Darf man? Darf man nicht?

Unsere verfeinerte Zivilisation hat einige begrüßenswerte Errungenschaften gezeitigt. Dass in Gesellschaft weder gerülpset noch gefurzet werden sollte, zum Beispiel. Selbst die deutsche Krimikultur, mag sie als solche auch selten erkennbar sein, hat ihre Höflichkeitsregeln. Die erste und wichtigste: Beschmutze, oh Schaffende/r, niemals dein eigenes Nest! Hm. Aber genau das ist mein Problem.

Denn spätestens ab Juli 2008 werde ich wohl alle Bedingungen erfüllen, um einen Mitgliedsantrag beim SYNDIKAT, der Vereinigung deutschsprachiger KrimiautorInnen, stellen zu können. Rein theoretisch jedenfalls. Das sind dann also alles meine Kolleginnen und Kollegen, wir sitzen im gemeinsamen Nest und bemühen uns, nicht mit Dreck aufeinander zu werfen. Genau das tue ich aber seit geraumer Zeit – nicht mit Dreck werfen, aber doch die eine, den anderen meiner zukünftigen Mitschaffenden rezensionsmäßig am Näschen fassen, sozusagen. Und das darf ich dann nicht mehr?

Ich bin ratlos. Nein, besser: zerrissen. In Zukunft keine Krimirezensionen mehr? Oder nur noch positive (das darf man nämlich merkwürdigerweise immer!)? Wer kann mir bei dieser Entscheidungsfindung helfen? Niemand? Doch! Eine! Anne!

An Frau Chaplet scheiden sich die Geister. Nicht nur, was ihre literarische Produktion betrifft, aber das gehört eh zum Berufsbild, dass dich die einen lieben und die anderen nicht ausstehen können. Nein, was man Anne Chaplet vor allem verübelt, ist ihre Frechheit, auch vor KollegInnenschelte nicht zurückzuschrecken.

Nehmen wir den →Tagebucheintrag vom 21. August 2007. Es beginnt mit einem geschickten Verweis auf Chaplets Tätigkeit als FOCUS-Krimikritikerin. Wir erinnern uns: Im Focus kritisieren KollegInnen (außer Chaplet noch Henrike Heiland, Manuela Martini, Ralf Kramp, Harry Luck und Horst Eckert) KollegInnen, und zwar straight to the rules, also ausschließlich lobeshymnend. In ihrem Tagebuch weicht Anne davon ab und verflucht ihre Tätigkeit, „für die man manchmal auch Kriminalromane eines Blickes würdigen muß, die man lieber nicht zuende liest. Da wird oft derart ins Klischee gegriffen, daß man Margit Schreiner versteht, wenn sie sich vom Gedanken verabschiedet hat, es auch einmal mit einem Krimi zu versuchen.“ (Der Frau Schreiner möchte man ins Gebetbuch schreiben, dass nur der oder die aus dem Klischee nicht herauskommt, die bereits hüfttief drinsteckt.)

Hernach kommt sie – das Fräuleinchen Anobella wird’s freuen – auf Juli Zeh zu sprechen, die ja gerade das Genre aufmischt. „Was ist da wohl Großes zu erwarten von einer Autorin, die sich mit Nabokov vergleicht und bei der selbstredend nichts an der Oberfläche bleibt? Hoffentlich mehr als so ein unglaublich dummes Geschwätz.“

Und nach einem Klatscher für die Herren Kirchhof und Spinnen fasst die Chaplet zusammen: „Mit manchem möchte man sich eben nicht gemein machen. Nicht mit den Verhunzern des Genres, die sich bei mäßigen Autoren ebenso finden lassen wie bei den Echtliteraten, die zum zigsten Mal die Gesetze des Genres lustvoll brechen möchten. Würg.“

Wer sich so artikuliert, braucht in Deutschland um sein Image nicht zu fürchten. Eine Neiderin, ein Schandmaul, eine Wegbeißerin, doch, es gibt eine Menge Vokabular in unserer Sprache, die den Umstand geißelt, dass da eine die eigene Zunft massakriert. Tut man nicht. Kein Arzt tut das, kein Lehrer, kein Kritiker, kein Elektroanlageninstallateur. Man teilt natürlich aus, aber bitteschön immer extern. Der Arzt schimpft über den Lehrer, der Autor über den Kritiker, der Kritiker über die doofen Leser – Hauptsache, die Küken im eigenen Nest müssen keine Federn lassen.
Nun ist ja wer im Krimigewerbe zu tun hat, nicht per definitionem weltfremd und weiß also, dass einer und einem jeden die eigene Haut lieber ist als die fremde und eine negative Äußerung natürlich eine hinterhältige Waffe, mich in den Kleinkriegen des „Marktes“ zu behaupten. Nur: Als Generalverdacht taugt das nicht. Zumal ja wer wem ans Bein pinkelt auf das Zurückpinkeln vorbereitet sein muss. Ein wenig Aufmischen täte der Szene ganz gut, wobei wie so oft nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird. Mir gefällt ein Buch nicht, ich versuche zu erklären, warum es mir nicht gefällt – und das wars dann schon.

Was meinen nun die Leserinnen und Leser? Darf man, selber Krimiautor, die Ergüsse der Zunft überhaupt kritisieren? Und wenn ja: nur positiv, bitte? Oder, wenn schon, dann mit allen Konsequenzen, notfalls bis zum Verriss? Mir würde ohne letzteren schon etwas fehlen, obwohl ich lieber lobe (was mir jetzt kein Mensch glaubt, ich weiß). Um Antwort wird gebeten.

20 Gedanken zu „Darf man? Darf man nicht?“

  1. Erschtens: Warum willst du denn da rein, in diese Autorenvereinigung?

    Zweitens: Natürlich macht man das. Wehe, du kritisierst nur noch höflich und nicht mehr ehrlich.

    Drittens: Wo bleibt der Juli-Zeh-Anbetungsblog?

  2. Erschtens: Rein theoretisch, steht da. Ich könnte dann, wenn ich wollte…
    Zweitens: Das war deine Chance! Hättest du gesagt: Nee, darf man nich, weder noch, dann hätt ich den Blog zugemacht.
    Drittens: Arbeite dran. Header: Juli Zeh – die Krimifee.

    bye
    dpr

  3. So, jetzt können mir alle, alle, ALLE dankbar sein. Nur wegen mir hat dpr seinen Blog nicht zugemacht. Soll ich meine Kontonummer preisgeben? Die Anschrift für die Geschenke?

    Zumindest muss es in Ich-danke-Georg-Blog umbenannt werden.

    * ist und bleibt bescheiden

  4. Abwarten. Bisher haben sich erst zwei Personen zum Thema geäußert. Es können noch welche kommen, die NEIN! sagen. Ludger z.B. Dann wird der Blog geschlossen. D.h. es werden die Ja- und Neinstimmen ausgezählt…

    bye
    dpr

  5. Logisch. Ludger muss wieder im Bloggernest mit Dreck werfen (siehe Trackback unten). Als hätte ich es nötig, hier Werbung für eigene Erzeugnisse zu machen. Weiß doch jeder, dass man mir nur eine Mail schreiben muss (dpr@hinternet.de), um ein HANDSIGNIERTES, PERSÖNLICH GEWIDMETES Exemplar meines Krimis vorzubestellen. KLAPPENbroschur. Wohlfeil. Genreerneuernd. Da muss ich jetzt gar nix mehr zu sagen. Pfui, Ludger!

    bye
    dpr

  6. Ich finde, du solltest umschwenken und nur noch dein eigenes Buch verreißen…

    Nein, ernsthaft: Man darf alles, und ich fände es sehr schade, wenn dieses Blog hier dichtmachen würde. Dass man sich nicht immer beliebt macht, wenn man Kollegen kritisiert, nun gut. Da muss jeder selbst mit zurecht kommen, aber ich habe den Eindruck, du kommst da schon mit klar.

    Im Übrigen stimmt es nicht, dass die Mitglieder einer Zunft einander grundsätzlich schonen. Aus der Programmiererwelt könnte ich dir eine Menge Geschichten erzählen…

  7. Ach, gehe Du nur zu Deinen neuen Syndikatsfreundinnen und -freunden. Wenn Du dann Deine Kolleginnen und Kollegen verreisst, wirst Du Dich zurücksehnen an die schönen Bloggertage im Kreise der Dich Liebenden. Gegen den Zickenkrieg, denn Du DANN auszustehen hast, ist das Bloggernest eine niedliche Kuschelwiese.

    Harmonische Grüße
    Ludger

  8. sagt mal, ihr fallt auch auf alles rein. dpr und sein blog zumachen, dass ich nicht lache. seit ich ihn kenne – das geht jetzt WOHL ins dritte jahr, war er noch nicht EINEN tag offblog.

    *lacht perlend

  9. Sag‘ ich doch, liebe Anobella. Dieser ganze Aufruhr ist doch nur billiges Marketing für sein neues Buch.

    Ludger
    *durchschaut dpr
    ** überlegt schon mal Schlagzeilen für’s nächste Jahr

  10. wir müssen das jetzt alle bis zum nächsten juli, quatsch, er braucht ja rezensionen, also bis zum nächsten NOVEMBER (inkl. frankfurter buchmesse) ertragen. bis januar nur einmal in der woche (hab ein buch geschrieben, erscheint im juli), aber ab januar drei mal in der woche, ab mai jeden tag. ab juni zwei mal am tag, im juli wird es auf diesem blog kein anderes thema mehr geben.

    der kritiker dpr war zurückhaltend; der AUTOR dpr wird für uns alle eine PRÜFUNG werden.

  11. Ja. Eine Prüfung. Neue Variante: Wenn nicht bis Jahresende 999 Vorbestellungen eingegangen sind, wird der Blog geschlossen. Muss sowieso mehr Zeit in meinen Juli-Zeh-Anbetungsblog investieren. Und meinen Anobella-und-Ludger-Schmähblog. Also: sofort vorbestellen! Immer dran denken: Widmung! Erstausgabe! Später bei ebay verscheuern! Beste private Altersvorsorge, scheiß auf Riesterrente!

    bye
    dpr
    *hält nichts von billiger Eigenwerbung

  12. du kannst dein blog gar nicht schließen. es ist nicht dein blog. es ist walters und raphaels blog. und du bist nur ein fünftel der redaktion.

    *schiebt dich aus dem weg

  13. Ha! Werde den Verlag anweisen, dir KEIN Rezensionsexemplar zu schicken…für umme…noch was? Erweitert den Anobella-und-Ludger-Schmähblog zum Anobella-und-Ludger-und-Georg-Schmähblog. Außerdem hast du schon ein Exemplar vorbestellt. Habs schriftlich. Nicht für umme.

    bye
    dpr

  14. „der kritiker dpr war zurückhaltend; der AUTOR dpr
    wird für uns alle eine PRÜFUNG werden.“

    Oh, wie wunderbar formuliert, werte Anobella! Eine Prüfung wird es werden. Und wie furchtbar wird es erst, wenn er der Syndikatspräsident wird…

    Ludger
    * gruselt sich
    ** dpr wäre ein Grund, Nichtleser zu werden
    *** sieht das Funkeln des Wahnsinns in dprs Augen
    **** dpr ist der fleischgewordene Thrill…

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