Morcheeba – Dive Deep

„Who Can You Trust“ (1996) und „Big Calm“ (1998) gehören zu den Vorzeigealben des Genres TripHop. Den Soundtüftlern Paul und Ross Godfrey gelang mit Hilfe von Stimme und Ausstrahlung ihrer damaligen Frontfrau Skye Edwards, den Bristoler Massive Attack-Sound etwas weicher zu gestalten und ihn von Album zu Album immer mehr mit der Catchyness zu versehen, die auch den Musikchefs der Popwellen dieser Welt die Entscheidung für die Singleauskopplungen der Londoner leichter machte.

Die größte Leistung von MORCHEEBA war und ist, den TripHop-Sound sanft in einer gehörgängigen Poplandschaft zu parken, die auch größeren als nur den angesagten Clubkreisen den Zugang ermöglichte. Wer zum TripHop wegen der mit ihm verbundenen inneren Unruhe und dem manisch-depressiven Songwritertum keinen Zugang fand, wen Portishead, Tricky, Moloko oder Massive Attack überforderten, der konnte doch meist über die poppigeren, anschmiegsameren Morcheeba den Weg zum Genre finden.

Als typische Band des Downtempo, der oft abwertend als „Fahrstuhlmusik“ deklassiert wurde, starteten Morcheeba spätestens mit den Alben „Fragments Of Freedom“ (2000) (erfolgreiche Single „Rome Wasn´t Built In A Day“), „Charango“ (2002) (erfolgreiche Single „Otherwise“) und „The Antidote“ (2005) (erfolgreiche Single „Wonders Never Cease“) ihren Weg über die Clubs in die Charts.

Dieses Jahr nun folgte das sechste reguläre Studioalbum (das 2003 erschienene Best Of-Album „Parts Of The Process – The Very Best Of Morcheeba“, „The Platinum Collection von 2006, das Live- und Akustikalbum „La Boule Noire“ von 1998 sowie Paul Godfreys Remixe für die „Back To Mine“-Reihe im Jahre 2001 nicht mitgerechnet). Es heißt „Dive Deep“ und beschreitet konsequent den von den Godfrey-Brüdern eingeschlagenen Weg weiter: ein großer Teil des Albums präsentiert sich in der oberen Mittelklasse des Vorzeige-Downtempo, mindestens fünf der insgesamt dreizehn Songs verdienen jedoch insbesondere mit Blick auf besagte coole, abgehangene Catchyness das Prädikat „Sehr Gut“:

  • „Enjoy The Ride“ mit Judie Tzuke, einer älteren, in Deutschland weniger bekannten Songwriterin, zu deren Songs Paul Godfrey schon in seiner Jugend einen Zugang hatte. Ein sanftes Streicherset und Ross´ Hammondorgel packen den Song mit rührender Vorsicht dick in Watte, bevor Sängerin Tzuke ihn mit ihrer weichen Stimme rund macht; der Hook ist stimmig und schmeichelt sich ins Ohr, Paul träufelt mit Fingerspitzengefühl an den richtigen Stellen seine raffinierten und zurückhaltenden Samplings ein. Ein wundervolles Stück und ein würdiger Opener, der bisweilen an die frühen Fleetwood Mac mahnt.
  • „Riverbed“, das zweite Stück des Albums, wartet mit einem weiteren Gast auf: dem Norweger Thomas Dybdahl. Auch hier wabert, gluckert und bimmelt es zurückhaltend im Hintergrund, auch dieser Song wird mit Vorsicht ge- und besungen, weich und warm, väterlich und versöhnlich Dybdahls Stimme, auch wenn er es nicht immer supersauber bis in die höchsten Höhen schafft. Nevermind, auch dieser Song ist ein Ausbund an perfektem Arrangements und sauberer Komposition. Jaja, das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss – und der fließt in „Riverbed“.
  • „Run Honey Run“ ist die einzige Coverversion, die MORCHEEBA je auf ein Album gepresst haben. Der Song stammt aus John Martyn´s alten Folktagen. Diese Folkbasis hat Paul bewahrt und behutsam mit elektronischer Patina überstrichen. So klingt „Run Honey Run“ wie der Prototyp eines MORCHEEBA-Klassikers. Gastsänger ist Bradley Burgess.
  • „Flowers“ wagt phasenweise den Ausflug in den Rap-Bereich. Diesen Gesangspart übernimmt Rapper Cool Calm Pete, während Manda, eine junge französische Sängerin, die über Myspace Kontakt zu MORCHEEBA knüpfte, den Refrain säuselt. Auch hier waltet die ordnende Hand Pauls, die alles dem typischen MORCHEEBA-Arrangement unterordnet. Der Rap wird eingefasst durch einen weichen Beat und zurückgenommene Samplings, einmal auch abgebremst durch einen lieblichen Hammondorgel-Part.
  • „Sleep On It“ erinnert mit seiner Orgel an alte „Big Calm“-Zeiten, Dybdahl führt den Song behutsam durch eine künstliche, elektronische Landschaft, dominiert von hervorragender Gitarrenarbeit, stellenweise an typische Americana erinnernd.

Insgesamt ist „Dive Deep“ ein tiefes Eintauchen in ruhige, smaragdgrüne See. Es ist ein beständiges, leichtes Wabern, eine leichte Brandung gegen die Sinne, ein leichtes Stimulieren der Hüftmuskeln – oder noch besser: wie das tiefe, zufriedene Schnurren eines Katers, zu hören am Ende des Songs „Blue Chair“.

Morcheeba
Dive Deep
PIAS/Rough Trade

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert