„Liberation Movements“ ist das vierte Buch innerhalb von Olen Steinhauers in der Zeit des kalten Krieges spielenden und auf fünf Bücher angelegten Serie. Im Vergleich zu den vorigen Bänden nimmt die Zahl der bespielten Orte ebenso zu wie die Zahl der Personen, aus deren Perspektive erzählt wird. Den Begriff der Serie sollte man bei Steinhauers Büchern nicht zu eng auslegen, es ist mehr ein Gespinst von locker verbundenen Fäden. Die Abteilung der Polizei, einige der Polizisten und die Stadt, in der die Polizei agiert, sind gleich geblieben. Aber schon die Stadt (und erst recht das Land) ist eigentümlich unscharf geworden. War man sich in den früheren Büchern sicher, in Rumänien zu sein, spielt sich die Geschichte jetzt in einem nicht genannten Land, irgendwo hinter dem eisernen Vorhang ab.
Steinhauer bewegt sich in Siebenmeilenstiefeln durch die Nachkriegszeit. Nahezu 10 Jahre liegen zwischen den Geschichten der einzelnen Bände. Erst im Rückblick fällt einem auf, wie sehr sich die Welt in diesen Zeiten verändert hatte. Auch in Steinhauers Büchern ist das so. Das wird noch verstärkt durch den Umstand, dass seine früheren Geschichten wenig Einfluss auf die neueren nehmen.
1975: Um auf den Genozid
durch die Türkei aufmerksam zu machen, kapern Armenier eine türkische Passagiermaschine, die auf dem Wege von dem nicht genanntem Land nach Istanbul war. Noch während der Gespräche der Entführer mit dem Tower wird die Maschine in die Luft gesprengt. In Istanbul warteten schon Brano Sev und Gavra Noukas. Sev war Hauptperson des letzten Buches, 36 Yalta Boulevard , diesmal ist er mit einer tragenden Nebenrolle als Manipulator im Hintergrund bedacht; er ist Noukas Mentor und führt ihn in die Arbeitsweise der Staatssicherheit ein. Sie sollten einen der ihrigen in der türkischen Metropole begleiten. Zurück in der Heimat beschäftigen sie sich, zusammen mit Katja Drdova, Mitarbeiterin der Polizei, mit der Aufklärung des Vorgangs. Irgendwie scheint Sev dabei immer ein wenig mehr zu wissen als seine beiden jungen Kollegen und die Aufklärung in eine ganz bestimmte Richtung lenken zu wollen.
Im Weiteren ist es in meinen Augen ein wenig unglücklich, dass sich Steinhauer eines Tricks bedient, um die Geschichte (und insbesondere die der unglücklichen Flugzeugentführung) voran zu bringen: Eine Frau taucht auf, die, mit besonderer Weitsicht geprägt, die allen möglichen Personen vorab sagt, wie sie sich zu verhalten haben werden.
„Liberation Movements“ widmet nicht ganz so innig seinem Personal, wie es die vorausgehenden Bücher getan hatten, die nur aus einer Perspektive erzählt worden waren, aber dennoch bleibt Steinhauer sich in einem wesentlichem Punkt treu: „Liberation Movements“ ist ein Buch über die psychischen und gesellschaftlichen Befreiungsbewegungen. Mag er auch eine Geschichte erzählen, wie Mitarbeiter von Staatssicherheit und Polizei Spuren folgen, Menschen ausfragen und Konspirationen aufdecken – sogar die „Freiheitsbewegungen“ des Westens tauchen auf – , im Grunde geht es doch um die Menschen, ihre Motivationen, Ängste und Zwänge. Es ist ein delikates Gleichgewicht, welches er zu wahren hat. Mehr noch als in den früheren Büchern scheint ihm das hier massenverträglich gelungen zu sein.
Olen Steinhauer: Liberation Movements.
St. Martin’s Minotaur 2007. 304 Seiten. 10,98 €
(noch keine deutsche Übersetzung)
„Siegenmeilenstiefeln“? Schöner Ausdruck.
Ja, ja, korrigiert. Und deinen doppelten Kommentar hab ich auch rausgeworfen.
bye
dpr
Wieso denn korrigiert? Kaum gibt es hier mal einen schönen blitzkriegmäßigen Ausdruck, schon wird er gelöscht… Wieder rein bitte.
* grummelt