Laura Lippman: To the Power of Three

Mag es auch bei der Androhung von Wasser und Brot und der Lektüre von James Patterson – Büchern (oder jenen von Harlan Coben, Anne Chaplet … wie auch immer) im kalten wtd-Verlies untersagt sein, davon zu sprechen… drängt es sich dennoch auf, das Klischee: Laura Lippmans, von der Ästhetik Denis Lehanes „Mystic River“ inspiriertes Buch „To the Power of Three“ ist literarisch wie nur wenige Krimis. Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass Lippman sich in den letzten Jahren von einer guten zu einer außergewöhnlichen Schriftstellerin entwickelt hat.

Wie schon das fast subgenrebildende Vorbild erzählt Lippman eine Geschichte von drei Menschen, deren in die Kindheit zurückreichende gemeinsame Geschichte durch ein Verbrechen beendet wird. So einfach im Grunde die Rahmenhandlung auch ist, „To the Power of Three“ ist, ähnlich wie das Vorbild, eine vor Spannung knisternde Geschichte. Mehr noch als dieses, ist es jedoch eine Erzählung, die für sich selber wirkt.

Als die Sicherheitskräfte die Tür der Mädchentoilette der High School aufbrechen, finden sie dort drei junge Frauen. Seit der dritten Klasse waren diese befreundet, nun standen sie kurz vor dem Abschluss der Highschool: Kat, die beste und doch populärste Schülerin, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Perri, die Theaterkönigin der Schule und Josie, die Sportkanone. So wie es sich darstellt, hat Perri Kat erschossen, sich selber in den Kopf geschossen, und Josie hat bei dem Versuch zu helfen einen Fußdurchschuss erlitten … aber so ganz wollen die am Tatort gefundenen Spuren nicht mit dem von Josie berichteten Tathergang übereinstimmen, und statt den Fall einfach abzuschließen, versucht die Polizei die Widersprüche aufzulösen.

Lippman bricht die Erzählung der Geschichte über Zeit und Personen. Eine Vielzahl von Personen, die betroffen sind, durch das was da geschehen sein soll, wie Lehrer, Mitschülerinnen, Eltern, Polizei rücken in den Mittelpunkt. Während also die Polizei versucht, die Erzählung der einzigen Zeugin und die Spuren am Tatort zur Deckung zu bringen, der Vater von Kate in ein Loch fällt, da sich seine Tochter als Projektionsfläche seiner Erwartungen herausstellt, die anderen Eltern der beteiligten Schülerinnen gelähmt wirken, trägt so manche Schülerin der Schule die Bürde des Schweigens mit sich `rum. Zwischendurch geht Lippman immer wieder zurück in die Vergangenheit der drei Mädchen. Es sind jeweils kurze Einblicke nur, die dem Leser aber einen Anhalt dafür geben, wie sich ihre Freundschaft bildete und ausformte.

Diese unterschiedlichen Episoden, die erst einmal ungefügt beieinander stehen, wachsen im Verlauf des Buches zur Darstellung eines Vororts zusammen, in dem die weiße Mittelschicht noch unter sich ist und von der sozialen Gegenwart der übrigen USA nur äußerst wenig berührt wird und die Kinder durch den Zwang zu guten Noten, außerschulischen Leistungen und Zusatzqualifikationen von klein auf geprägt werden.

Erzähltechnisch gesehen hat „To the Power of Three“ keine Hauptperson, Lippman bedient sich einer leicht distanzierten Darstellung, die immer ein wenig schwebend und ironisch gewürzt wirkt, dabei dennoch den zahlreichen Personen gerecht wird und diese niemals verrät. Das ist zuweilen ausgesprochen witzig, ohne jedoch jemals ins Burleske abzugleiten. Besonders beeindruckt auch die Nonchalance, mit der Lippman gewissermaßen nebenbei den spannungssuchenden Leser bei der Stange halten kann.

Laura Lippman: To the Power of Three. 
Avon 2006. 448 Seiten. 6,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)

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