Thomas Raab: Der Metzger sieht rot

Dass der Metzger, weil er hat nachsitzen müssen, jetzt rot sieht, das verdankt er seinem Schöpfer Thomas Raab, der diesen Restaurator und Eremiten aus Gewohnheit in einem der schönsten Debüts des Vorjahres in die Welt gebracht hat. Nicht ohne Folgen. Für den Autor gabs eine Glauser-Nominierung, für Willibald Adrian Metzger die dralle Danjela und für das lesende Publikum ein neues Abenteuer.

Welches äußerst problematisch beginnt, nämlich dort, wo sich der Österreicher am allerwenigsten auskennt: auf dem Fußballplatz. Dorthin hat die Fanin Danjela ihren Willibald geschleppt, zu den Kicker Saurias Regis (klingt besser als Rapid Wien oder Nockerln Salzburg) mit dem famosen Torwart Kwabena Owuso aus Ghana. Als der plötzlich tot zusammenbricht, gelangt die Geschichte nicht nur auf den erforderlichen kriminellen Boden (man hat dem guten Mann ein Gift verabreicht), sondern auch in selbst Österreichern vertraute Sphären: den Fremdenhass. Owuso wurde vergiftet und die Danjela ahnt etwas, dem sie ohne den Metzger nachgeht – mit schlimmen Folgen. Der Restaurator findet seine Geliebte schwer zusammengeschlagen und komatös im Spital wieder, sein rosarotes Leben verfärbt sich zur titelbekannten Farbe.

Man könnte jetzt den Raabschen Zweitling mit den gleichen Worten loben wie den Erstling oder es noch kürzer machen. Raab lässt seinen Metzger äußerst assoziativ denken, die Vergleiche fallen wie die Dominosteine und schrecken vor nichts zurück. Wenn ein Verdächtiger beim Verhör partout nicht reden will, dann ist das so spannend „wie die Liveübertragung der Kontinentalverschiebung“, was man sich sehr gut vorstellen kann.

Okay, das ist wieder einmal kein Krimi für die Freunde narrativer Effizienz, die sich zwischen den Punkten A und B partout nichts anderes vorstellen mögen als eine gerade Linie. „Österreichischer Schmäh“ indes ist es auch nicht, dazu hängt auch der rotsehende Metzger zu sehr an der Wirklichkeit, hier vielleicht noch mehr als beim nachsitzenden Metzger. Fremdenhass und Fußballfanatismus, eiskaltes Kalkül und sonstiges Überleichengehen, wie sie uns im Text erwarten, bleiben was sie sind, auch wenn sie in recht skurrilen Köpfen zusammengedacht werden. Und skurril ist das Personal natürlich schon, dafür befinden wir uns schließlich in Österreich, wo die Romanfiguren nicht nur in Romanen herumlaufen.

Dass Thomas Raab, wenn er wollte, stilistisch auch anders könnte, zeigt sich, wenn die Gedanken aus dem Kopf einer mysteriösen Frau gekrochen kommen, einer Prostituierten, wie bald klar wird, einer Mörderin, wie wir auch erfahren. Da wird’s plötzlich fast nüchtern und traumatisch, keine Spur mehr von Gemütlichkeit. Auch das Ende gerät diesmal ernüchternd, ein Happyend sieht anders aus, das ist nichts, worüber sich der Metzger und seine Gott sei dank wieder genesene Danjela beim Heurigen seelig unterhalten können.

Also, kurz: Auch „Der Metzger sieht rot“ beweist, welches Potential in humoristischen Abschweifungen steckt, da ist Thomas Raab eben ein entfernter Verwandter des großen Jean Paul, den zwar keiner erreicht, aber schon dass man eine solche Verwandtschaft erahnt, ist irgendwie beruhigend und lässt für die Zukunft hoffen. Das Skurrile nicht als Selbstzweck, das Lachen über das Außerordentliche ein Schaudern über das Gewöhnliche – und flott liest es sich auch noch. Auf weiteres Diekreuzdiequer-Denken des Willibald Adrian Metzger darf man sich freuen.

Thomas Raab: Der Metzger sieht rot. 
Leykam 2008. 320 Seiten. 19,40 €

20 Gedanken zu „Thomas Raab: Der Metzger sieht rot“

  1. Ja, für die Freunde narrativer Effizienz is dat nix. Wenn es nicht so ein humorvolles Völkchen wäre…

    Beste Grüße

    Henny

  2. Das ist ein Buch für Leute, die wissen wollen, dass es die Aufgabe von Balljungen ist, Bälle zurück zu holen, die das Spielfeld verlassen haben. Entweder per Hand oder Fuß. Das ausgerechnet dpr, der Stieg Larsson eine ähnliche Erklärungswut vorgeworfen hat, im Falle Raabs dieses gut findet – parbleu;-)
    Für mich das allzu geschwätzige Soloprogramm eines mäßig begabten Komödianten. Und was hätte man aus diesem Thema erst machen können..

  3. Ich habs kommen sehen! Kaum hat der Bursche seine Krimirezensentenprüfung mit Ach und Krach bestanden, motzt er auch schon gegen die Altvorderen! Das ist ja wie 68! Dabei haben wir uns redaktionsintern noch gar nicht über eine Weiterbeschäftigung unseres Ex-Azubis verständigt. Dessen Karten jetzt natürlich nicht die besten sind…

    bye
    dpr
    *und Finger weg von Elana, Oxana und Co!

  4. Da frag‘ doch mal die Elana, die Oxana und die Co, was die davon halten, mich nicht mehr in ihrer Nähe zu haben.
    Außerdem, was ist das für ein Buch, in dem Vereinsvorsitzende „Fürst“ und „König“ heißen??? Na gut, letzteres finde ich erheiternd.
    Und das mit dem Muff unter den Talaren stimmt halt mitunter, auch wenn sich der Talar als hellbraune Kaninchenfelljacke tarnt.

  5. Die Mädels werden aufatmen! Die haben ja schon Muskelkater in den Oberarmen vom ständigen Abwehren unzüchtiger Annäherungsversuche! Und dass ein Vereinsvorsitzender König heißt, spricht doch Bände, oder? Und ein Balljunge holt halt mal die Bälle, obwohl in Österreich, da stehen sie auf dem Platz und sollen die Tore schießen und das wird halt nix, hat man ja gesehen. – Wärst du mit einem Anfangsstundenlohn von 4 Euro 10 einverstanden? Oder bietet dir wer anderes mehr?

    bye
    dpr
    *knallharter Verhandler

  6. ich spreche mal mkt meinem Steuerberater, ob das nicht am Ende zu viel wird mit dem ganzen Geld. 4 Euro 10. da kann ich mir ja glatt jede Stunde fast einen halben Liter Becher Bier im Stadion holen. Bei der Gelegenheit frage ich mal die Balljungen, was die so kriegen…

    Azußerdem ist nicht Jean Paul in der nähe, sondern Gottfried Keller, bei dem Raab ganz dreist abkupfert.

    Und du findest das Buch WIRKLICH gut?
    So oft war ich nicht im Burgtheater, dass die paar gelungenen Spitzen gegen den österreichischen Kulturbetrieb den restlichen, breitest getretenen Quark schmackhaft machen.

  7. Wollen wir bechalten gärnä Jochen. War sichch gewäsän sähr anschmiegsahm. Und nätt immär.

    * dpr auch
    ** weil, ist ja Schäff.

  8. Doch! Hat mir gefallen! Wer hat denn die Extraschulung „Ösi-Krimi“ absolviert? Hä? Also! — Und die Kommentatoren bitte ich, hier keine sexistischen Äußerungen loszulassen! Wer hat denn das Seminar „Sags sexistisch“ besucht? Ich doch wohl!

  9. So, ich lese jetzt noch die letzten Seiten dieses fürchterlichen Buches (obwohl es zum Ende hin gewinnt – ein wenig) und würde mich doch lieber an Natascha, Oxana & Co schmiegen…
    Übrigens: „Untergetauchte tauchen zwecks Luftholens von selbst wieder auf.“ Und DAS findest du witzig? Ist doch normaal;-) Schreckensbuch.

  10. Pass mal auf, Freundchen! Hast nicht DU mir diesen furchtbaren Franzosen, diesen Grange ans Herz gelegt? Fast 800 Seiten! Eine einzige Katastrophe! Ich werde die Schulbehörde bitten müssen, deine Prüfungsarbeiten noch einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! – Und vergreif dich nicht an den Mädels!

    bye
    dpr

  11. Für dich habe ich extra den letzten Absatz meiner Rezension geschrieben;-) Der „furchtbare Franzose“ ist nichts für Leser, die dem Willibald Adrian beim Zusammenbasteln von Tabernakelschränken begeistert das Händchen halten. Und sei lieb zu mir, sonst schicke ich dir Dominique Nemesis vorbei, die ist mit dem Satan im Bunde. Allein ihrer Parfumwolke sind Dutzende hartgesottene Burschen erlegen…
    Außerdem vergreife ich mich nicht an den Mädels; uns verbindet allein schon die tiefe Solidarität der unterdrückten Werktätigen. Und jetzt lass mich endlich wieder aus dem Keller raus…

  12. Deine Domenique kannst du behalten, du Teufelskerl! Mir so einen Schmarren… Und im Keller bleibst du auch. Wir müssen unbedingt den österreichischen Rekord brechen (ui, das gibt jetzt wieder einen mit der Faschismuskeule…).

    bye
    dpr

  13. He Chef, wenn du den Tabernakelschrank endlich zusammengeklebt und aufgebaut hast, könntest du dann bitte die Plüschhandschellen runterbringen? Versprochen ist versprochen!

  14. Ich helf dir! Irgendwie bist du austrophob, ich habs immer gewusst. Wenn der Herr Raab ein Ami wär, hättste wieder was von „beste hardboiled-school“ geschwärmt. Und jetzt zurück in den Tabernakelschrank! Mädels – hierher!

    bye
    dpr

  15. Nix austrophob – ich schätze z.B. Kurt Bracharz und Peter Rosei. Gerade Bracharz ist „beste austrian hardboiled-school“. Rosei eher weniger. Ich mag nur keine Bücher, die einschläfern und die werte Leserschaft in einen pseudobuddhistischen Zustand der geistigen Leere versetzen. Oh, Mist, geklaut…

  16. Mein Gott, was du alles liest! Hier haben wir unserer Erziehungspflicht nicht Genüge getan. Jetzt ists zu spät.

    bye
    dpr
    *hat als Pädagoge versagt

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