Ja doch, es vermittelt uns, die wir am Rande der bewohnten Krimiwelt dahinvegetieren, schon ein wenig klammheimliche Freude, wenn wir Zeuge eines Schlagabtauschs werden, bei dem ein Weltnabel dem anderen seinen Platz missgönnt. Eine Gruppe britischer Autoren, die sogenannte „Curzon Group“ hat ein „Manifest“ in der →Presse lanciert, das sich gegen die Hegemonie amerikanischen Thrillerschreibens wendet und eine Rückkehr zur traditionellen – und originelleren – Form britischer Kriminalliteratur fordert. „All the writers in this group believe in bringing that back … Too many of the American thrillers are just being churned out to a rigid formula. Good writing is never a production line.“
Auf der anderen Seite des Atlantik schäumt man darob vor Wut, →Sarah Weinman jedenfalls kann kaum an sich halten. Die Curzons haben auch gleich fünf Prinzipien formuliert, die ein jeder beim Schreiben beherzigen sollte. Unterhaltsam muss es sein, die Wirklichkeit reflektieren, sich vom Formelhaften fernhalten, für Autor wie Leser gleichermaßen auf ein „Abenteuer“ hinauslaufen. Und fünftens den Beweis antreten, dass auch elegante, geistreiche und einfühlsame Kriminalliteratur spannend bis zum Nagelbeißen sein kann („combined with edge-of-the seat excitement“).
Diese Prinzipien erinnern mich doch stark an den alten Witz aus dem Satiremagazin „Titanic“: „Hungerproblem gelöst! Einfach mehr spachteln!“ Genau. Wir sehen mit Genugtuung, wie sich Myriaden lausiger AutorInnen an ihre Schreibtische setzen und gemäß der Curzonregeln zu dichteln beginnen. Und alles wird gut.
Wie weit solch eine Diskussion von der Realität entfernt ist (also schon mal diesen Punkt des Manifestes missachtet), braucht kaum erwähnt zu werden. Wieder einmal begreift sich die angloamerikanische Kriminalliteratur als das Nonplusultra, hier und nur hier finden die Kämpfe für eine bessere Kriminalliteratur statt, an den alten Schauplätzen glorreicher Momente des Genres. Dass man anderswo ebenfalls Krimis schreibt, die die besagten Prinzipien erfüllen, dass die wirklichen Innovationen just dort stattfinden könnten, wo die Wirklichkeit das Schreiben stärker beeinflusst als das Schreiben die Wirklichkeit – es dringt einfach nicht bis zum Doppelnabel der Welt vor. Und so streiten sie sich um „Produktlinien“ und meinen doch nur: Vorherrschaft. Und die am Katzentisch, die in Südamerika, Asien, Afrika, der europäischen Diaspora, sie schauen staunend zu.
„Wieder einmal begreift sich die angloamerikanische Kriminalliteratur als das Nonplusultra“
Bei Weinman glaube ich das nicht so ganz.
Es geht den Curzonisten ja nur um das, was man Thriller nennt (was immer das in diesem Zusammenhang jetzt ist) und letztlich wollen sie nur die Nationalismuskarte spielen. Weinman dagegen verweist auf den Umstand, dass es genug innovative britische Autoren gibt, nur die schreiben eben keine Thriller. Und über die Autoren anderer Nationen hat sie sich schon wiederholt lobend geäußert.
… was aber meines Erachtens nichts daran ändert, dass es sich bei den Amerikanern wie den Briten um „Krimiexportnationen“ handelt, deren Interesse am Rest der Welt in Sachen KL begrenzt ist. Gegenläufige Tendenzen (die Präsenz nichtenglischsprachiger KL bei Krimipreisen etc.) sind auszumachen, keine Frage. Auffällig bleibt aber weiterhin, dass in den Kommentaren zu Sarahs Artikel niemand auf die Existenz einer solchen „globalen“ Literatur eingeht.
bye
dpr
Ja, das ist richtig, Zeichen der Verdrängung des eigenen Niedergangs dürfte in UK die Auftrennung des Daggers gewesen sein, groß massenwirksam wurde der übersetzte Krimi dort aber wohl erst so richtig mit Stieg Larsson. In den USA sind übersetzte Krimi immer noch eher Nischenprodukte.
… und Thriller … Thriller sind wohl der Inbegriff des zeitgenössischen US-Krimis, den können nun wirklich nur die USler – ist doch klar.
bernd