Die Welt in naher Zukunft. Das US-amerikanische Irak-Abenteuer endet im Fiasko, in Bagdad haben die Iraner das Sagen. Und noch etwas besitzen sie inzwischen: Atombomben. Saudi-Arabien gibt es nicht mehr, das Land heißt jetzt Islamijah und wird von Gottesfürchtigen regiert, Fundamentalisten und gemäßigte Kräfte ringen um die Macht. China, immer öldurstiger, schickt „Berater“ nach Islamijah, Raketen sollen folgen, eventuell mit Atomsprengköpfen? Der Iran schließlich hat Interesse an den Emiraten. Keine Rolle in diesem Szenario spielen die EU und Russland, was denn doch ein wenig überrascht.
Im Gegensatz zu so ziemlich allem anderen in Richard A. Clarkes Roman. Tatsächlich bereitet es kaum Schwierigkeiten, aus den politischen Realien des Hier und Jetzt auf die jener nahen Zukunft zu schließen, in die uns der Autor entführt. Ja, so könnte das kommen, und auch der Mechanismus, mit dem die Mächtigen solche Wirklichkeiten zurechtbiegen, überrascht nicht wirklich.
Geheimdienste etwa sind längst nicht mehr dazu da, die Informationen zu beschaffen, an denen sich dann die Politik orientiert. Es ist genau umgekehrt. Die Politik gibt vor, welche Informationen sie benötigt, um ihre Interessen durchzusetzen, die Dienste haben gefälligst zu liefern. Der Irak-Trick eben. Und wie im Irakkrieg dreht sich auch in Clarkes Welt alles um Macht und Öl. Der Bösewicht ist der amerikanische Verteidigungsminister, der zwar nicht mehr Rumsfeld heißt, aber dem frappierend ähnelt. Er wird von der entmachteten Herrscherfamilie der Sauds finanziert und versucht alles, die neuen Kräfte im jetzigen Islamijah zu diskreditieren, um Vorwände für eine Invasion zu sammeln. Dabei schreckt er auch vor einer Kooperation mit den iranischen Erzfeinden nicht zurück.
Wenig überraschend. Wissen wir das nicht schon längst? Erzählt uns Clarke, als ehemaliger Berater der Clinton-Regierung naturgemäß kundiger Insider, Neues? Nun, muss er ja nicht. Nichts Neues, aber das, bitteschön, besser als in diesem Buch. Denn so seriös auch die Schilderung der verdeckten Abläufe sein mag und so politisch korrekt der latente Querverweis auf die Motivationen der Bush-Administration, so unbedarft geht der Romancier Clarke zu Werke.
Da er ja eine Geschichte erzählen und kein Sachbuch schreiben will, braucht er Personal. Die Bösen sind rasch gefunden, die Guten müssen sich über mehrere hundert Seiten mühsam zusammenraufen, auf dass sie am Ende recht komplikationslos die Welt vor dem Dritten Weltkrieg retten können. Diverse Geheimdienstler und Militärs, eine Journalistin und idealistische Zuträger aus dem Iran und Islamijah – sie agieren als Helden und bleiben als Personen eines Romans doch vage und in ihrer moralischen Eindimensionalität unglaubwürdig.
Nun spricht das im Krimi, der sich Thriller nennt, nicht per se gegen ein paar Stunden Kurzweil und leises Erschaudern, berücksichtigt man das, wie gesagt, nicht unvorstellbare Szenario. Nur, wiederholen wir es: Es gibt kaum Überraschungen in diesem Text. Gut gegen Böse, die Guten gewinnen, reichlich Action wird gestreut, es darf sogar hier und da menscheln, gar fürchterlich deklamieren muss so mancher auch noch (wärs ein Film, die Geigen würden dramatisch dazu schmatzen). Nun mag es ja angehen, dass die Wirklichkeit auch nur ein B-Movie ist. Doch selbst und gerade das erfordert ein Höchstmaß an Präzision bei der Gestaltung dramaturgischer Abläufe und des Figurentableaus.
Nicht jeder, der potentiell etwas zu erzählen hat, kann das auch. Und es würde zudem nicht überraschen, wenn sich die nahe Zukunft nicht an Clarkes Vorhersagen hielte. Vom Happyending ganz zu schweigen.
Richard A. Clarke: The Scorpion’s Gate.
Goldmann 2007
(Original: “The Scorpion’s Gate”, 2005, deutsch von Karin Dufner).
352 Seiten. 8,95 €