„Was Krimis und Phantastik gemeinsam haben“ nennt der Blogger molosovsky die →kleine Betrachtung der Genres, zu der ihn mein Gespräch mit Thomas Klingenmaier für die „Stuttgarter Zeitung“ angeregt hat. Tatsächlich finden sich diese Gemeinsamkeiten; so scheint etwa auch die Phantastik Schwierigkeiten zu haben, sich zu organisieren. Es gibt allerdings auch Unterschiede, die in der sich anschließenden Diskussion betont werden.
Nun bin ich kein Kenner der „Phantastik“, mutmaße jedoch, dass sie allenfalls eine Schnittmenge zum spontan assoziierten Fantasy-Genre besitzt, auch Elemente der Science Fiction in sich birgt und von klassischen Einflüssen (ETA Hoffmann, Poe, Verne etc.) nicht frei ist. Ein fließendes Genre also, was eine weitere Gemeinsamkeit mit Kriminalliteratur herstellt. „Aber die Sache ist hier um vieles verwickelter, da Phantastik per se breiter als der Krimi ist (und während die Geburt des modernen Krimis relativ genau bestimmbar ist, wird das bei der Phantastik schon sehr viel schwieriger).“ – schreibt Kommentator „simifilm“ und legt damit unbeabsichtigt einen Finger in offene Wunden. Denn bei allen gut begründeten Spekulationen (Poe? Conan Doyle? Oder doch Wilkie Collins / Charles Dickens? Oder Romantik? Oder Adolph Müllner?) über das Geburtsdatum, bleibt es bis heute offen. Vielleicht weil – und das wäre nun beinahe ein Sujet für die Phantastik – Krimi gar nicht geboren wurde, sondern schon immer da war und sich zeitbedingt nur in eine bestimmte, irgendwann einmal „Krimi“ genannte Richtung entwickelt hat?
Gemeinsam haben beide Genres auch das Problem, sich selbst Grenzen zu setzen. Das führt nicht nur zu den oben erwähnten Schnittmengen, sondern auch zu gegenseitigen Überschneidungen. Von Edgar Poe über Leo Perutz bis Matt Ruff haben Autoren fleißig auf beiden Terrains geackert. Ob molosovskys Überlegung „Krimi bezeichnet eine Handlungsstruktur und Phantastik die ›ontologische‹ Beschaffenheit“ so glasklar und unumstritten ist, möchte ich allerdings bezweifeln. Denn auch Krimi wirkt ontologisch, weltenerschaffend, das ist nun einmal das strikteste Naturgesetz der Literatur. Selbst die phantastischste Erzählung rekurriert in irgendeiner Weise auf die nüchterne „Ist-Welt“ (die sich vorzustellen ebenfalls Phantasie voraussetzt) und der dokumentarischste Kriminalroman hantiert mit fiktionalen Annahmen. Richtig ist sicher, dass Kriminalprodukte die Vorhandensein von Verbrechen voraussetzen. Wie die Einengung aber zu einer Ausbreitung der künstlerischen Ambitionen und Mittel wird, das lehrt uns das Genre Krimi ebenfalls, wenn man seine Entwicklung aufmerksam verfolgt.
Wie gesagt: Ich bin kein Phantastik-Experte. Aber befruchtend sind solche genreübergreifenden Diskussionen schon. Mehr davon.
Auch hier nochmal Danke für das Weiterspinnen meines Weiterspinnens von Deinem Interview mit Thomas Klingenmaier.
Zum Genrebegriff ›Phantastik‹:
Ich muss da immer aufpassen, denn ich neige dazu den Phantastikbegriff viel zu weit zu (über)spannen. (Siehe meinen Eintrag zur Bedeutungsvielfalt von ›Phantasia‹.)
Aber eine gebräuchlich Auffassung des Begriffes ›Phantastik‹ nutzt ihn als Schirmbegriff für alle phantastischen Fiktionen, vor allem der Trias SF, Horror und Fantasy (und eben auch alles, was da nirgends eindeutig reinpasst, z.B. auch Magischer Realismus).