Feindbild Krimi-Couch

Was? Du schreibst jetzt für die Krimi-Couch? Hallo? Geht’s noch? Ja, es geht. Sehr gut sogar. Man hat es mit netten und offenen Menschen zu tun (etwas, das ich in letzter Zeit sehr zu schätzen gelernt habe), es gibt keine andere Vorgabe als die, qualitativ gute Arbeit abzuliefern, es ist eine Herausforderung. Nun sammeln sich in meinem elektronischen Briefkasten nicht nur die eher besorgten Stimmen. Es gibt auch andere, die meinen Schritt begrüßen. Dennoch: Ein Blogger, der in den Jahren seines virtuellen Schaffens nicht selten mit der Hirnrissigkeit des Marktes, seiner Bestücker und Abverkäufer ins Gericht ging, schreibt jetzt ausgerechnet für die Krimi-Couch? Das ist doch –

Ja – was ist das eigentlich, die Krimi-Couch? Als sie 2002 online ging, war sie ein Krimiportal unter mehreren und bot wie diese das übliche Programm: Rezensionen, Informationen zu neuen Titeln, ein Forum, ein Gästebuch… Auch heute buhlen auf dem virtuellen Marktplatz etliche Portale und „Magazine“ um des Lesers Gunst, doch keins dieser Angebote hat auch nur im Entferntesten die Resonanz, wie sie die Krimi-Couch für sich beanspruchen kann. Knapp 15.000 angemeldete UserInnen (Tendenz täglich steigend), dazu eine ungezählte Laufkundschaft – und warum?

Es ist, wie so vieles, recht simpel. Die Krimi-Couch verdankt ihren Erfolg zu allererst ihrem Macher Lars Schafft, der im Gegensatz zu seinen Kollegen tatsächlich im Web programmieren kann. Nicht „mal schnell eine HTML-Seite programmieren“ (wer sich so brüstet, beweist damit nur schlüssig seine absolute Ahnungslosigkeit von der Materie), keine vorgestanzten Teile zusammenfügen, sondern wirklich mit Sachkenntnis arbeiten, um die Zauberkraft (und manchmal Tücke…) relationaler Online-Datenbanken wissen, ihre Möglichkeiten austarieren, einsetzen, stetig verbessern. So entwickelte sich die Krimi-Couch zu einem interaktiven Lern- und Amüsierbetrieb, in dem angemeldete UserInnen sich nicht nur informieren und unterhalten können, sondern – dank Datenbanktechnik – auch ihre Krimibibliotheken verwalten, mit anderen UserInnen in Kontakt treten, Merkzettel anlegen etc.

Na und? Das ist Technik, weiter nichts. Wie sieht es aber mit der Qualität aus? Etwa mit den Leserkommentaren, den Forumsbeiträgen, den Rezensionen? Zugegeben: Was sich da manchmal an „Leserkommentaren“ in die Datenbanken schleicht, lässt einen, Bildungsstand und Geistesverfassung mancher Mitmenschen betreffend, ins Grübeln kommen. Andererseits gibt es jedoch auch sehr verständige, kenntnisreiche Kommentare. Ebenso verhält es sich im Forum. Neben allerlei Neckischem initiieren die AnwenderInnen etwa „Leserunden“, in denen nicht nur gemeinsam ein Buch gelesen wird, sondern auch der Autor desselben eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Und siehe da: Alle kommen. Nicht nur weniger Bekannte, die eine Chance wittern, fünf, sechs Exemplare mehr zu verkaufen, auch arrivierte wie Horst Eckert oder Heinrich Steinfest klinken sich ein. Durchaus auch aus geschäftlichem Kalkül. Denn wie mir neulich noch ein Verleger bestätigte, sind lobende Erwähnungen auf der Krimi-Couch „spürbar“, sprich: Es wird mehr verkauft. Nicht in Elke-Heidenreich-Dimensionen, aber immerhin. Das also kriegen die Verlage mit – und reagieren. Die Krimi-Couch ist das einzige Internetunternehmen hierzulande, das in Sachen Krimi auch kommerziell erfolgreich wurde. Tja – und genau hier beginnt die Tragödie…

Noch einmal: Die Krimi-Couch ist in vielem ein Abbild des hiesigen Krimimarktes, jede Schicht ist vertreten. Man kann das sogar überprüfen, in dem man etwa – angemeldet – in die „Bücherregale“ der Couchbesetzer spitzt, ihre Vorlieben und Abneigungen kennenlernt. Da steht der Dan-Brown-„Fan“ neben dem Derek-Raymond-Verehrer, da wird sich an den Metzeleien von Frau Slaughter ergötzt und von der filigranen Technik eines, sagen wir, Jerome Charyn geschwärmt. Die Qualität der Rezensionen ist – wie überall sonst auch – durchaus gemischt, mit einer deutlichen Tendenz zum Besseren indes, was ebenfalls nicht überrascht, denn jedes Medium muss seinen Stil langsam entwickeln. Man könnte sich also freuen über diese Krimi-Couch, sie als Chance begreifen, jene Kräfte, die einem selbst am nächsten stehen, zu fördern, indem man seinen „Content“ beisteuert. Wäre da nicht – der Erfolg…

Denn leider erweisen sich die Werbegelder als begrenzt und die Verlage als clever genug, dort zu investieren, wo sich ihre Einlagen am zuverlässigsten wieder einspielen lassen. Das tut all jenen weh, die „auch verdienen“ wollen, im Gegensatz zu Lars Schafft in der Welt des Internet aber eher fremdeln. Überhaupt stehen sie dem Ganzen misstrauisch gegenüber. Verständlich. Alles, wovon man keine Ahnung hat, ist einem irgendwie unheimlich, der Kontakt mit dem gemeinen Volk sowieso. Anstatt sich mit den Möglichkeiten des Netzes zu beschäftigen, zu schauen, wie man Inhalte so präsentieren könnte, dass sie das Publikum – und mit ihm zwangsläufig die Werbeabteilungen der Verlage – interessieren, tut man das, was man schon immer getan hat, um unliebsame Konkurrenz aus der Bahn zu kicken. Man verleumdet sie. Bevorzugtes Argument: Ach, igitt, das ist ja kommerziell.

Richtig. Nur dass diejenigen, die der Krimi-Couch Kommerzialität vorwerfen, mitnichten ihre Zeit in idealistischen Non-Profit-Projekten (wie schnöden Blogs beispielsweise) verplempern. Sie sind nicht minder kommerziell, aber eben leider nicht kommerziell genug, um auch im Netz ökonomisch reüssieren zu können. Ergo streut man die beliebten Bömbchen, verwandelt sich in einen krimikritischen Orakelautomaten, räsonniert zum xten Mal über das bevorstehende Ende der Krimiwelt und nennt die üblichen, sattsam bekannten Schuldigen, u.a. jene bitterbösen, gnadenlos kommerziellen Krimi-Couchler. Dass man für derlei Suada selbst Geld einsackt, versteht sich und ist auch gar nicht verwerflich. Ist halt Arbeit, und der Hauswirt will am Monatsersten seine Miete.

Das alles ist irgendwie dumm, ja – sorry to say – sogar brotdumm. Und erinnert fatal an die Geschichte der Kriminalliteratur, die von zopfigen, in ihrem Anachronismus fett gewordenen Gelehrten ebenfalls geächtet, als pures Graubrot fürs gemeine Volk, als „Kommerz“ verunglimpft wurde. Heute lachen wir darüber, wenn wir uns nicht gerade drüber ärgern. Und genauso werden wir – jetzt betätige ich mich auch mal als Kassandra –über die letzten Fossilien einer längst vergangenen Zeit lachen, die einst dinosäuerlich mürrisch und bedenklich schwankend durchs Internet tappten, eine fremde, bedrohliche Welt, die ihnen die kalte Schulter zeigte, weil sie gemerkt hatte, wer ihr da zunahe treten wollte. Sie haben nichts gelernt, sie werden nichts mehr lernen, die Dinge werden über sie hinweggehen, sie werden zu dem, was die Satirezeitschrift TITANIC „erledigte Fälle“ nennt.

Ich jedenfalls freue mich auf die Zusammenarbeit mit der Krimi-Couch. Es ist eine Herausforderung, es ist die Möglichkeit, meine Version von „Krimi“ an ein größeres Publikum weiterzugeben. Keine Anbiederung. Nur ein ehrliches Angebot.

13 Gedanken zu „Feindbild Krimi-Couch“

  1. Lieber Thomas, ich denke, das wird nicht passieren. Warum auch?
    Was z.B. meine Rezensionen angeht, hat es weder bei wtd noch bei der Krimi-Couch jemals Vorgaben oder Richtungsänderungswünsche gegeben. Und ich habe auf der Couch einige Verkaufsschlager nicht gerade freundlich behandelt. Kommerzialität und Publikumsortientierung sind keine Maßstäbe für Rezensionen – auch nicht auf der Krimi Couch.
    Ich freue mich auf dprs Mitarbeit.

  2. Och, ich hab ja nicht nur einen Schreibstil, das sind schon mehrere… Und „reüssieren“ will ich eigentlich gar nicht. Bloß den Leuten Angebote machen. Wie hier auch. Da wirds mal ein bissel lehrreich (hoffentlich), ein bissel unterhaltsam (hoffentlich), dann setz ich mich in die Nesseln (hoffentlich), dann bin ich wieder der liebe Onkel (hoffentlich nicht). Außerdem muss ich noch in den Wochenendkurs „Wie schreibe ich eine saugeile Rezi?“, den Kollege König für die Frischlinge durchführt. Mit Abschlussprüfung. Kann also nix schiefgehen.

    bye
    dpr

  3. Oh, man kann auch ganz wunderbar mit fehlerhaftem Bashing „reüssieren“: http://www.kaliber38.de/woertche/buchkultur_09.htm

    Zum einen sollte es jemandem wie TW eigentlich nicht passieren, dass man aus dem guten Ian ein „Ranking“ macht, zum anderen ist es schlecht recherchiert, Suhrkamp in Zusammenhang mit der Krimi-Couch zu bringen. Es hat nie ein Kontakt zwischen dem Verlag und uns stattgefunden – aus Ankündigungen in Vorschauen Tatsachen zu machen und daraus Argumente abzuleiten, ist wohl auch „qualitätsnotorisch“.

    Aber gut, an Schüsse aus der leicht modernden Ecke ist man ja mittlerweile gewöhnt.

  4. Es gibt erstaunlich viele Animositäten zwischen uns, die doch eigentlich die Liebe zur Kriminalliteratur eint. Dass jeder seine speziellen Vorlieben für ein Genre oder für Autor/innen hat, macht doch eigentlich den Reiz unserer Diskussionen aus. Da muss es doch nicht immer wieder persönlich werden!
    Dir dpr alles Gute für Deine Arbeiten für die Krimicouch. Ich jedenfalls bin gespannt auf Deine Beiträge.

  5. Heißt es in der Politik nicht auch Feind – Todfeind – Parteifreund? Aber, lieber Claus, es geht überhaupt nicht um Persönliches. Es geht um Pfründe. Das hab ich bitter lernen müssen. Von mir aus auch kein Wort mehr darüber in Zukunft, man kann sich auch schön ignorieren, das wäre mir schon sehr lieb. Außerdem hab ich wahrlich Besseres zu tun.

    bye
    dpr

  6. Dito.

    Nur: Unwahrheiten öffentlich zu behaupten, wird hingegen ganz unpersönlich die ganz normalen Folgen haben. Über alles andere bin ich jederzeit gerne bereit zu diskutieren.

    Lars

  7. Hallo
    mich regt schon die Überschrift, respektive die dahinterstehende Polarisierung auf.
    Wofür braucht man als Krimi-Liebhaber ein „Feindbild“?
    Ich bin froh, daß es die Krimicouch (und auch die Phantastikcouch) gibt. Hier kann ich mich kostenlos (da werbefinanziert, wie andere hochgelobte Seiten auch) informieren, mich mit Gleichgesinnten austauschen und Kommentare zu Büchern schreiben, wenn mir danach ist. Niemand wird ausgegrenzt, weil er vielleicht nicht so rechtschreibfest oder geschliffen im Ausdruck ist, wie es der elitäre Kritiker erwartet. Spaß haben kann man auch, sei es beim Krimiquiz oder auf den Plauderseiten im Forum. Es können eigentlich nur Neider sein, denen die KC wegen ihres Erfolgs bei der Mehrheit der Leser ein Dorn im Auge ist. Dabei ist in der Szene doch Platz genug für spezieller ausgerichtete Krimiforen und Blogs, denen mehr an Qualität im Sinne der Betreiber liegt. Auch ich finde nicht alles perfekt auf der KC, aber Toleranz und Anerkennung für das, was Lars und sein Team leisten, ist der Klebstoff, der die KC zusammenhält.

  8. Um nicht missverstanden zu werden: Ich kenne nicht die Hintergünde für die Animositäten und ich mische mich auch prinzipell nicht in persönliche Streitereien (um Pfründe?) ein.
    Ich schätze sachliche Diskussionen, meinetwegen auch mit der Axt, solange es um die Sache geht. Alles andere wird von mir ignoriert. Viel zu schade um die Lebenszeit, die dabei für andere, schönere Dinge verloren geht.

    Jetzt bin ich auch weg – nämlich in den Urlaub. Bis die Tage, Claus

  9. Hallo,
    wieso nörgelt Ihr euch eigentlich immer wieder öffentlich an. Ich behaupte, fast alle krimiinteressierte Leser finden ihre Passion in den ausgedachten Geschichten der Romanautoren und verhalten sich gegenüber eueren realpolitischen öffentlichen Anfeindungen gleichgültig. Wir wollen über Kriminalliteratur informiert werden, alles andere geht uns doch am Allerwertesten vorbei. Wir lieben die Nachricht und töten (extreme Form) den Überbringer. Die Idee, sich gegenseitig zu ignorieren finde ich gut, denn dann dürfen wir in Zukunft auf ähnliche Dispute verzichten.

    Gruß
    achim

  10. Wäre schön, Achim. Bin ich sofort dabei. Allerdings müssen es andere auch sein und zukünftig auf aus Kalkül ausgeteilte Pauschalwatschen wie „brotdumme Blogs“ verzichten. Ich gehöre gerne zu diesen brotdummen Blogs und hoffe, wir bekommen noch mehr davon.

    bye
    dpr

  11. oh tempora, o mores

    Vor 200 Jahren haben sie ob des Mangels an Brot eine Revolution angestiftet, heutzutage taugt Brot nur noch zur Beleidigung.

    Beste Grüße

    Bernd

    * der vor einem Jahr von dpr Druck bekommen hatte, weil er dem Unruhestifter damals schon diese Motivtion „unterstellt“ hatte.

  12. Asche auf mein Haupt, Bernd. Du hattest recht, ich habe mich damals geirrt bzw. wollte einige Dinge nicht wahrhaben. Aber so lernt man im Leben.

    bye
    dpr

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