Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus

Okay. Nachdem ich stundenlang mit allen Verehrern von Ken Bruen diskutiert hätte, würde ich zum finalen Statement ansetzen: „Meinetwegen. Aber ist trotzdem nicht mein Geschmack. Und nu is auch gut.“

Gegen Geschmack kann man nichts sagen. Ich habe auch prinzipiell nichts gegen versoffene Privatdetektive, die ihr Büro in einer Kneipe eingerichtet haben, ehemalige Polizisten sind, keine besonders moralischen Charaktere, aber im Grunde ihres Herzens doch irgendwie gut und liebenswert. Ich habe schon eher etwas gegen diese ganze Kneipenherrlichkeit, weil mir schon zu viele von diesen Büchern untergekommen sind, in denen originelle Typen am Tresen rumhängen und Lebensweisheiten von sich geben. Ich habe nun wirklich überhaupt nichts gegen Humor und noch weniger gegen die Tragödie. Und wenn jemand das verbinden kann: wunderbar. Ken Bruen kann es – nach meinem GESCHMACK – nicht.

Sein Protagonist heißt Jack Taylor und ermittelt im irischen Galway. Er ist, wie schon gesagt, ehemaliger Polizist und praktizierender Alkoholiker, für ein paar Dutzend Seiten wird er in „Jack Taylor fliegt raus“ abstinent sein – aus Liebesgründen -, dann aber um so konsequenter weiterpicheln. Jack arbeitet als Privatdetektiv und ist, versteht sich, notorisch klamm. Er soll beweisen, dass Ann Hendersons sechzehnjährige Tochter keinen Selbstmord begangen hat, sondern ermordet wurde. Er beginnt ein Verhältnis mit Ann. Jacks engster Freund ist Sutton, ein recht erfolgreicher Künstler und Mitsäufer. Auch mit dem Wirt seiner Stammkneipe ist Jack befreundet. Jack liest gerne Bücher, hat er schon als Kind getan. Also werden immer wieder Bücher und Autoren erwähnt, vom obligatorischen James Joyce bis zu Patricia Cornwell. Vor allem aber werden witzige Dialoge geführt. Doch, richtig witzige Dialoge.

„Du siehst aus wie ein Ex-Priester.“
„Gegen das Keuschheitsgelübde verstoßen?“
„Nein…, pleite.“
„Mm… daran könnten wir arbeiten.“

So zieht es sich durch das Buch. Eine Schlagfertigkeit folgt der nächsten, Bruen gehört nicht zu den langatmigen Schreibern, eher zu den kurzatmigen, was reizvoll sein kann, aber auch beängstigend. Man liest das Buch so runter, man schmunzelt dabei, manchmal lacht man sogar mittellaut – tja, und das ist ein entscheidender Punkt. Ein witziges Buch, witzig übersetzt…

Und zwar von Harry Rowohlt. Der ja bekanntermaßen auch witzig ist. Und ziemlich populär. So populär, dass sein Name fast so groß auf dem Cover steht wie der des Autors, was allen ÜbersetzerInnen gefallen dürfte (oder auch nicht, weil sie selbst nie so groß auf dem Cover stehen werden). Harry Rowohlt übersetzt also. Zum Beispiel Derek Raymonds „The Hidden Files“ als „Der versteckte Aktenordner“. Was ebenfalls ziemlich witzig ist, so eine kleine Büroschnurre, die Kollegen verstecken einen Aktenordner und der Sachbearbeiter sucht sich den Wolf und dann sagen alle „Ätsch!“. Oder so ähnlich. Manchmal übersetzt Rowohlt dort, wo im Original irgendein Synonym für „Polizei“ stehen dürfte, „die Schmier“. Ob Rowohlt auch für den deutschen Titel, „Jack Taylor fliegt raus“, verantwortlich ist, weiß ich nicht. Zuzutrauen wäre es ihm. Dabei: Wo fliegt Jack raus? Aus der Polizei (Originaltitel des Buches: „The Guards“). Nee, is er doch schon längst, als das Buch beginnt. Merkwürdig.

Um es kurz zu machen: Wer Ken Bruen auf Deutsch liest, muss auch Harry Rowohlt lesen. Ob das dem Buch zugute kommt oder eher weniger, kann ich in Ermangelung der Original-Lektüre nicht sagen, fürchte aber: nein. Mir ist es – nun: zu sehr Nummernrevue. Gags zum Abhaken. Andererseits: Tragisch ist das Buch auch, soll es wenigstens sein. Und manchmal sagt man sich tatsächlich: Ja, das ist jetzt tragisch, und das dürfte so ziemlich das Schlimmste sein, was man sagen kann, wenn etwas tragisch sein will. Der Plot selbst, die Krimihandlung – nichts gegen einzuwenden. Sogar einigermaßen originell. 300 schnell gelesene Seiten, Lektüre so lauwarm wie ein irischer Frühlingstag, nicht schlecht. Und dennoch: Beeindruckt hat mich das nicht im Geringsten. Bruen mit Ian Rankin, gar Jim Thompson zu vergleichen, das halte ich also für ziemlich gewagt. Ob ich den nächsten Band lesen werde? Hm. Harry Rowohlt „hat bereits mit großer Freude den nächsten Jack-Taylor-Band übersetzt: ‚Am Anfang hat Jack ja nur gesoffen, aber jetzt kokst er auch!'“

Schön für ihn und Harry Rowohlt. Für meinen Geschmack weniger.

Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus. 
Atrium 2009. 302 Seiten. 16 €
(The Guards, 2001. Deutsch von Harry Rowohlt)

2 Gedanken zu „Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus“

  1. Doch, lieber dpr, Ken Bruen im Original ist schon in Ordnung. Manchmal ein bisschen zu bemüht vielleicht, man muss auch sicher nicht alle Romane der Taylor-Reihe lesen, aber zwei bis drei schaden nix.
    Übrigens steht Harry Rowohlt sogar dick auf dem Cover von Büchern, bei denen er nur einen von vielen Texten übersetzt hat.
    Beste Grüße
    Joachim

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert