Duane Louis: Blondes Gift

(Vorbemerkung der Redaktion: Ja, Jochen kann auch loben! Hier! Lesen, staunen Sie! — Was unser Azubi Jochen nicht wissen kann – das Thema Pseudonyme haben sie in der Berufsschule nämlich noch nicht gehabt : Duane Louis ist niemand anderes als Duane Swierczynski, der als Duane Swierczynski in Deutschland wegen akuter Zungenbruchgefahr beim Aussprechen seines Namens kaum Bücher verkauft hätte. Erst im Februar hat Bernd ein Swieurargh- oder wie-der-heißt-Buch besprochen. →Hier.

Wenn man die Prämisse erst mal geschluckt hat, wird „Blondes Gift“ zu einem äußerst unterhaltsamen Lesevergnügen. Aber die Grundidee hat’s in sich: Wissenschaftler erzeugen Nanomaschinen, Mary Kates genannt (nach den umtriebigen Olsen Zwillingen), deren Träger nach der Injektion von einer Ortungsstation aus jederzeit überwacht werden können. Quasi ein biologisches GPS. Dummerweise hat einer der führenden Wissenschaftler einer unangepassten Mitarbeiterin ein modifiziertes Serum gespritzt. Derart verändert, dass dem Träger, im wahrsten Sinne des Wortes, der Schädel platzt, entfernt er oder sie sich mehr als 3 Meter von einem lebenden Wesen.

Das Buch klärt die Frage nicht, ob unbedingt Menschen in der Nähe sein müssen, oder Hund, Katze, Maus auch zählen. Wie auch immer: die infizierte Kelly White hinterlässt eine blutige Spur auf der Flucht vor ihren Häschern. Denn die Infektion weiterzugeben ist ein leichtes: ein Küsschen hier, ein Küsschen da, ein kleiner Austausch von Körperflüssigkeiten, und der One Night Stand wird zu einer explosiven Angelegenheit. Und auf dem zaghaften Weg dorthin kommt unser ahnungsloser Antiheld Jack Eisley ins Spiel. Ein Drink mit der süßen Blonden an der Bar, alles ganz easy. Wenn sie nicht nachher verkünden würde, dass Jack, ohne Verabreichung eines Gegenmittels, nur noch 10 Stunden zu leben hat. Der Grund? Eine nicht nachweisbare letale Dosis Gift im Glas. Jack glaubt ihr natürlich kein Wort, doch nachdem die ersten Symptome ausbrechen, die die blonde Schöne so bilderreich geschildert hat, macht er sich panisch auf die Suche. Er findet seine potentielle Mörderin und hat am Ende eines kleinen Handgemenges nichts Eiligeres zu tun, als sich mit den Mary Kates zu infizieren. Danach besteht sein Leben aus dem Kampf um menschliche Nähe. Was eine verdammt harte Angelegenheit sein kann.

Ein paralleler Handlungsstrang erzählt vom ziemlich absonderlichen Heimatschutzagenten Mike Kowalski, der einerseits zur Befriedigung seiner eigenen Rachegedanken unterwegs ist, sowie im Auftrag seiner Vorgesetzten fast zwangsläufig auf Jack und Kelly stößt – und auf eine finstere Intrige.

Duane Louis variiert mit „Blondes Gift“ die Grundideen des Noir Klassikers D.O.A. („Opfer der Unterwelt“ von Rudolph Maté, bzw. die schwächere Neuverfilmung mit Dennis Quaid und Meg Ryan von 1988, „Bei Ankunft Mord“) und Martin Scorseses „Die Zeit nach Mitternacht“ zu einem aberwitzigen, spannenden und stellenweise hundsgemeinen Gebräu. Er schafft eine Vielzahl absurder Situationen aus Jacks unfreiwilliger und abenteuerlicher Reise durch die Nacht und den darauf folgenden Tag. Denn nicht nur in menschenleeren Gegenden, selbst in Krankenhäusern ist es ein kompliziertes Unterfangen, das tödliche Drei-Meter-Edikt nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Stellenweise erinnert Jack Eisley dabei an Charlie Hustons „Prügelknaben“ Hank Thompson, wobei ihm nicht ganz so brutal mitgespielt wird, und gewalttätige Explosionen seinerseits ausbleiben – bis zur herzlich fiesen Schlusspointe.

„Blondes Gift“ ist ein nahezu perfekter Unterhaltungsroman mit Widerhaken. Natürlich lässt sich ein Schielen in Richtung Kinoleinwand nicht verleugnen, etliche Gags warten geradezu auf ihre Visualisierung, doch Louis ist es gelungen, ein schnelles, schnörkelloses, teilweise ruppiges und von jeder heulsusigen Larmoyanz freies Buch zu verfassen.

„Take a seat, calm down, relax – until you die“. Jason Myers, “The Measures Of Pleasures”

Duane Louis: Blondes Gift. 
Heyne 2007. 336 Seiten. 7,95 €
( Original: „The Blonde“,St. Martin’s Minotaur 2006, deutsch von Frank Dabrock)

4 Gedanken zu „Duane Louis: Blondes Gift“

  1. Dabei weiß ich gar nicht, was an „Swierczynski“ so schwierig sein soll [muss wohl eine „latente“ Polophobie sein].

    Beste Grüße

    Bernd Kochanowski

    PS. Abgesehen davon, dass „Swierczynski“ einen besseren Wiedererkennungswert hat.

  2. So, so, nicht geschwänzt!? Und wieso liegt gerade ein blauer Brief der Saarländischen Rezensenten-Berufsschule vor mir auf dem Schreibtisch? – Wir sprechen uns noch!

    bye
    dpr

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