Der doppelte Schiele

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„Und da sah ich es zum ersten Mal. Ein herrliches Bild von Egon Schiele, meinem Lieblingsmaler: eine Jugendliche mit langen roten Haaren, der Rock geschürzt. Sie trägt keinen Schlüpfer. Ihre Beine sind leicht gespreizt, gerade so viel wie nötig, um einen flüchtigen Blick ins Innere ihres Geschlechts zu eröffnen.“

(…) offensichtlich irgendeine Schmierage für ein pornografisches Altherrenkabinett: Ein liegendes rothaariges Mädchen in grasgrünem Rock und Resten gelblicher Unterwäsche reckte dem Betrachter ein in Orange und Rottönen gehaltenes, perspektivisch überdimensioniertes Genital entgegen.“

Zwei reichlich heruntergekommene Gestalten ergötzen sich an überraschenden Funden in Schließfächern: der Advokat Leibowitz in Hannelore Cayres „Das Meisterstück“ erkennt „seinen“ Schiele sofort, Privatdetektiv Marek Miert braucht in „Falsches Spiel mit Marek Miert“ die Hilfe eines Auktionators, um zu erfahren, für was das „S“ auf dem Porträt steht. Was aber bei einem Mann nicht verwundert, der „einen Renoir nicht von einem Renault unterscheiden“ kann. Also keinesfalls Schmierage.

Um welche Bilder es sich hier genau handeln könnte – gar um ein und dasselbe Bild? – habe ich auf die Schnelle nicht rauskriegen können. Der auf dem Cover von „Das Meisterstück“ abgedruckte „Akt gegen farbigen Stoff“ von 1911 ist es wohl nicht, aber Schiele hat eine Reihe solcher Bilder gemalt. Beim Österreicher Wieninger stammt es übrigens aus dem Jahr 1910.

Merkwürdig ist es aber doch, dass Cayre 2005 einen Schiele verwendet, den Wieninger bereits 2001 auftauchen lässt. In beiden Fällen geht es auch noch um „Arisierung“ und alte Nazis. Ob Cayre Wieningers Buch gelesen hat? Ausschließen sollte man es nicht, es ist aber eher unwahrscheinlich. Obwohl…“Tochter eines tunesischen Vaters und einer ÖSTERREICHISCHEN Mutter“

Wie dem auch sei: Für beide Bücher ergeht hiermit absoluter Lesebefehl, „Falsches Spiel mit Marek Miert“ ist aber zur Zeit nur antiquarisch zu bekommen.

Ein Gedanke zu „Der doppelte Schiele“

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