Christoph Güsken: Dr. Jekyll und Mr. Voss

Über die Funktion des Lachens in der Literatur, somit auch in Kriminalromanen, könnte man ganze Bücher schreiben oder doch zumindest →längere Aufsätze. Abseits aller Theorie bliebe die simple Frage: Darf ich, wo gemeuchelt wird, überhaupt lachen? Lachen, weil etwas witzig ist und sonst gar nichts?

Die Frage stellt sich bei Christoph Güskens „Dr. Jekyll und Mr. Voss“ von Anfang bis Ende. Privatdetektiv Henk Voss ist reichlich heruntergekommen, „kaputt in Münster“ quasi. Zur Zeit verkauft er Papst-Currywürste, denn der Heilige Vater wird in der Stadt erwartet. Auch von einer merkwürdigen Gruppe, die sich „Die Bundeskanzler“ nennt. Terroristen? Der Emailwechsel der Herren Brandt, Kohl, Schröder sowie der Dame Merkel lässt jedenfalls nichts Gutes vermuten. Und dann wären da die Anschläge eines mysteriösen Herrn van Leezen, der die fahrradfreundliche Stadt Münster noch fahrradfreundlicher werden lassen möchte. Und dabei vor Mord nicht zurückschreckt. Oder?

Hat vielleicht Vossens Schulfreund Süverkrüpp, der bei sich selbst „Gefühlskälte“ diagnostiziert hat und Tabletten dagegen nimmt, seine Hand bei den Morden im Spiel? Voss, der von Süverkrüpp engagiert wurde, um ihn vor Dummheiten aus „Gefühlskälte“ zu bewahren, weiß es nicht.

Wir wissen es auch nicht. Dass aber die „Wirklichkeit“, in der Güskens Roman spielt, keine wie auch immer geartete authentische ist, das steht fest. Ein Heimatroman ohne Heimat halt. Der Text hangelt sich von einem Scherz zum nächsten, nicht jeder ist tatsächlich zum Lachen, zum Heulen jedoch sind die wenigsten. Krimi als Witzcontainer – und jetzt noch einmal zur Eingangsfrage: Darf man das überhaupt? Nun, wenn schon der Humor von „Dr. Jekyll und Mister Voss“ aus jeder ästhetischen Verantwortung fällt, dann auch aus jeder ethischen. Güskens Buch lebt von Situationskomik und Wortwitzen, wenngleich die nicht immer mit Wortwitz zu assoziieren sind.

Innerhalb der natürlichen Unlogik, in deren Klauen sich eine solche Handlung stets befindet, kriegt Güsken die Sache einigermaßen nachvollziehbar über die Bühne, die Auflösung ist von jener krimiimmanenten Schlüssigkeit, mit der auch 2 und 3 garantiert 5 ergeben, man aber besser nicht fragt, wo die 2 und die 3 herkommen.

Irgendwie ein unterhaltsames Nichts von Krimi also, auch nicht schlechter als ein durchschnittlicher „Tatort“ und mit 190 Seiten nur unwesentlich zeitraubender. Gibt Schlimmeres. Gibt Besseres. Wer auf Güskens Witzeschiene fährt, darf hier mal so richtig ablachen. Die anderen lassen es halt bleiben.

Christoph Güsken: Dr. Jekyll und Mr. Voss. 
Grafit 2007. 190 Seiten. 7,95 €

9 Gedanken zu „Christoph Güsken: Dr. Jekyll und Mr. Voss“

  1. Hey, ich dachte, du siehst dir den Tatort nicht mehr an.
    interveniert der Mann aus Berlin
    Zur Eingangsfrage: Natürlich. Lies Hiaasen, Lansdale, Westlake, Block, Bateman; – und der neue Jureztka animiert auch zum Verziehen der Gesichtsmuskulatur.

  2. „Gibt Schlimmeres. Gibt Besseres. Wer auf Güskens Witzeschiene fährt, darf hier mal so richtig ablachen. Die anderen lassen es halt bleiben.“

    Wunderbar wie Du, werter dpr, immer alles in Grund und Boden relativierst. Wo bleibt der Standpunkt?

    Herzlichst
    Ludger

  3. Aber, lieber Ludger, sollen wir wieder die alte „Schule der Rezensenten“ aktivieren? Rezensionen bestehen in der Regel aus zwei Teilen: Informationen und Meinung („Standpunkt des Rezensenten“). Meinen Standpunkt findest du in obiger Rezi an diversen Stellen. Etwa „Der Text hangelt sich … sind die wenigsten.“ oder „Innerhalb der … herkommen“ oder „Irgendwie…Schlimmeres“. Ganze Menge also, oder?

    Die von dir kritisierte Passage ist dagegen Information, die sich aus dem vorhergehenden „Standpunkt“ destillieren lässt und schlicht besagt: Nu, wer auf diese Art von Witzigkeit steht, wird bei Güsken nicht einmal schlecht bedient. Wer nicht drauf steht, sollte die Finger davon lassen, denn etwas anderes als diese Witzigkeit findet sich bei G. nicht. —

    bye
    dpr

  4. Nein, mein Bester, Du relativierst Deinen Standpunkt, in dem Du ausweichst auf diejenigen, die auf diese Art von Witzigkeit stehen (oder eben nicht). Mir ist egal was sie sagen, mir ist wichtig was Du sagst und destilierst.

    Liebe Grüße
    Ludger

  5. Nein, Ludger. Wo relativiere ich? Mein Standpunkt ist klar. Ich ziehe lediglich eine Schlussfolgerung, die als Information für den Leser wichtig werden kann, weil ich den Text für eine bestimmte Zielgruppe empfehle. Das ist also nicht relativierend, sondern im Gegenteil konkretisierend.

    bye
    dpr

  6. manchmal bringt er mich um den letzten Nerv, der Rezensent. Hier z. B., wo er all‘ die bedeutungsschwangeren Namen aufzählt, aber nicht sagt, was es damit auf sich hat (von Jekyll bis Süverkrüpp … Leezen kann ich unmittelbar auflösen, aber das hilft mir auch nix). Aber ich werd’s wohl überleben.

  7. Das sehe ich nun anders, lieber dpr. Zunächst: Woher soll ich wissen, ob mir Herrn Güskens „Witzschiene“ gefällt? Falle ich also in jene Zielgruppe oder nicht? Zudem finde ich Zielgruppendefinitionen (jenes Buch ist für jene geeignet oder ungeeignet) grenzwertig. Was für Dich Konkretisierung ist für mich eher Abschwächung…

    Liebe Grüße
    Ludger

  8. Ach Kinners, nee! Wenn ich bei Literatur eines nun gar nicht mag, dann sind das bedeutungsaufgeladene Namen. Jekyll ist Stevenson, bei G. ist Jekyll Süverkrüpp, bei Süverkrüpp assoziiere ich sofort einen „kritischen Liedermacher“, der sich aber glaub ich nur mit einem p schreibt. Aber soll ich jetzt anfangen, mir Gedanken über den Zusammenhang von Stevenson und Güsken zu machen oder das Jekyllsche Element bei kritischen Liedermachern? Uaaaah!!!
    Aber jetzt die gute Nachricht: Ist auch völlig wurscht. Das Buch ist ein Scherzkrimi, was die „Zielgruppe“ nun schon mal um all jene reduziert, die dergleichen partout nicht lesen wollen. Und natürlich sind „Zielgruppen“ immer grenzwertig, aber das ändert nichts daran, dass es sie gibt. Oder ex negativo: Dieses Buch ist für die Zielgruppe derjenigen, die Carl-Hiaasen-Humor oder Lansdale-Humor bevorzugen, völlig ungeeignet. Mein Wort drauf.

    bye
    dpr

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