Weltniveau. Exportweltmeister. Kulturleitnation auf allen Gebieten, sogar Hollywood lehren wir schon das Fürchten, na, hoffen wir doch wenigstens. Nur bei Krimis bleiben wir Provinz. Schön; Schätzing. Gut; Schafsthriller. Hier und da etwas, das ins Holländische, Mongolische oder Kisuaheli übersetzt wird. Internationales Renommee sieht anders aus.
Woran das liegt? In einen aktuellen Aufsatz über deutsche Krimis schreibt Tobias Gohlis zum Thema: „Das hat mehrere Gründe. Eine gewisse generelle Sättigung und Arroganz des englischsprachigen Marktes; eine gewisse Beschränkung der deutschen Autoren auf Stoffe und Themen, die kaum als weltbewegend angesehen werden können.“ Hinzukommt, dass die mehr oder weniger staatliche Förderung von Übersetzungen einheimischer Krimis in andere Sprachen hierzulande lange nicht die Intensität und den Weitblick etwa skandinavischer Länder aufweist. Einige Höhepunkte deutschsprachigen Krimischaffens verlangen zudem fähige Übersetzer, da in diesen Romanen Sprache nicht nur als Transportmittel von Handlung funktioniert. Fähige Übersetzer brauchen Zeit und eine halbwegs ordentliche Bezahlung, an beidem hapert es generell, im Krimisegment noch offensichtlicher.
Aber es geht ja gar nicht um Qualität. Der Wunsch nach internationaler Reputation ist der Wunsch nach Profitmaximierung, wogegen in unserer Zeit wenig gesagt werden kann, Marktwirtschaft läuft nun einmal so. Und sie läuft unweigerlich über Normen, über, Gohlis erwähnt es, „Weltbewegendes“, worunter nicht nur der Verzicht auf das Thematisieren nationaler Befindlichkeiten und Eigenheiten gemeint ist, sondern die Verwendung all jener Versatzstücke, die nun einmal den modernen Massenthriller konstituieren. Serienmord und durch Action generierte Hochspannung, windschnittige Dramaturgie und eben alles, was gerade so angesagt ist im globalen Krimidorf.
Natürlich ist das nur ein Teil der Wahrheit. Die Schweden etwa haben sich schon sehr früh und mit großem Erfolg ein eigenes Muster gezimmert, Ermittlerbiografie und kritische Gesellschaftsbeschreibung als attraktive Melange. Und sie mussten dies auch tun, denn ein einwohnermäßig kleines Land vermag seine AutorInnen nur dann zu ernähren, wenn die Fleischtöpfe außerhalb der Landesgrenzen erobert werden können. Island ist da ein noch extremeres Beispiel, knapp 300.000 Einwohner, davon wird die inzwischen stattliche Zahl von SpannungsproduzentInnen nicht satt.
Das ist der Punkt. Haben wir, die wir doch auf knapp 100 Millionen deutscher Muttersprachler zurückgreifen können, es überhaupt nötig, nach internationaler Anerkennung zu streben? Prinzipiell schon, denn auch anderswo gelesen und geschätzt zu werden, ist ein Wert an sich, befriedigt. Eigentlich aber hätten wir doch bei uns genug zu tun mit dem Etablieren, denn der deutsche Krimi ist, sobald er die engen Grenzen des Regionalen überschreitet, beim einheimischen Leser keine feste und positiv bewertete Größe. Klar, er muss sich der internationalen Konkurrenz erwehren, den Amerikanern, Eng- und Nordländern. Was genau mit den Mitteln, die auch bei der Eroberung des internationalen Marktes vonnöten sind, zu geschehen hat. Wer mit Mankell mithalten will, der schreibt eben wie Mankell. Wer das Segment „Blutrausch“ erfolgreich erobern will, der mordet mindestens so fleißig wie die auswärtigen Kollegen. All das zahlt sich gelegentlich aus, man denke an Sebastian Fitzek, an Andreas Franz, an Sabine Thieslers „Kindersammler“ – alles sehr grell, alles reichlich überdreht – alles leicht verkäuflich. Für weit über 90% der deutschen KrimileserInnen eine Alternative zur Importware.
Und der Rest? Heimst Kritikerlob ein, sieht Bestenlisten, kaum aber Bestsellerlisten von innen. Dahinter steckt natürlich ein allgemeines Literaturphänomen, dass – von Ausnahmen abgesehen – sich die Dutzendware besser verkauft als das originelle, „anspruchsvolle“ Produkt. Das ist in anderen Ländern kaum anders, fällt aber weniger auf. Maßstäbe werden schließlich von den Amerikanern, den Engländern gesetzt, die Erfinder dieser Maßstäbe bleiben originell im Gegensatz zu ihren Nachahmern.
Originelle AutorInnen haben wir hierzulande ebenfalls, sie sind aber weitgehend Minderheitenprogramm, gemessen am Kaufpotential im Noch-immer-Wachstumsmarkt Krimi. An internationalen Durchbruch ist angesichts des fehlenden nationalen nicht zu denken, und wahrscheinlich sollte man das auch nicht. Es gibt in Deutschland höchstens eine Handvoll wirklich origineller SchreiberInnen, die mit ihren Umsätzen halbwegs zufrieden sein, im Idealfall sogar davon leben können. Andere, die das nicht können und also das Krimischreiben als Nebenerwerb betreiben, kommen dazu. Heerscharen sind es dann immer noch nicht, aber wohl mehr als noch vor zehn, vor zwanzig Jahren. Ein Lichtblick.
Vor dem begreiflichen Wunsch nach Exporterfolg muss also zunächst der Binnenmarkt erobert werden. Wir reden jetzt von den „originellen Produkten“, denen, die sich nicht auf „weltbewegende Themen“ einlassen und nicht nach den globalen Mustern gestrickt werden. Was sie dringend brauchen, ist Förderung, sind Stimmen, die gelegentlich auch einmal laut werden, vielleicht sogar vorlaut, vielleicht sogar arrogant. Das Wecken von Leserinteresse funktioniert halt nicht immer über das blanke Argument, es muss auch mal dissonant trompetet werden.
Nicht dass ich mich der Illusion hingäbe, man könnte nun über Nacht die Hälfte der NormkrimileserInnen auf die andere, die „bessere“ Seite ziehen. Wem Krimi „spannende Unterhaltung“ und nichts anderes ist, der bleibt verloren. Das ist nicht tragisch, folgenlose Unterhaltung ein legitimes Bedürfnis. Worum es aber geht, sind die potentiellen LeserInnen etwas gediegenerer Krimiware, die gar nicht wissen, dass es so etwas auch hierzulande gibt. Ich kann dieses Potential zahlenmäßig nicht abschätzen, ich glaube aber, dass eine gemeinsame Anstrengung von AutorInnen, Verlagen, Kritikern und sonstigen „Multiplikatoren“ es schaffen könnte, diese noch unerreichte Leserschicht zu aktivieren. Das wäre nun praktisch das Gegenteil von „Exportanstrengungen“, das wäre vielmehr das Sich-Begnügen mit dem Feld vor der eigenen Haustür. Und die unverzichtbare Voraussetzung für einen auch internationalen Erfolg – in kleinerem Rahmen, wohlgemerkt – der besseren Sorte Kriminalliteratur.
sehr richtig. ich war letzte woche in der wiesbadener stadtbücherei auf der jagd nach deutschen autoren, ich kam auf fünf, und so jemand wie astrid paprotta war nicht dabei. 🙁
*ächzt
der rest war angloamerikanisch. es war wirklich schauderhaft.
Vielleicht sind sie auch einfach nur zu schlecht, die deutschen Autoren. Und dann werden auch noch die ganz schlechten, die gewollt „literarischen“ in den Himmel gehoben.
Und bei angloamerikanischen, handwerklich meist besseren Autoren fühle ich mich meistens doch solider unterhalten – wenn es mal um die reine Unterhaltung (statt Fernkasten gucken) geht.
Eigentlich wäre doch das Syndikat dafür zuständig deutsche Autoren und deren Bücher im In – und Ausland bekannt zu machen.Aber es gibt ja noch nicht einmal eine Englische Version davon.
Über 300 Mitglieder hat das Syndikat.Jede Woche einen krimirelevanten Beitrag, von sich abwechselnden Autoren, um wenigstens dem deutschen Leser, Krimi ein bißchen näher zu bringen.
Da unten schreibt Ekkehard Knörer über den deutschen Krimi:
http://www.perlentaucher.de/artikel/451.html