Es gibt Bücher, die lege ich aus der Hand und frage mich, ob ich den Zugriff auf das Genre verliere. Diese Bücher, sie sind nicht schlecht, erfahren anderswo häufig auch Lob und Zuwendung, aber sie lassen mich seltsam gefühllos zurück und scheinen mir den Aufwand nicht wert, sich zwei oder mehr Abende mit ihnen um die Ohren zu schlagen.
„Probable Cause“ von Theresa Schwegel ist so ein Buch. Die Autorin hat in den USA einen guten Namen, 2006 den Edgar für’s beste erste Buch gewonnen und soll intime, eindringliche “police procedurals”, schreiben. Bücher also, bei denen die Aufklärung eines Verbrechens von der Sicht der Polizei aus betrachtet wird und ein Einblick ins Innenleben des Polizeiapparates gewährt wird. Schwegel war schon eine Weile auf meinem Radar und eine lobende Erwähnung des Buches durch Glenn Harper
hatte mich veranlasst, das Buch zu kaufen.
„Probable Cause“ scheint mir auch von Joseph Wambaugh und seinem Realismus inspiriert, es geht also (anfangs) ‚ran an die Polizisten und ihren Befindlichkeiten. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht Ray Weiss‘ und gibt uns einen Einblick in dessen Gedanken und Gefühle. Weiss ist Rookie, Neuling im Revier und wie alle Rookies muss er durch den Initiationsritus. Vieles käme da in Frage, um den jungen Polizisten zu zeigen, wo sie stehen. Im Revier hat man sich jedoch etwas besonderes ausgedacht: Sie begehen Einbrüche. Begleitet durch einen älteren Kollegen sollen sie an einem vorbestimmten Ort einbrechen und ein oder zwei Gegenstände mitgehen lassen.
Weiss Einsatz, wenig überraschend, geht schief und statt Juwelen sieht er sich einer Leiche gegenüber. Zum Glück hat er eine erfahrenen Kollegen dabei, der den Tatort ordnet und den Fundbericht verfasst.
Weiss selber hat ein schlechtes Gewissen, dem Opfer gegenüber und weil er sich zu der Dummheit des Einbruchs hat hinreißen lassen. Er hat bei seinen Kollegen einen schlechten Stand, denn sein Großvater und sein Vater hatten es beide bei der Chicagoer Polizei zu etwas gebracht und er selber gilt als Warmduscher. Als seine Kollegen anfangen, die Sache einem Unschuldigen in die Schuhe zu schieben und Weiss weiterhin versucht, den wahren Täter zu finden, muss er auch noch fürchten, als Kameradenschwein dazustehen.
Fast so etwas wie ein „Entwicklungsroman“, eingebettet in ein komplexes Gefüge, weitere Verwicklungen wie ein Stalker und ein kompliziertes Privatenleben treten hinzu … alleine, da entwickelt sich nichts. Ein Satz seines Vater und – Puff! – aus dem grüblerischen Mann wird ein zielstrebiger Macher. Die Geschichte wird nicht von Charakteren bevölkert, sondern von Klischees, die nicht miteinander reden, sondern Floskeln austauschen und so ist es auch kein Wunder, dass es im Plotgebälk deshalb ächzt und knirscht.
Es hat auch mehr die Aura eines “police procedurals”, als tatsächlich eines zu sein. Den größeren Teil begleiten wir Weiss außerhalb der Polizei. Dass Polizisten oder die ganze Polizei korrupt ist wissen wir (oder meinen wir zu wissen) – geschenkt. Aber in den meisten Büchern, kommen die Personen dennoch etwas vielschichtigerer ‚rüber – zu Wambaugh fehlt hier viel.
Dabei schreibt Schwegel stilisti,sch gar nicht schlecht und das Buch lässt sich flott lesen. Sie hat den Plot von der Struktur her im Griff und wenn man mit den (Stereo)Typen leben kann, mag man sich vielleicht für die grüblerische Gestalt des Ray Weiss erwärmen. Ein Buch nicht zum an die Wand werfen, sondern, wie gesagt, zum Betäuben.
Theresa Schwegel: Probable Cause.
St. Martin Minotaur 2007. 320 Seiten. 5,99 €
(noch keine deutsche Übersetzung)