Das Ende des Krimis

Neulich fragte mich jemand, wann es denn endlich mit dem Krimi vorbei sei. – Wie bitte? Vorbei mit dem Krimi? Wie, was, aber warum denn? Na, antwortete dieser Jemand, es sei doch jetzt langsam genug mit dem ganzen Morden und Zittern, dem Raten und Schlachten. „Versteh mich nicht falsch: Aber der Krimi ist ja schließlich kaum mehr als eine Modeerscheinung. Den braucht der denkende Mensch nicht, so wie man etwa die Tragödie braucht und deshalb schon in der Antike gehabt hat, ein literarisches Lebensmittel, sozusagen. Aber der Krimi? Ist er 150 Jahre alt? 200? Ein Furz der belletristischen Haute Couture, mehr nicht. Machs Fenster auf und er verzieht sich. Wird auch Zeit, dass er endlich verschwindet.“

Ich gebs ja zu: Der Jemand, der mich das fragte und anschließend belehrte, das war ich selbst. Er geht mir nämlich manchmal gehörig auf die Nerven, der Krimi, und das hat Gründe. Einmal: Der Krimi ist der überlaufende Milchtopf in der Literaturanbauküche. Erhitzt vom dummen Geschwafel seiner Leserinnen und Leser kocht die trübe Brühe über und ergießt sich über sämtliche sonstigen Gebräue. Kaum noch ein Roman, der nicht „auch“ Krimi ist. Alles frisst der Krimi. Selbst anerkannteste Autoren werden heutzutage von ihren Verlegern und Lektoren genötigt, fürs liebe Geld Spannungsliteratur zu schreiben. Die muss zwar nicht spannend sein – die wenigsten Krimis sind überhaupt noch spannend -, aber ein Kritikerzausel, der sein verfluchtes „Literarischer Krimi!“ hinschmiert, findet sich schließlich immer.

Zweitens: Auf dem Höhepunkt wird jedes Imperium morbide. War schon bei den Ägyptern, den Römern, den Engländern, den Amerikanern so. Das Morbide heißt im Weltkrimireich: Redundanz. Immer die gleichen alten Erfolgsrezepte, die hohlen Zeremonien, die kalten Abläufe. Daran zu erkennen, dass auf dem Klappentext behauptet wird, dieser Krimi sei jetzt besonders originell und kurios und überraschend und einzigartig. Ist er nicht. Er ist tranig, abgewichst, langweilig, Massenware. Geht gar nicht anders. Ist doch schon alles durchgehechelt! Jede Art, einen Menschen zu ermorden, zigmal vorgeführt, jeder Weg, ein Verbrechen aufzuklären, längst ein Trampelpfad, jede psychotische Ecke im Ganovengehirn ausgeleuchtet wie das Olympiastadion bei einem WM-Qualifikationsspiel.

Der Krimi muss weg. Er stört nur noch. Was von ihm bleiben wird? Nun, was ist vom römischen Reich geblieben? Ruinen. Was wird vom US-amerikanischen bleiben? Coca-Cola. Und vom Krimi bleibt noch weniger. Nur die Erinnerung daran, wie oft und sehr man sich gelangweilt hat, wenn es wieder einmal hieß: „Mein verstorbener Mann ist …. nein: war….“ Lieber Gott, schick Feuerzungen und vernichte diesen Mist!

Und was wird an die Stelle des Krimis treten und die literarische Weltherrschaft übernehmen? Okay, ich verrats euch ganz im Vertrauen: überhaupt nichts. Wenn die Menschen keine Krimis mehr lesen, werden sie gar nichts mehr lesen. Sondern nur noch ferngucken. Und was? Fernsehkrimis natürlich.

16 Gedanken zu „Das Ende des Krimis“

  1. gesten erst hat Herr Gohlis das Totenglöckchen für den Krimi mit diesem Satz zu Gehör gebracht: „Es gibt Bücher, in denen man sich von der ersten Seite an zu Hause fühlt, die man beim ersten Mal liest, als würde man sie nach Jahren wieder lesen“ — und dann noch lobend die „Dorfgemeinschaft“ des in Frage stehenden Textes erwähnt.

    Irgendwie paßt alles zu allem. In diesem Sinne!

  2. welches buch hast du denn gelesen, als du das geschrieben hast? natürlich wird der krimi bleiben und natürlich ist der krimi gut. ABER ich kann mir vorstellen – und das sagte ich schon mal – dass mich vermutlich der krimi auch anöden würde, wenn ich ihn dauernd immer nur krimi hätte – ob als autor, rezensent oder leser. ich brauche auch belletristik und literatur und essays und philosophie und eine gescheite zeitung und comics, und oft höre ich auch ganz auf zu lesen und gehe nur ins museum und sehe mir malerei oder altertümer oder weiß der geier an. der mensch braucht abwechslung, sonst wird ihm alles leid. und das verstellt den blick ja dann auch auf eine sehr bedauerliche weise. wenn man monothematisch ist (da hilft es auch nicht weiter, wenn man sagt, ich pack die ganze welt in den krimi rein), dann überrascht nix mehr und dann ist auch nichts mehr spannend.

    also man muss das auch mal loslassen können. sonst dreht man ja durch. mehr noch: das ist man der sache schuldig.

    *korrigiert ihren krimi
    **wird verrrückt

  3. Es geht auch umgekehrt. Manchmal ist eine Idee so genial einfach und großartig, dass man sich fragt, warum bisher noch keiner darauf gekommen ist. Und sehen wir es mal positiv: Jede Spitze braucht auch eine Breite.

  4. Na, mein lieber JL, den Gohlis versteh ich gut. Manchmal will man halt „heimkommen“. Aber nicht immer; schon recht.
    Und, mein Wiesbadener Fräuleinchen, ich lese doch auch ANDERE Sachen! Und schraube manchmal sogar an irgendwelchen Optimierungen von Suchfunktionen für Pflanztagebücher herum, die ich dann am Dienstag in Wiesbaden präsentieren darf. Und guck sogar Fernsehen (Fußball).
    Die, die wirklich was Einfach-Geniales machen, liebe Henny, sind doch die Schlimmsten! Da kriegst du als Konkurrenz SO einen Hals, weil dir das selber nicht eingefallen ist. Na ja, bei meinem nächsten kriegen hoffentlich die ANDEREN solche Hälse…

    bye
    dpr

  5. ich meine ja nicht dich konkret. aber weiß ich denn zum beispiel, ob herr gohlis nur krimis liest? es ist doch bedeutsam, von welchem hintergrund aus ein kritiker schreibt. das muss man doch einordnen, wenn einer ruft, der krimi ist tot, das bringt nichts mehr. wieviele krimis liest er denn im monat? also wenn ich einen monat lang nur lyrik lesen würde, würde ich sagen, leute lasst es, das hat keinen wert mehr. das hat doch alles eine auswirkung auf die frische seines blicks, oder nicht? wahrscheinlich verrenne ich mich.

    *krampft

  6. Doch, doch, Liebste! Paket kommt! Ich warte nur noch ein, zwei Tage, weil ich EXTRA FÜR DICH eine Klassebuch bestellt habe, das ich dann beilege! So bin ich!

    bye
    dpr
    *Lyrik? Lasst es!

  7. Ja, Anobella

    ich glaube, Du verrennst Dich ein wenig. Warum soll jetzt die Lektüre von Grass oder Rushdie oder … die Lösung „Deines“ „Problems“ sein, nicht aber die von Gil Adamson oder Katie Estill usw usf

    Und wenn Deine Antwort auf „monothematisch“ das Museum ist, dann dürfte es nur wenige Menschen geben, die monothematisch sind. Gohlis zum Beispiel ist wohl auch Reisereporter.

    Beste Grüße

    bernd

  8. ich hab kein problem. ich meine nur, dass es nicht gut ist, sich monothematisch mit krimis auseinandersetzen. sowieso und generell. das könnte zu einem überdruss führen, der dann dem krimi nicht mehr gerecht wird.

  9. so lange ich noch Rezensionen gelesen habe, war es mir egal, ob ein/e Kritiker/in auf Krimis spezialisiert ist oder nicht (was jemand liest, ohne darüber zu schreiben, geht mich eh nix an). Mich irritiert (oder nicht), was in dem Text steht, den ich vor den Augen habe. Und wenn jemand schreibt, daß er/sie sich in einem Buch ‚zu Hause fühle‘, dann ist aus meiner Sicht entweder das Buch oder der Leser auf dem Holzweg. Und wenn dafür auch noch als Beispiel die Tränensuse Nabb herangezogen wird, dann … (wobei er natürlich recht hat, der Herr Gohlis: man kann sich in den Büchern von Nabb zu Hause fühlen, aber just das macht sie für mich unerträglich). Unvorsichtigerweise habe ich versucht, das auszudrücken.

    Beste Grüße!

  10. Der Krimi als idealer Ort fürs Fremdeln. Hm. Ich will ja jetzt nichts zu ihrem Nabb-Bashing sagen, lieber JL, bleiben wir bei Jaumann. Der provoziert das „Sich-daheim-fühlen“ geradezu durch sein „Setting“. Kleiner Personenkreis, abgelegenes italienisches Kaff. Man kennt die Protagonisten (Serienphänomen und immer wieder gerne genommen), ein Grund, eben KEINE Serien zu schreiben. Andererseits: Nehmen Sie Jerome Charyn und seine Isaac-Sidel-Saga. Natürlich fühle ich mich auch darin „daheim“, aber mir wirds sofort wieder fremd. Deshalb: Nix gegen Heimat. Aber wenn man zwanzig Seiten drin ist, muss man sich schon die Augen reiben und fragen: Huch, an welchem Ort bin ich denn hier?
    Und was heißt „monothematisch“? Ich hab so meine Gegenmedizin für allzu schlechte Sätze: die guten. Hat die Literatur ja auch reichlich zu bieten. Im Moment: mal wieder in den guten alten Sterne reingucken.

    bye
    dpr

  11. da stimmen wir überein, lieber dpr — auch darin, das ‚Fremdeln‘ auf Literatur insgesamt zu beziehen. Micht stört Gohlis‘ Bild: warum sollte ich Lebenszeit mit Literatur vertrödeln, in der es zugeht wie in meinen 87qm, in denen ich mir’s eingerichtet habe? (Übrigens wird ‚Kinderliteratur‘ und ‚Kinderlektüre‘ dieser Art bei Donna Leon ohne Ende thematisiert … aber wem sage ich das.)

    Beste Grüße!

  12. Genreland ist immer auch Musterländle. Denken Sie an die ewigen Ermittlerkrimis, Teamarbeit, Spurensuche, Sackgassen… Das sind nicht einmal 87 qm, da bewegt man sich bei völliger Dunkelheit sicher und freut sich drauf, sich dann in dieser Vertrautheit unvermutet und schmerzhaft das Schienbein anzustoßen. Weil jemand den Stuhl mitten in den Raum gestellt hat. Und sofort wirds einem unheimisch im Heimischen.

    bye
    dpr

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