Romane, die nach Drehbuchvorlagen entstehen… nun ja. Eher mit Vorsicht zu genießen. Aber es gibt auch hier Ausnahmen – und „Der Yakuza“ von Leonard Schrader ist eine davon. 1974 wurde der Stoff von Sydney Pollack verfilmt, im selben Jahr erschien der Roman des Drehbuchautors Schrader. Und er ist bis heute, da uns der Alexander Verlag das gute Stück noch einmal beschert, keinen Tag älter geworden.
Harry Kilmer hilft einem Freund. Der, George Tanner, besitzt eine Reederei in Japan und wird von einem Yakuza-Clan, organisierten Verbrechern, unter Druck gesetzt, ihnen diese Reederei zu überlassen. Um ihre Forderung zu unterstreichen, haben sie die Tochter Tanners entführt. Kilmer, der selbst eine Zeit in Japan gelebt hat, begibt sich nach Tokio. Er braucht Hilfe – und findet sie bei Tanaka Ken, dem Bruder von Kilmers Exgeliebter Eko. Tanaka war selbst einmal Yakuza, jetzt führt er ein Baugeschäft. Die alten Ideale, die bis in die Hochzeiten der Samurai zurückreichen, hält er immer noch hoch. Gemeinsam (und mit Hilfe des jungen Amerikaners Dusty) befreien sie das Mädchen – und damit beginnt die blutige Geschichte erst.
Stichwort: blutig. Ja, es wird fleißig gemordet in „Der Yakuza“. Da werden Arme, Füße, Köpfe abgeschlagen, ganze Körper entzwei. Das Finale ist eine Blutorgie sondergleichen, bei der „36 vollständige Körper und 9 weitere Gliedmaßen“ auf der Strecke bleiben. Unter dieser grellen Oberfläche jedoch verbirgt sich ein thematisch unglaublich vielschichtiger und in seinen beinahe philosophischen Verknüpfungen komplexer Text. Es geht, natürlich, um Männerbündeleien generell. Nicht nur bei den Gangsterclans, auch die amerikanische Seite ist ähnlich strukturiert. Und beide Konstrukte fallen auseinander, sind marode geworden und werden längst nur noch durch hohle Zeremonien zusammengehalten.
Schnell jedoch verlagert sich der Akzent auf die Konstellation der beiden Protagonisten Kilmer und Tanaka. Sie werden beide Opfer von Traditionen, altertümlichen Denkweisen und Idealvorstellungen, an denen sie zu zerbrechen drohen. Kilmer, veritabler Japankenner, muss feststellen, wie wenig er doch weiß; Tanaka verfängt sich im Anachronistischen und leidet an den Überzeugungen, die ihm zugleich seine Würde verleihen.
Das alles kommt sehr unaufgeregt, beinahe lakonisch daher, sprachlich schlackenlos, eine wunderbare Mischung aus Action und Reflexion, in der die Menge an Perspektiven nicht wie in der Buchhalterliteratur abgehakt, sondern zu einem so kompakten wie fragilen Ganzen komponiert wird. Der schlagende Beweis dafür, wie eindrucksvoll die grellen und die gedeckten Töne zusammenpassen können.
Schrader, auch als Autor des oscarprämierten Films „Der Kuss der Spinnenfrau“ bekannt geworden und 2006 63jährig verstorben, hat uns mit dem „Yakuza“ einen Roman hinterlassen, in dem Japan als die Welt an sich funktioniert: mit all ihren entleerten Ritualen und bizarren Exzessen. Doch ohne Hoffnung endet das Buch nicht. Die letzte Szene zwischen Kilmer und Tanaka ist vollendet klar, vollendet rein, sehr simpel – sehr human. Ein Krimi, der die nächsten Jahrzehnte locker überleben wird, ein Monument.
Leonard Schrader: Der Yakuza. Alexander Verlag 2008
(The Yakuza, 1974. Deutsch von Jürgen Bürger. Mit einem Nachwort von Norbert Grob).
341 Seiten. 14,90 €