So etwa muss man sich einen normalen Arbeitstag im Leben des Horst Eckert vorstellen: Der Autor am Frühstückstisch, vier bis sieben Zeitungen, von BILD bis FAZ zwischen Kaffeetasse, Brötchen und selbstgekochter Marmelade ausgebreitet; die stilvoll ins Mobiliar integrierten Fernseher (geschätzte fünf) radauen, der Laptop (gleich neben dem Honigtöpfchen) hält eisern die Leitung zum Netz, diverse Radiogeräte kakophonen Nachrichten.
Und irgendwann, wenn er all die Nachrichten, die Schlagzeilen, die Schweinereien aufgesogen hat, erhebt sich Horst Eckert gelassen und wendet sich seiner Arbeit zu: dem Verdauen dieser Nachrichten, Schlagzeilen und Schweinereien. Dazu benötigt er, übern Daumen, zwei Jahre, von der Idee bis zur Fahne, und dann erscheint das neue Buch. Diesmal heißt es „Sprengkraft“ und ist, wie immer, die krimigewordene Nachrichtenlage der Republik.
Alles ist drin: Sogenannte Islamisten planen Sprengstoffanschläge in Düsseldorf und wahrscheinlich auch anderswo. Ein ebenfalls sogenannter „PR-Profi“ (vulgo: wegrationalisierter Journalist) übernimmt einen Job bei den „Freiheitlichen“, einer rechten Partei, deren Vorsitzende – dies vorweg – ein wahrhaft Haider’sches Schicksal erwartet. Auch die diversen Geheimdienste mischen mit, zusammengehalten wird das Ganze von einer Handvoll Polizisten, getreu der Eckert’schen Philosophie samt und sonders dubiose Existenzen.
Um nur die Hauptstränge zu nennen. Dass Eckert sie gekonnt miteinander verknüpft, zeichnet ihn als routinierten Handwerker aus, einen, der weiß, wie man einen Thriller bastelt. Darin jedoch erschöpft sich sein Potential keineswegs. Man kann durchaus so etwas wie ein Eckert-Ästhetik formulieren, Grundpfeiler seines Schaffens gewissermaßen. Der erste und wichtigste beschreibt, dass Menschen weder gut noch böse sind, sondern Menschen. Deshalb gibt es auch in „Sprengkraft“ keine wirklichen Sympathieträger, aber auch keine Abziehbilder des Bösen. Alles ist irgendwie mit allem verbandelt und es gehört zur Dynamik von „Sprengkraft“, die auftretenden Personen in all ihren Verstrickungen vorzuführen, ihre Individualität immer auch in Abhängigkeit zum großen gesellschaftlichen Rahmen zu sehen und letztlich ganz aufzugeben.
Das hat, um zum zweiten Pfeiler der Eckert-Ästhetik zu kommen, die natürliche Konsequenz, dass es dem Autor nicht um feinsinniges psychologisches Zeichnen seines Personals geht. So könnte man durchaus kritisieren, dass etwa der PR-Experte Lemke, ideologisch eigentlich linksliberalen Ursprungs, allzu schnell der Demagogie seiner rechten Arbeitgeber aufsitzt. Oder der junge Möchtegernterrorist Rafi nun etwas zu deutlich die Klischees vom naiv-verführbaren Extremisten in sich versammelt. Beide aber sind – wie alle anderen Akteure – lediglich Figuren in einem von Eckert mit gekonnter Dramaturgie inszenierten Spiel. Nicht der oder das Einzelne interessiert den Autor, ihm ist es um seine Rolle im Großen=Ganzen zu tun.
Am Ende ist aus den Nachrichten, den Schlagzeilen, den Sauereien ein spannend und rasant erzählter Moloch geworden, das Bild einer Gesellschaft aus Dummheit und Angst, Verdrängung und Intrige, Kalkül und Unabwendbarkeit, Tragik und unfreiwilliger Komik. Just das also, was sie in ihrem Innersten sein könnte, diese Gesellschaft, bevor sie wieder in die üblichen Häppchen zerlegt wird, die abermals darauf warten, von so einem wie Eckert zu einem medialen Sittenbild verarbeitet zu werden. So gesehen geht es Eckert nicht um Tiefe. Ihm ist der Blick über das Geschehen wichtiger, und das dürfte einer der guten Gründe sein, überhaupt Krimis zu lesen. Auch solche wie „Sprengkraft“.
Horst Eckert: Sprengkraft.
Grafit 2009. 410 Seiten. 18,90 €
Alle diejenigen, die sich bei einem islamistischen Anschlag schon einmal gefragt haben, wie es dazu kommen und warum man ihn nicht verhindern konnte, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Es vermittelt glaubhaft die Zusammenhänge und gibt Einblicke in die Denkstrukturen. Es beleuchtet aber auch die Seite des Verfassungsschutzes und den gesamten Polizeiapparat und setzt sich kritisch damit auseinander. Als diplomierter Politologe versteht es der Autor, dem Leser das verständlich zu machen.