Noch einmal und anders: Das Ende des Krimis?

Über das Ende des Krimis als Folge allzu floskelhafter Praxis und fortwährender Okkupation des Genres durch die „gute Literatur“ wurde jüngst hier berichtet. Jetzt eine weitere, sehr seriöse Variante der Vision: Das Ende des Krimis als Kapitulation vor dem Zustand der Welt, die in belletristischen Texten, also auch Krimis, nicht mehr abbildbar ist. An einem sehr konkreten und aktuellen Beispiel.

Jerome Charyn, „Citizen Sidel“. Ein Roman – Teil der Isaac-Sidel-Saga -, der so dröhnend misslungen ist, dass man es kaum glauben mag. Hier stimmt so gut wie gar nichts, ach was: Hier stimmt überhaupt nichts, nicht einmal literarische Binnenbezüge, geschweige denn Spannungsbogen, Dramaturgie, Personenzeichnung. Wo Metaebene draufsteht (und Metaebene steht hinter jeder Seite, jedem Satz), sind literarische Metastasen drin. So.

Aber, it’s Charyn. Also ein ganz Großer. Der plötzlich so patzt? Keinen Bock mehr hat? Kann sein, ja. Zwei Aspekte indes drängen sich mir auf: Charyn beschreibt in „Citizen Sidel“ nicht nur oberflächlich einen amerikanischen Präsidentenwahlkampf, nein, er beschreibt ALLES. Das Getriebe der Welt, nicht nur der nordamerikanischen. So etwas kann wegen auktorialer Unfähigkeit leicht ins Hemd gehen, es könnte aber auch sein, dass sich dieses Getriebe der Beschreibung / Abbildung durch (Kriminal-)Literatur (die immer irgendwie „Sinn machen“ soll) schlicht und ergreifend entzieht. Auch hier wieder zwei Möglichkeiten: Der Autor ist daran gescheitert, DASS es sich entzieht – oder er wusste es von Anfang an und hat konsequent gegen alle sinnstiftenden Regeln gehandelt. Dann wiederum wäre „Citizen Sidel“ ein phänomenales Buch. Das Ende des herkömmlichen Krimis und der Beginn einer neuen Form.

Und was ist es nun? Darüber grübele ich gerade. Eine Lösung: Es ist ein phänomenales Buch, wenn es mir als Leser gelingt, den Sinn, dass es keinen Sinn macht Romane zu schreiben, darin zu finden. Dagegen sind Einsprüche erlaubt, gewiss. Aber mal schauen, wie mein Grübeln ausgeht. Nachzulesen in der nächsten Nummer von wtd – die Zeitschrift. Kostenlos. Hier. Als PDF und WORD-Datei. Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es bei mir habt.

dpr

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