Kripo liebe die Bücher nicht … und dann gleich Poe … ob er, Kaiser, Zeit hätte zum Lunch in der Kantine … er würde gern seine Bloggererfahrungen mit ihm austauschen.

Lunch zusammen in der Kantine? „Unterstehen Sie sich, mit dem Polizeipräsidenten zu essen!“, brüllte Kammerer, aber schon schaltete der Teufelspraktikant seine Antwort frei: „Sehr gern! Um halb Eins! Horatio bloggt übrigens auch – Horatio Wickius! Er stellt seinen Lesern kleine Rätsel und sie müssen dann raten, wer es ist. Meistens errät Giorgio Negrini es, aber nur, weil er als erster auf ist.“
Kammerer schleppte sich nach nebenan in Anna Bellers Büro, die müßig die Füße auf den Tisch gelegt hatte und ein Buch las, weil >>>nichts zu tun war.
„Empfehlung von Wickius!“, sagte sie. „Gedichte von Goethe … Horatio retardiert.“
Kammerer ließ sich zentnerschwer in den Sessel fallen. „Auf Herz und Niere, Anna: Haben Sie auch ein Blog?“
„Warum?“
„Der Polizeipräsident hat eins. Er luncht mit Kaiser – den ich zu feuern versuche – und redet mit ihm über Poe!“
„Das mit dem Feuern hat sowieso nicht gefunzt, Fritz.“ Anna nannte ihn den Polizeioberrat Fritz, wenn sie ihn trösten musste.
Kammerer sah an die Decke. „Ob ich auch Bücher lesen soll? Das ist doch blöd, wenn ich überall nicht mithalten kann … Aber was ich Sie noch fragen wollte, haben wir schon diesen Mörder mit dem Damenhöschen aus meiner Nachbarschaft?“
Anna schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Wir haben keinen Gerichtsmediziner. Bzw. wir haben einen, aber der ist jetzt in Kaiserslautern.“
„Na toll. Und jetzt?“
„Haben wir Ersatz aus Kanada. Giorgio holt Barbra … Barbra …. Barbra … ich komm nicht auf den Nachnamen … in Karlsruhe ab. Und die macht sich dann an diese Höschen.“
Kammerer war ans Fenster getreten und sah in den Hof hinunter, der vor Hitze flirrte. Es war ein Jahrhundertsommer und Kammerer hatte das Gefühl, dass er nun schon zum dritten Mal im Jahr anfinge. Jedes Jahr hatte er einen Serientraum im Frühling, in dem die Herbstblätter von den Bäumen fielen. Dieser Traum war dieses Jahr ausgeblieben. Stattdessen Gewitter und kein Tag unter 30 Grad.
Sein Blick heftete sich auf eine knubbelige Gestalt, die auf einem merkwürdigen Gefährt in überhöhter Geschwindigkeit auf den Hof geschlingert kam, den Abstand zur Mauer verpeilte und dagegen rauschte.
„Was zum Teufel …!“
Anna war neben Kammerer getreten. „Ah, das ist Horatio! Er hat seinen >>>Segway noch nicht richtig im Griff.“
„Seinen was?“
„Ein Elektroroller für eine Person. Aber wir passen auch zu zweit drauf.“
„Sie fahren mit Wickius damit durch die Stadt?“
„Ja, aber dann bremse ich.“
Unten rappelte sich Horatio Wickius sich vom Boden auf und nahm einige Unterlagen aus seinem Metallkorb. Lachend sah er zu ihrem Fenster auf und schwenkte sie. „Ich hab was gefunden, Chef! Wird Sie interessieren!“
„C h e f ? Wieso nennt der mich Chef?“
Kammerer schwankte. Wickius bretterte mit einem Elektroroller gegen die Parkplatzmauer, der Polizeipräsident war beim Mittagessen mit einem übereifrigen Praktikanten und eine kanadische Gerichtsmedizinerin war im Anmarsch (wahrscheinlich mit 127 neuen Ermittlungsmethoden), die sich als Erstes mit Damenhöschen aus seiner Nachbarschaft befassen musste.
Ausgerechnet!

7 Gedanken zu „Kammerer wurde noch wahnsinnig.“

  1. In dieser Folge fehlt eindeutig der Sex. Und Ludgers Blog ist auch nicht lustig. Und der Mörder mit dem Damenhöschen ist gefasst, die Ehefrau wars. Fazit: Es ist skandalös, wie diese Mordkommission arbeitet. UND DAS VON UNSEREN STEUERGELDERN!

    Gruß
    Wickius
    *brettert nie gegen Mauern
    **hat seit vier Monaten die Wohnung nicht verlassen
    ***klärt seine Fälle mit KÖPFCHEN
    ****benutzt den Account von dpr für diesen Kommentar
    *****damit hier wieder keine Einwürfe kommen
    ******bringt nächste Woche ein völlig asexuelles Kapitel
    *******mit dem SYNDIKAT
    ********nur für seinen Freund Ludger

  2. Super Story. Tolle Links.

    Nur Giorgio, der übrigens im Saarland alle Kollegen jetzt im Schwertkampf ausbildet, gewinnt nicht, weil er als erster auf ist, sondern weil er der Schlaueste ist. Und charmant. Und sensibel.

  3. Hat jemand mal ein Taschentuch?

    Ludger
    *lacht
    **kringelt sich
    ***lacht Tränen
    ****liebt Anobellas Dichtkunst
    *****liebt aber auch Wickius‘ Dichtkunst
    ******freut sich auf das ASEXUELLE Syndikats-Kapitel
    *******glaubt, das Asexualität und Syndikat eigentlich nicht zusammen passen

  4. Uh, da ist dein Kommentar, liebe Barb. Mit der Selbsthilfegruppe musst du dir aber schon selbst helfen. Deshalb heißt die doch so…

    bye
    dpr

  5. Barbra Reinhardt musste sich doch sehr wundern. Da stand sie im Hof des Saarbrücker Polizeipräsidiums, diesen reizenden italienischen Kommissar Negrini neben sich (dessen Gesicht jungenhaft rot geworden war)und suchte nach einer griffigen Erklärung dafür, warum Polizeioberrat Fritz Kammerer (aka Negrinis Chef) lustvoll glucksend mit dem Hausmeister auf einem Elektroroller im Hof kreiste. Das ungleiche Pärchen nahm die Kurven um einen Streifenwagen sehr eng und immer wieder drohten sie in sein Heck zu rasen. Als sie zum dritten Mal an Barbra vorbeisausten („Ein bisschen kindisch … Männerspielzeug … der neueste Schrei in Saarbrücken“, hüstelte Negrini) blieb der Blick des Hausmeisters für einen Moment an Barbras langem blonden Haar haften. Ein Moment zuviel. Kammerer merkte zu spät, dass der Hausmeister nicht mehr akkurat lenkte und beide flogen erneut im hohen Bogen ins Gras (nicht zum ersten Mal an diesem Nachmittag übrigens).
    Der Elektroroller fuhr unterdes allein weiter und landete in Negrinis Hacken. „Porca miseria“, fluchte Negrini, der auf der Fahrt von Karslruhe Barbra von ihrem wundervollen neuen Arbeitsplatz vorgeschwärmt hatte und nun diese Szene erklären musste.
    Während er den Motor des Elektrorollers abstellte und das Gefährt zur Seite schob, half Barbra Kammerer auf die Füße und pflückte auch den Hausmeister von einem Lavendelbusch ab.
    „Jo. Reinhardt, guten Tag“, sagte sie in die kleine Runde. „Ich bin die neue Gerichtsmedizinerin.“
    Kammerer verbeugte sich knietief über ihrer Hand und Wickius pfiff leise durch die Zähne. Gereizt heftete sich Negrinis Blick auf ihn.

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