Bad, bad, bad

Die Krise ist bei den Bürgern angekommen. Aber auch bei den Käufern und Lesern von Kriminalromanen? Wtd möchte es genau wissen und befragt Herrn Professor Max Deutele, den Geschäftsführer der Gesellschaft für Krimikonsumforschung in Gießen, einem sogenannten Spinn-out der Gesellschaft für allgemeine Literaturkonsumforschung, ebenfalls in Gießen.

Wtd: Herr Professor Deutele – wie steht es in Zeiten der Krise um den Krimiabsatz? Müssen sich die Verlage Sorgen machen?

Deutele: Nun, natürlich geht die allgemeine wirtschaftliche Lage auch am Segment der Kriminalliteratur nicht vorbei. Allerdings gibt es keine Umsatzeinbrüche, höchstens marginale Rückgänge.

Wtd: Prima! Dann ist ja alles in Ordnung. Herr Professor Deutele, wir danken Ihnen für die…

Deutele: – aber: Etwas anderes lässt die Verlage sorgenvoll in die Zukunft blicken.

Wtd: Wir verstehen: Der Siegeszug der E-Books.

Deutele: Ach was! Darauf sind die Verlage eingestellt. Nein, wesentlich schlimmer: Die Verlage werden ihre Schrottkrimis nicht mehr los.

Wtd: Aber Sie sagten doch…

Deutele: Ich habe gar nichts gesagt. Sehen Sie: In der Vergangenheit haben die Verlage ihr Geschäft mit einem Anteil von ca. 80 % Schrottkrimis an der Gesamtproduktion gemacht. Übel zusammengehauenen, sprachlich ungenügenden, plottechnisch lächerlichen Mißgeburten. Die aber fleißig abverkauft wurden. Hier erleben wir indes momentan einen dramatischen Einbruch. Es scheint so, als habe die Krise die Intelligenz der Leserschaft auf bisher noch nicht geklärte Weise erhöht. Plötzlich liest man „Qualitätskrimis“, „literarische Krimis“ und all das Zeug, das sich die Verlage bisher nur aus Imagegründen leisteten.

Wtd: Na, ist doch toll!

Deutele: Das sagen Sie! Aber was machen die Verlage nun mit all ihren Schrottkrimis, die längst zu toxischen Papieren geworden sind? Wohin damit?

Wtd: Ob vielleicht eine Abwrackprämie…

Deutele: Nein, nein, das hätte allenfalls einen kurzfristigen Effekt. Was wir brauchen, ist ein bad publisher, einen Verlag also, der diese toxischen Krimis aufkauft und abschreibt. Natürlich auf Kosten der Steuerzahler.

Wtd: Und wer soll das machen? Welcher seriöse Verleger gibt sich für so etwas her?

Deutele: Das ist ein Problem, fürwahr. Wir haben allerdings einen geneigten Verlag im Auge, die Verhandlungen laufen. Ein Verlag mit großem Namen, gigantischer Backlist, künftig in der Hauptstadt, also sehr nahe bei den Geldtöpfen des Finanzministeriums.

Wtd: Sie meinen – Moment mal – Sie meinen nicht allen Ernstes den Su…

Deutele: Keine Namen bitte!

Wtd: Äh… ja. Herr Professor Deutele, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

10 Gedanken zu „Bad, bad, bad“

  1. Danke, Mädels. Ihr seid die Erquickung in der Wüstenei des Internets, das Licht am Ende des Regenbogens, die Bild- und Tonstörung bei Fernseh-Kappensitzungen. Was wäre ich ohne euch? – Ein Gedankenstrich.

    bye
    dpr
    *weiß, wie man seine Leserinnen bei Laune hält

  2. Wovon redest du? Ich weiß von nichts… alles streng geheim… aber muss ganz schön unheimlich sein, wenn einen Bücher anstarren…

    bye
    dpr
    *starrt zurück

  3. Liebe (Leidens-)GenossInnen,

    Schrottkrimis- Schrottimmobilien – Schrottzertifikate usw.
    alles Folgen von unreguliertem Beratungsschrott.

    Was wir brauchen, ist eine nachhaltige Abkehr vom Schrottkrimi, um nachfolgende Generationen nicht mit deren Endlagerung zu überfordern. Der auch hier wieder geäußerte Irrglaube an die Intelligenz und das Beurteilungsvermögen der breiten Massen und damit die Selbstheilungskräfte des Marktes führen uns in die Irre. Was wir brauchen sind ein Bundesaufsichtsamt über das Krimiwesen und protokollierte Beratungsvorgänge in den Buchhandlungen sowie eine Beweislastumkehr.

    Mit anderen Worten, was wir in diesem Augenblick brauchen, ist absolute Transparenz (bis auf die Unterhosen der VerkäuferInnen).

    Nur so wird dem leichtgläubigen und mit seiner Eigenverantwortung überforderten Leser-Lemming bewusst werden, dass ihm in den Buchhandlungen keine unabhängigen Berater Qualitätskrimis empfehlen. Vielmehr geht es dort einzig und allein darum, dass als Kenner der Materie getarnte Drückerkolonen Empfehlungen für Schrottkrimis (und die letzten Münzen aus unseren Geldbeuteln saugende Vampirbücher) aussprechen. Dies dient einzig und allein dazu, Verkaufsvorgaben der Verlage zu erfüllen und dadurch Gewinne (!) zu erzielen. Diese skandalösen Verhältnisse müssen beendet werden.

    Nur so wird dem leichtgläubigen Leser bewusst werden, dass er eine unabhängige Beratung nur im Hinter-Net bekommt. Bisher geht ihm das offenbar am Arsch vorbei.

    Der Krimimarkt muss endlich reguliert werden!!!
    We kann, we will, we soll.

    Sozialistischer Gruß
    thomas

  4. Du forderst also eine Verstaatlichung der Krimiindustrie? Nebst Enteignung der Schrottlieferanten? – Hm. Andererseits: Das fordert ja die FDP auf einem anderen Feld inzwischen auch (jedenfalls klammheimlich). Dein Hinweis auf die regulierende Kraft von hinternet.de, dem einzigen öffentlichen kritischen Medium, das die Krise überwinden kann, ist natürlich hilfreich. Auch hier: Transparenz! Bis auf die Unterhosen, jawoll! Und wehe, die sind nicht von Schiesser! Und wehe, der Blogger vergnügt sich zuhaus nicht mit einer Märklin-Eisenbahn!

    bye
    dpr
    *baut die Eisenbahn auf
    **zieht frische Unterhosen an

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