Kapitel XVIII

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Was bisher geschah: Wickius und Claudine Schrunz sind zurück in Deutschland, nachdem sie auf der künstlichen Insel IDIOT in der Südsee aufgeräumt und sämtliche Krimischaffenden dort quasi vernichten haben. Sie retten dpr aus Seenot und verhören ihn streng. Hier nun die von ihm selbst schriftlich fixierte Aussage…

„Ich wurde als siebter Sohn der Eheleute Hermine und…. nein, bitte nicht schlagen! Okay, ich fasse mich kurz! – Also denn: Nachdem ich die Strafe, welche ich ungerechterweise wegen Heiratsschwindels in 23 Fällen erhalten hatte, abgesessen…aua! Noch kürzer? – Bittschön. Darf ich noch einmal einen Satz mit „Nachdem…“ beginnen? Danke.

Nachdem mein Vorschlag, alle künftigen Opel Corsa mit Feinstaubzählern auszurüsten, abgelehnt worden war, kündigte ich meinen Job als Projektleiter der Marketingabteilung, kassierte eine sechsstellige Abfindung und begann mich als Privatier einzurichten. Es ging mir gut. Nur die an drei Exgattinnen zu leistenden Unterhaltszahlungen bereiteten mir Kopfzerbrechen, da sie mein Vermögen über Gebühr beanspruchten und es folglich wie Butter in der Sonne….DOCH! Das gehört dazu! Das ist wichtig! Wenn ich jetzt vielleicht weitermachen….

Also. Ich schaute mich nach einer neuen Beschäftigung um, indes ohne Erfolg, was der Wirtschaftslage geschuldet ist. In meiner reichlichen Freizeit widmete ich mich meinem großen Hobby, dem Lesen von Kriminalromanen. Seit ich denken kann – das wird jetzt auch schon wieder ein paar Jährchen her sein – liebe ich die Romane von Karin Slaughter und Petra Hammesfahr, Andreas Franz und Dan Brown. Auch Edgar Wallace vermag mich immer wieder aufs Neue zu packen, die Christie indes ist mir zu intellektuell und Chandler oder wie der heißt hat doch eigentlich überhaupt keine Krimis geschrieben, jedenfalls weiß man meistens sofort, wer der Mörder ist, bei der Highsmith auch, das ist was für pubertierende Linksintellektuelle.

So oft es mir meine Zeit erlaubte – und sie erlaubte es aus den vorgenannten Gründen beinahe täglich -, besuchte ich die einschlägigen Buchhandlungen unserer Stadt und las mich durch die Krimineuerscheinungen. Besonders die kleine Buchhandlung von Herbert Schlöns hatte es mir angetan, obwohl sein Angebot an Kriminalliteratur überschaubar war. Doch arbeitete bei Schlöns eine bezaubernde junge Dame, deren Anblick meinen tristen Alltag zu erhellen vermochte, wenngleich ich nicht auf den Gedanken verfallen wäre, dieses ätherische und hochgebildete Wesen (schließlich war sie Buchhändlerin, was knapp unter Nobelpreisträgerin rangiert, rein bildungsmäßig) anzusprechen. Ich interessiere mich kaum für Triebabfuhr. Meine allesamt gescheiterten Ehen entsprangen einem meinerseitigen Akt des Mitleids mit den Frauen, die sich – ich weiß nicht warum, ahne es jedoch – zu mir hingezogen fühlten. So war das schon immer, es liegt wohl an meiner äußeren Erscheinung und nicht von ungefähr nennt man mich den saarländischen Beckham.

Jedenfalls: Eines Tages – oh, wie könnte ich ihn jemals vergessen! – weilte ich wieder einmal bei Schlönsen und las mich durch die Anfangskapitel des neuen Donna Leon. Wie immer langweilte mich die Dame sehr. Das ist einfach Bildungsbürgergeschwätz, wenn sie mich fragen, und ich war dreimal in Venedig – jedesmal auf Hochzeitsreise -, das ist eine supertriste Stadt, noch trister als Triest, ständig unter Wasser gewissermaßen, aber so sind nun mal die Italiener, man wartet jahrhundertelang auf einen Klempner. Jedenfalls war ich also bei Schlöns, blätterte mich etcpp —- da höre ich ihre Stimme direkt an meinem Ohr. IHRE STIMME! Sie ist zart und doch bestimmt, betörend wie der Duft von Hagebutten, also wenn Wörter riechen könnten, meine ich jetzt.

Und diese Wörter lauteten: „Sie scheinen ja ein Fachmann für Kriminalliteratur zu sein, mein Lieber. Wollen wir uns nicht mal darüber unterhalten? Ich hätte heute abend Zeit. Laden Sie mich zum Essen ein? Beim Italiener um die Ecke?“

Ich wagte kaum zu atmen, geschweige zu antworten. Ein verwirrtes Nicken brachte ich zustande, verließ ohne Einkauf die Buchhandlung – es war dreizehn Uhr -, irrte wie in Trance und von Sinnen durch die Stadt – fünfzehn Uhr -, genehmigte mir einige Biere und Schnäpse – sechzehn Uhr -, irrte abermals durch die Stadt – siebzehn Uhr dreißig – trank nochmal ein paar Schnäpse – achtzehn Uhr – und stand, leicht wankend schon, vor Schlönsens Etablissment – achtzehn Uhr vierunddreißig -, dessen Tür sich sogleich öffnete und jenes himmlische Wesen auf die Straße und gewissermaßen in meine Arme entließ.

Der Aufenthalt bei „Da Luigi – hier wird nicht geschossen“ entwickelte sich zunächst vielversprechend. Wir aßen Antipasti und Pasta, tranken Lambrusco und Grappa, erzählten uns unsere Leben – das heißt: Ich erzählte ihr meines, sie schwieg zumeist und hörte anteilnehmend zu -, verdrückten ein Dessert – ich weiß nicht mehr was – und rüsteten uns für das After Eating Event, wie ich es als Marketingexperte immer nenne, also entweder zu ihr oder zu mir und dann ab in die Kiste.

Doch es kam anders. Nachdem der Nachtisch – es war, jetzt erinnere ich mich wieder, Mozarrellacreme an frischen Johannisbeeren – verzehrt, meine Lebensgeschichte erzählt war, sah mir Anobella – denn um keine andere handelte es sich – tief in die Augen, so tief in die Augen…meine Herrn, das können Sie sich gar nicht vorstellen!, mir wurde gleich ganz anders und, nein, ich habs nicht so mit der Triebabfuhr, das klingt doch wie Müllabfuhr, oder?, aber dieser tiefe Blick, der hat mich…nun gut. Sie blickte mir also tief in die Augen und sagte:

„Ich hätte da einen Job für Sie. Krimistrohmann, das wärs doch. Kann jeder Depp, aber Sie können das besonders gut.“

Die Erotik war mit einem Schlag dahin. Es ging jetzt ums Geschäft. Anobella bot mir an, einen sogenannten „Krimiblog“ zu eröffnen und unter meinem Namen Beiträge zu veröffentlichen, welche man mir – anonym! – zuspielen würde. Tausend Affen, also Euro im Monat seien da schon drin, genug, die Ansprüche meiner dritten Ehefrau zu befriedigen, dieser stinkfaulen Schlampe, die….okay, okay, das tut jetzt nichts zur Sache.

Ich willigte ein. Wir trennten uns als Geschäftspartner, was mich einerseits betrübte, andererseits aber beruhigte, denn wiegesagt habe ich es nicht so mit dem Sexuellen und Anobella machte nicht den Eindruck, als lägen ihre Erwartungen an Männer auf Normalniveau, also die übliche Gymnastik und so, da hat sie einfach höhere Ansprüche, wie ich jetzt weiß, aber dazu komme ich gleich noch.

Bereits am nächsten Tag erhielt ich eine erste Mail mit Anweisungen. Bei einem gewissen Mitty sollte ich mich melden, dem Chef einer Internetillustrierten namens Hinternet. Ihm anbieten, einen Krimiblog zu betreiben, er wisse schon Bescheid. Ich tat wie geheißen. Und so wurde ich „dpr“, der legendäre dpr, ganze Generationen von Krimibloggern opfern mir auf dem Alter ihrer Hausgötter, völlig zu Unrecht, denn dieses Zeug, das da unter meinem Namen erscheint (ich erhalte jeweils Sonntags die Beiträge für die folgende Woche, immer per Mail, immer anonym), ist absoluter Schwachsinn, wenn Sie meine Meinung hören wollen. Wollen Sie nicht? Auch gut.

Das Geld kam stets pünktlich. Zunächst tausend Affen, später fünfzehnhundert, schließlich zweitausend. Ich musste dafür meinen Namen auch für obskure Druckerzeugnisse hergeben, Krimijahrbücher und so ein Zeugs, alte Krimis auch. Interessiert mich alles herzlich wenig, aber solange die Kasse stimmt…

Dann nahm das Unglück seinen Lauf. Ich besuchte Schlönsens Geschäft nur noch sporadisch, vermied auch jeden Blickkontakt mit Anobella, merkte jedoch zu meiner vollständigen Betroffenheit, dass, je mehr ich die Bezaubernde ignorierte, desto schlimmer die Kraft der Liebe in mir rumorte. Das Schlimmste aber: Anobella ging es ebenso, wie sie mir später offenbarte! Und es kam deshalb, wie es logischerdings kommen musste: Wir gaben uns einander hin. Rein platonisch, natürlich. Bitte zwingen Sie mich jetzt nicht, ins Detail zu gehen. Es war und ist schön – das muss genügen.

Nach und nach erzählte mir Anobella alles. Von den prominenten KrimischreiberInnen aus Politik, Wirtschaft und Showgeschäft, die ihre Erzeugnisse unter Pseudonym veröffentlichen müssten und dass man diesen Pseudonymen quasi ein Gesicht, eine Biografie gibt, also Strohmänner und Strohfrauen einsetzen würde. Sie nannte auch Namen – Sie kennen sie von der Liste. Mein Krimiblog wird vollständig von Herrn Oskar Lafontaine gefüllt, manchmal schreibt auch seine Frau Christa Müller als „Anobella“, doch sei sie, Anobella, eigentlich die Strohfrau für Frau Claudia Roth, die Politikerin, die gleichzeitig und unglücklicherweise ihre Schwester ist. Nein, sie wisse nicht, wer hinter dem Ganzen stehe. Eine Organisation, sicherlich. Sie nennt sich „Händler des Todes“. Mehr wisse sie nicht.

Je ausführlicher sie mir das erzählte, desto mehr muss sich ihr schlechtes Gewissen geregt haben. Ich beging nun den schlimmen Fehler, meinem Mitblogger, dem „Unvergleichlichen“, in einer schwachen, von Alkohol bestimmten Stunde, alles auszuplaudern. Der Unvergleichliche schrieb es auf – und musste sterben. Wahrscheinlich hatte er eine Idee, wer hinter den „Händlern“ steht, versuchte sie zu erpressen – das traurige Ende kennen Sie ja.

Und Anobella wollte aussteigen. Auch sie traf die harte Hand der „Händler“, Sie entsinnen sich des Anschlags im Friseursalon. Danach tauchte sie unter, zog nach Wiesbaden. Ich habe ihre Adresse und Sie können sie gerne besuchen und selbst befragen.

Ob ich nicht vielleicht doch eine Idee hätte, wer die „Händler“ sein könnten, wollen Sie wissen? Also…ich habe einen vagen Verdacht. Vielleicht irre ich mich, aber könnte es nicht sein, dass…“

Hier endete das Geständnis dprs. Anna Beller schnaufte und sah zur Schrunzen, die die ganze Zeit erwartungsvoll am Tisch gesessen und geschätzte zehn Tassen starken Kaffees konsumiert hatte.

„Und Wickius ist jetzt bei dieser Schl…dieser Anobella in Wiesbaden? Verhört sie? Hoffentlich so, wie man früher Hexen verhört hat. Gibt es schon neue Ergebnisse? So antworten Sie doch! Ich bin schließlich die Ordnungsmcht von uns beiden!“

Claudine Schrunz lächelte.

„Wickius hatte selbst einen Verdacht, und die Aussage dprs und die der Anobella scheinen ihn zu bestätigen. Jetzt, in diesem Moment, ist er auf dem Weg nach Saarbrücken, zum großen Showdown gewissermaßen. Er wird die „Händler des Todes“ entlarven und ihrer gerechten Strafe zuführen. Sind Sie bereit? Ziehen Sie sich endlich was an, dann können wir gehen. Wickius wird uns brauchen…“

3 Gedanken zu „Kapitel XVIII“

  1. *liebt dich zurück

    jeder absatz eine textidee: „Ich wagte kaum zu atmen, geschweige zu antworten. Ein verwirrtes Nicken brachte ich zustande, verließ ohne Einkauf die Buchhandlung – es war dreizehn Uhr -, irrte wie in Trance und von Sinnen durch die Stadt – fünfzehn Uhr -, genehmigte mir einige Biere und Schnäpse – sechzehn Uhr -, irrte abermals durch die Stadt – siebzehn Uhr dreißig – trank nochmal ein paar Schnäpse – achtzehn Uhr – und stand, leicht wankend schon, vor Schlönsens Etablissment – achtzehn Uhr vierunddreißig -, dessen Tür sich sogleich öffnete und jenes himmlische Wesen auf die Straße und gewissermaßen in meine Arme entließ.“

    **sieht, was gut ist
    ***so keep going!

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