Was bisher geschah: IDIOT, die künstliche Südseeinsel, auf der das deutsche Krimischaffen trainiert und erneuert werden sollte, ist untergegangen. Wickius und Claudine Schrunz treiben in einem Schlauchboot auf dem Pazifik und haben mehr oder weniger guten Sex. Dpr ist offensichtlich auch entkommen, Ludger Menke leider nicht. Die Beller hat gerade den Inhalt der Flaschenpost, die Wickius zwischen den Akten ins Meer geworfen hat, gelesen und ist sauer. Da klingelt es an der Tür…
Die Beller erschauderte. Das war SEIN Klingelzeichen! Sofort begannen in der imposanten Frauenbrust die widerstreitenden Gefühle zu toben, hob und senkte sich die umkämpfte Zone, wo Liebe und Hass, Hingezogenheit und Abgestoßensein gegeneinander einen aussichtslosen Kampf ausfochten, denn jede Frau – die Beller wusste das – wird zwischen den Sentimentalitäten hoffnungslos hin und her gerissen, bis eines Tages wie im Arztroman der Held ihrer Träume erscheint und das Weibchen in die Langeweile immerwährender Harmonie und Kindbettfreuden erlöst.
Philosophier nicht, Anna, wies sich die Beller zurecht, steh auf und öffne die Tür, mach dem Schwein die Hölle heiß. Es klingelte zum zweitenmal.
Bevor jene Person, die nun der Beller gegenüberstand, auch nur ein Wort sagen konnte, wusste die Kommissarin, wen sie vor sich hatte. Wickius hatte sie ja plastisch genug beschrieben.
„Guten Morgen, mein Name ist…“
Weiter kam Claudine Schrunz nicht.
„Ich weiß, wie Sie heißen, Sie Schlampe! Wo ist Horatio? Was haben Sie mit ihm gemacht?“
Die Augenschlitze der Schrunz verengten sich. Sie stieß die Beller zur Seite und betrat die Wohnung, wie es amerikanische Geheimagentinnen zu tun pflegen.
„Lassen Sie Ihre alberne eifersüchtige Stutenbissigkeit. Es geht um Wichtigeres, Höheres. Das Gleichgewicht des Planeten steht auf dem Spiel!“
Die Beller griff resolut in das üppige und weiche Haar der Schrunz, welche aber auf solche Attacken vorbereitet zu sein schien, sich elegant nach vorne beugte und die Beller über die linke Schulter abrollen ließ.
„Nehmen Sie endlich Vernunft an“, fauchte sie. „Kochen Sie uns eine Tasse Kaffee, dann erzähle ich Ihnen alles!“
Die Beller kochte Kaffee. Man setzte sich an den Küchentisch.
„Ich höre“, sagte Anna und blickte herausfordernd zur Schrunzen. Diese seufzte einmal tief und begann sodann ihren Bericht.
„Wie Ihnen aus der Flaschenpost bekannt sein dürfte, gerieten Horatio und ich in Seenot. Wir saßen in einem hochseeuntüchtigen Schlauchboot mitten auf dem unermesslich weiten Pazifik und trieben Richtung Java. Es war langweilig. Wir nutzten die Zeit, so gut wir konnten.“
Die Beller schnaufte verächtlich, die Schrunzen tat so, als hätte sie es nicht bemerkt und sprach weiter.
„Nach einer Woche erblickten wir einen Menschen im Wasser. Er war erschöpft. Wickius erkannte ihn sofort. Es war kein Geringerer als dpr, dessen Motorboot gekentert war, wie er uns erzählte, nachdem wir ihn an Bord unseres Gefährts gezogen und mit Wasser erfrischt hatten. Und er sagte noch mehr. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu erzählen. Wickius nickte es ab. Es bestätigte alles seinen Verdacht.“
„Welchen Verdacht?“ drängte Anna, doch auch diesmal tat die Schrunzen so, als höre sie es nicht.
„Jedenfalls erreichten wir schließlich Java. Ich organisierte unsere Weiterreise nach Deutschland, wo sich Horatio SOFORT bei Ihnen melden wollte, glauben Sie es nur, doch ich riet ab. Sein Leben war in Gefahr. Er brauchte ein gutes Versteck. Nachdem wir dpr mit Hilfe der CIA zu einer neuen Identität und neuen Papieren verholfen hatten – er heißt jetzt Charles DeBaker und lebt als Immobilienhändler in New Orleans -, suchten wir einen Ort, an dem Wickius ungefährdet die geeigneten Maßnahmen zur Entlarvung der Verbrecher vorbereiten konnte.“
Die Beller sprang auf und begann zu schreien.
„Wo ist er? Was hat er vor? Welche Verbrecher, verflucht?!“
Ganz ruhig antwortete die Schrunzen: „Mäßigen Sie sich. Wickius geht es gut. Er hat in Wiesbaden bei Anobella Unterschlupf gefunden.“
Das war nicht die Antwort, die imstande war, Anna Beller in irgendeiner Art und Weise zu mäßigen.
„Anobella?“ schrie sie und lachte dreckig, „Nach der Amischlampe nun die Hessenschlampe oder was? Liegt die nicht noch angesengt im Krankenhaus?“
Claudine Schrunz schüttelte ihren exotischen Kopf.
„Sie ist wieder gesund. Und sieht schöner denn je aus!“
„Das ist keine Kunst bei der Vogelscheuche!“ parierte die Beller. Ihr schwindelte. Hatte sich Wickius, der Enthaltsame über Nacht in ein Sexmonster verwandelt? Nun, es wäre ihr recht gewesen, hätte sich diese Monströsität auf ihren, der Beller Körper beschränkt. Sie beherrschte sich. Sei jetzt professionell, Anna. Du bist eine deutsche Beamtin und hast gelernt, dich unter Kontrolle zu haben. Aber wenn DAS HIER vorbei ist, wirst du sie dir alle einzeln vorknöpfen und sie genüsslich schlachten. Die Beller lächelte bei dem Gedanken selig in sich hinein. Die Schrunzen fuhr fort:
„Um es kurz zu machen. Das Verhör, welches wir mit dpr führten, hat also bestätigt, was Wickius bereits wusste, aber nicht beweisen konnte. Sämtliche deutschen Krimischaffenden sind nichts weiter als Attrappen. Strohmänner und Strohfrauen. Von Krimis, von Literatur gar verstehen sie gar nichts. Ausgenommen Juli Zeh, aber die zehlt nicht. Nehmen Sie bloß die Paprotta. Eine Autorin? Pah! Saß bei Aldi Offenbach hinter der Kasse. Oder Norbert Horst. Finanzbeamter aus Bielefeld. Oliver Bottini? Sportlehrer mit Plattfüßen. Henrike Heiland? Animateurin im Seniorenheim „Abendruh“ in Berlin-Schöneberg. Und so weiter. Alle nahmen eine neue Identität als Krimischaffende an, wurden gut dafür bezahlt und perfekt auf ihre Rolle vorbereitet.“
„Und die bestand darin –“, unterbrach Anna.
„Genau. Sie gaben die Manuskripte anderer für ihre eigenen aus. Die Manuskripte von Menschen, die aus naheliegenden Gründen nicht offenbaren konnten, Kriminalromane zu schreiben. Erinnern Sie sich an die Liste, die man beim toten Superblogger fand. Er war – wie auch immer – hinter das Geheimnis gekommen. Und dpr hat es uns bestätigt.“
„Dpr? – Richtig! Der veröffentlicht im Juli 2008 ja ebenfalls einen Kriminalroman! KLAPPENbroschur! Man hört bislang nur Gutes darüber!“
Die Schrunzen lachte.
„Dpr! Dass ich nicht lache! Ein erfolgloser Krimiblogger! Schürzenjäger, Nikotinmissbraucher, notorisch überschuldet. Der ideale Kandidat, als Strohmann für die kriminalschriftstellerischen Ambitionen von OSKAR LAFONTAINE herzuhalten!“
Die Beller öffnete ihren Mund und bekam ihn nicht mehr zu.
„Sie wollen damit sagen, dass…dprs Krimi, der im Juli 2008 als KLAPPENbroschur erscheinen wird – in Wahrheit von Oskar Lafontaine stammt?“
„So ist es. Übrigens wirklich ein hervorragender Krimi, das muss man Lafontaine lassen. Schreiben kann der. Der Roman wird Furore machen und es wäre empfehlenswert, sich hier ein handsigniertes Exemplar OHNE AUFPREIS vorzubestellen.“
„Handsigniert? Von dpr oder Lafontaine?“
„Von beiden gewissermaßen. Lafontaine wird dprs Unterschrift nachmachen.“
Anna Beller schwirrte der Kopf. Das bedeutete doch, dass Astrid Paprottas Romane von Angela Merkel geschrieben worden waren. Und die von Anne Chaplet von Anne Chaplet. Unglaublich!
„Unglaublich!“ fuhr es aus ihr heraus. „Aber was steckt dahinter? Oder besser: wer?“
Die Schrunz nahm einen Schluck Kaffee und starrte auf die Platte des Küchentischs.
„Das ist eine lange und unglaubliche Geschichte. Am besten lesen Sie das Geständnis, das wir aus dpr herausgeprügelt haben. Ich habe es dabei.“
Sie kramte in ihrer Umhängetasche und brachte einige mit krakeliger Schrift beschriebene Blätter zum Vorschein, die sie der Beller hinschob.
„Das ist Sprengstoff, meine Liebe! Sie dürften bereits ahnen, dass alleine die Tatsache einer krimischreibenden Bundeskanzlerin und eines ebenfalls krimischreibenden Vorsitzenden der Linkspartei diese Republik erschüttern kann. Aber die Dimensionen sind noch viel größer, schlimmer. Wahrscheinlich ist das kein deutsches, sondern ein globales Phänomen. Wir haben leider Grund zur Annahme, dass auch unser Präsident, der ehrenwerte Mister Bush, in seiner Freizeit Krimis schreibt und unter dem Namen eines Strohmanns veröffentlichen lässt. George Pelecanos. Der schreibt bekanntlich Washington-Krimis – und in Washington kennt sich Bush aus. Ebenso in Texas. Dort angesiedelte Romane dürfte er als „Joe R. Lansdale“ unter die Leute bringen.“
„Mein Gott!“ seufzte die Beller. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Ihr kam der schreckliche Verdacht, es handele sich bei all diesen unglaublichen Dingen um bizarre Hirngeburten des Autors und sie, die Beller, sein Geschöpf müsse solchen Schwachsinn nun ausbaden. Sie seufzte abermals. Es war in der Literatur wie im richtigen Leben: Man kann sich seine Eltern nicht aussuchen und ist ihren Launen hilflos ausgeliefert.
„Lesen Sie“, sagte Claudine Schrunz. „Ich werde mich etwas hinlegen. Ich glaube, wir könnten gute Freundinnen werden…“
Das glaubte die Beller keineswegs, sagte aber nichts. Sie nahm dprs Geständnis und begann zu lesen…
„das Weibchen in die Langeweile immerwährender Harmonie und Kindbettfreuden erlöst“? Zu viel Eva Herman gelesen, was?
Die Frau hat doch Recht! Was früher richtig war usw…und die 68er (also DU und Anobella!) sind an allem schuld!
bye
dpr
*für Frauenbefreiung rückwärts
v o g e l s c h e u c h e?
NA WARTE!
*wirft dich ins gefängnis!
„die 68er (also DU und Anobella!)“: Also soooo alt bin ich ja nun wirklich nicht! 68!
* grummelt
äh, ich a u c h nicht!
(78erin)
WAS? Du bist schon 78? Hast dich aber gut gehalten!