Krimileseleben -4-

Krimileserinnen und -leser sind mehr als ökonomische Manövriermasse von Verlagen oder diffuses Zielpublikum von Krimischaffenden aller Art. Sie haben eine Geschichte und gute Gründe, Krimis zu lesen. Die Serie „Krimileseleben“ möchte ein wenig von dieser Geschichte und diesen Gründen erzählen. Diesmal die ersten vier Stimmen von erfreulich vielen, die sich nach einer Einladung auf der Krimi-Couch bereiterklärten, mir auf vier Fragen zu antworten. Das nächste Viererpäckchen folgt bald. (→Folge 1 – →Folge 2 – →Folge 3)

Die Mitwirkenden:
Krilla, weiblich, 61
Anneli, Buchhändlerin
Magellan, Lehrer, 33 Jahre alt, „Krimi-Junkie“
Christiane, 39

Wie und wann bist du zum Krimi gekommen und was waren deine ersten prägenden Leseerlebnisse im Genre?

Krilla: Ich habe schon als Kind viel gelesen, war ständige Ausleiherin in unserer Bücherei . Im Gegensatz zu anderen Mädchen habe ich keine „Pferdebücher“ oder Hanni + Nanni, sondern Sherlock Holmes verschlungen. Ich war ca. 12 Jahre jung bei meiner ersten Begegnung mit dem Genre.

Anneli: Mal grundsätzlich – seit ich raushatte, wie lesen funktioniert, bin ich nie weit weg von einem Buch.
Wie ich zum Krimi gekommen bin? Den 1. „Krimi“ bekam ich mit 9 – Zirkus der Abenteuer. Meine Cousine arbeitete bei Siemens in der Werksbibliothek – ja, das gab es mal – und versorgte mich mit Blyton, verschiedene Serien.
Als die Bücherei dichtmachte, pilgerte ich zur Stadtbücherei – spannendes bevorzugt, gerne auch mit geschichtlichem Hintergrund.

Magellan: Angefangen hat diese „Sucht“ ganz klar damit, dass mein Großvater mir sehr viel vorgelesen und ab einem Alter von (ich glaube mal) 7 Jahren mir die „Einstiegsdroge“ „Enid Blyton“ vorgestellt hat. Danach nahm es fast gar einen klassischen Verlauf, „Die Drei Fragezeichen“, dann kamen die Klassiker von Agatha Christie und mit ca. 13 Jahren habe ich die Psychothriller für mich entdeckt, angefangen mit „Das Schweigen der Lämmer“. Und in diesem Genre fühle ich mich, abgesehen von den Klassikern, einfach immer noch am wohlsten.

Christiane: Schon als Kind habe ich gern Gespensterstorys und ähnliches gehört (damals noch auf Band). Mit Beginn der Pubertät hat sich dann meine Liebe zu Krimis entwickelt. Dabei war auch der Englischunterricht mit von Bedeutung, den wir haben damals neben Englisch auch viel über England, Schottland und Irland gesprochen. Agatha Christie war von dem Moment an meine Heldin, wenn ich in dem Alter auch noch nicht alles verstehen konnte was sie geschrieben hat. Aber ich liebe auch noch heute die Verfilmungen ihrer Bücher, auch wenn diese nicht immer mit dem Buch zu tun haben. Zuerst war also meine Liebe zum englischem Krimi da wie auch meine Leidenschaft für alle nordischen Länder.

Wie hat sich dein Krimilesegeschmack im Lauf der Zeit entwickelt?

Krilla: Wie hat sich das Genre entwickelt in den letzten Jahren? Meine Entwicklung lief wohl ziemlich parallel.

Anneli: Und dann kam Jerry Cotton! Verboten! Schund! Konnte man wunderbar unter der Matratze verstecken…. Beim ca. 20. merkte ich, dass da immer dasselbe drinsteht. Seitdem habe ich keinen mehr angerührt. Mittlerweile durfte ich in die Erwachsenenabteilung. Karlsruhe hatte eine erstklassige Abteilung für Krimis, alle schön beieinanderstehen – Sayers, Christie, Doyle……

Magellan: Ganz klar in Richtung der psychologischen Romane. Ich kann mit z.B. den Gerichtsromanen eines John Grisham nichts anfangen, die geben mir persönlich nichts, es passiert mir zu wenig, deswegen beschäftige ich mich nicht mit ihnen und werde mich hüten, sie bei irgendeiner Diskussion schlecht zu machen.
Auch habe ich gewisse Schwierigkeiten mit Krimis, die im Allgemeinen als „DIE Sensation“ bezeichnet werden, z.B. kann ich einfach nicht verstehen, warum Stieg Larrson so gehypt wurde und immer noch wird. Aber das ist, ich möchte es ganz ausdrücklich betonen, meine persönliche, subjektive Meinung.Ein weiterer Zweig der Kriminalliteratur, den ich persönlich je nach Laune gerne lese, sind historische Krimis.

Christiane: Ja, ganz deutlich. Ich bin eindeutig anspruchsvoller geworden. Während ich vor ein paar Jahren noch ganz wild war auf Thriller, in denen es viel Action gibt, mag ich heute lieber den stillen Roman, der Krimi, in dem viel ermittelt wird, in dem sich Zusammenhänge nach längerem Lesen erschließen.
Auch mag ich Figuren die ich immer wieder treffe in Bücher, Serein, wie z.B. Kurt Wallander oder Harry Hole, Maura Isel u.s.w..
Dabei ist es mir heute oft egal wo ein Krimi spielt, wenn ich auch zugeben muß, dass ich die typisch deutschen Regio-Krimis mag. Besonders die aus dem Norden, da wohne ich.
Ich mag ernste wie auch humorvolle Krimis. Der schwarze Humor steht dabei aber immer ganz oben auf der Wunschliste, das hat sich im Laufe der Jahre nie geändert.

Die Gretchenfrage: Warum liest du Krimis? „Nur“ zur Unterhaltung oder gibt es noch andere Motive?

Krilla: Tja, da fragst Du was….. In erster Linie natürlich zur Unterhaltung aber da könnte ich ja auch alles andere lesen…. Warum sind Krimis überhaupt so beliebt (geworden)? Mich faszinieren von jeher auch die Abgründe, die in fast jedem Menschen vorhanden sind.

Anneli: Schlicht zur Unterhaltung. Deshalb sind Krimis, die unter die Haut gehen – Kinder! – absolut Tabu. Über gesellschaftliche Probleme, Soziales, Zeitkritisches etc. informiere ich mich über Zeitungen, Sachbücher, entsprechende Sendungen im Fernsehen oder über die Belletristik.
Ansonsten ist der Krimi nur ein Teilbereich meiner Lektüre – da stehen außer den Krimis noch ca. 3000 andere Bücher in den Regalen. Beim Krimi schätze ich das Mitraten, bevorzuge den angelsächsischen, mit literarischen Anspielungen und Wortwitz.
Oder wie bei Simenon und Nabb, wie sie Stimmungen mit 2-3 Sätzen hinpinseln. Oder wie bei Trow die wunderbaren Lestrade-Pastiche…. Mit historischen Krimis bin ich ansonsten vorsichtig. Da muss alles stimmen, sonst fliegt das Ding weg. Außer Krimis zum Mitraten – wichtig – schätze ich schwarzen Humor, es kann auch ruhig schräg sein (Kinky Friedman) und Krimis mit Hintergrund (z. B. Fairstein, die immer ein Stück New Yorker Geschichte mit einbaut).

Magellan: Puh, schwierige Frage. Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Krimis sind in meinen Augen eine Literaturgattung, die primär den Anspruch hat, Menschen, egal welcher Alters- und Gesellschaftsgruppe, zu unterhalten. Darüber hinaus kann man Krimis durchaus auch eine weitergehende Funktion als Abbild der jeweiligen Gesellschaft zuweisen und als Spiegel der Probleme betrachten, aber in erster Linie, so denke ich, ist es Unterhaltung.
Ein anderes Motiv ist zumindest in meinem Fall die Neugier. Ich interessiere mich für Psychologie und finde es faszinierend, was Menschen „ticken“ lässt, sie bewegt und aus welchen Ursachen heraus der Mensch seine dunkle Seite offenbart. Ich denke, da spielt auch ein gewisses Quantum an morbider Faszination mit.

Christiane: Hauptsächlich sicher zur Unterhaltung. Aber wie ich schon sagte, wenn man sich einmal für einen Autor, für eine Figur begeistert, dann ist es irgend wie vertraut und zu gleich neu wieder ein Buch mit eben dieser Figur zu lesen.
Das Lesen gibt einen ja auch immer die Möglichkeit den Protagonisten sehr nahe zu kommen, mit zu fühlen, zu lachen, eben abtauchen in einer andere Welt.

Wie informierst du dich über das Angebot? Liest du auch Rezensionen – und welchen Wert haben sie für dich?

Krilla: Ich informiere mich in den letzten Jahren überwiegend in diesem Portal – krimi-couch – lese die Rezensionen (der Leser!!) und folge häufig den entsprechenden Empfehlungen. Ich tausch mich auch gerne mit anderen Krimi-Lesern aus und freue mich über Tipps – besonders wenn es um (für mich) neue Schriftsteller geht.

Anneli: Information – bin Buchhändler…… Rezensionen lese ich natürlich. Da man aber weiß, wer was bevorzugt, ordne ich das als für mich brauchbar oder nicht ein. Sowohl beruflich als für meinen privaten Gebrauch.

Magellan: Infos bekomme ich (Danke an dieser Stelle an die Buchhändlerin meines Vertrauens!) aus erster Hand und gleich danach hier aus den gesammelten Archiven und aktuellen Besprechungen und Diskussionen.
Rezensionen….das ist gerade im Moment in meinem Fall eine zweischneidige Sache. Ich lese Rezensionen, keine Frage, bin meistens ziemlich angetan, manchmal verwundert, selten konsterniert. Es ist sehr schwer, die Frage nach Wert und Unwert einer Rezension zu beantworten, da dies immer mit einer persönlichen Vorliebe gekoppelt ist.
Um bei einem bereits genannten Autor zu bleiben: Stieg Larsson ist für viele Krimileser ein Schriftsteller gewesen, der mit seiner Trilogie einen Meilenstein der Kriminalgeschichte geschaffen hat. Dass dies so ist, wird keiner in Frage stellen. Aber ein Mensch wie zum Beispiel ich, der mit den Werken Larssons einfach nicht zurecht kommt, kann über den Wert oder Unwert diesbezüglich keine repräsentative Aussage machen. Ich habe in diesem konkreten Fall mehrmals versucht, Stieg Larsson zu lesen, es gelang mir nicht, ich fand einfach keinen Zugang zu seiner Geschichte. Dies kommt auch in meiner Rezension zum ersten Band der Trilogie zum Ausdruck.
Viele andere sind vollkommen begeistert. Sind diese Rezensionen also falsch oder mangelhaft oder oberflächlich, nur weil sie meinen Geschmack nicht treffen? Natürlich nicht! Rezensionen sind immer zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch den persönlichen Geschmack gefärbt und so muss es auch sein, denn ansonsten müssten wir uns nicht mehr über Krimis unterhalten.
Ich denke, es ist für die Leser von Rezensionen am besten, wenn sie nach der Lektüre von diversen Rezensionen zu dem Schluss kommen: Ich muss das Buch selber lesen.
Wenn das passiert, ist der Idealzustand erreicht.

Christiane: Rezensionen haben einen großen Wert für mich. Ein Buch, welches hier sehr schlecht bewertet wurde, werde ich auch nicht kaufen. Wobei ich mir natürlich immer darüber im klaren bin wie unterschiedlich Geschmäcker und Erwartungen sind.
Auch schenke ich den Rezensionen bei der KC mehr Aufmerksamkeit wie z.B. denen bei Amazon oder andern Literaturseiten.
Sagen möchte ich noch, dass ich zwar sehr viele Krimis lese, aber nicht ausschließlich. Der Anteil an Krimis beläuft sich bei auf ca. 6 von 10 Büchern.

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